Gustav
Wilhelm Brügelmann, Teilhaber der Firma F. W. Brügelmann Söhne.
geb. 21.11.1807 in Kaiserswerth
gest. 6. 8. 1860 in Bad Neuenahr
vermählte sich am 1. 5. 1845 mit
Helene van Hees
geb. 27. 6. 1823 auf einem holl. Schiff vor Köln
gest. am 11. 6. 1881 in Köln am Rh.
Aus dieser Ehe entstammen 7 Kinder, die die Namen erhielten:
Johanna Sophie Brügelmann
Anna Maria Caroline
Brügelmann
Friedrich Wilhelm Brügelmann
Henriette Julie Brügelmann
Helene Katharina Hermine Brügelmann
Julie Albertine Brügelmann
Johann Christian Dietrich Brügelmann
Wenn
ich heute die Erinnerungen aus dem Leben meiner Eltern
schreiben will, so folge ich damit dem Wunsche meiner Nichte Elli Fulda geb.
Brügelmann. Ich stehe im eben vollendeten achtzigsten Jahre und bitte daher, Nachsicht
zu üben mit Schrift und Stil.
Von meinem Vater habe ich nur schwache Erinnerung, denn ich war erst vier
Jahre, als er starb. Alles, was ich von ihm erzähle, erfuhr ich durch die
Mutter. Mein Vater starb in Bad Neuenahr; die Ärzte schickten ihn wegen eines
Zuckerleidens dorthin, und meine Mutter nahm ihr zweites Kind, Marie, dorthin
mit. Ebenfalls weilte am Krankenlager der Afrikaforscher
Dr. Gustav Nachtigal
, der meinem Vater die Augen zudrückte. Er starb als erster Kurgast in Bad
Neuenahr, welches 1860 gegründet wurde. Kurz nach seinem Hinscheiden trafen von
Köln Onkel und Tante Nachtigal
ein, sie eine geborene Brügelmann, und ordneten an, daß
die Leiche nach Köln in die Mühlengasse kam, von wo sie bestattet wurde, auf Melaten. Onkel Nachtigal wurde
der Vormund der sieben Kinder.
Als der jüngste Sohn geboren wurde, kam Schwager Nachtigal
an Mamas Bett, hocherfreut nach fünf Töchtern der zweite Sohn! Er erhielt den
Namen Dietrich und bekam als Patengeschenk 100 Thaler, späterhin alle
Patenkinder nur 50 Mark.
Meine Mutter hatte einen schweren Witwenstand. Sieben unmündige Kinder, von
denen noch keines konfirmiert war und der Jüngste, Dietrich, erst zehn Monate
alt. Dazu das große Geschäft. Die Fabrik war noch in der Mühlengasse, das
Detailgeschäft mit zwei Ladenmädchen, der Compagnon ihr Schwager Hermann
Brügelmann. Meine Mutter hatte keine Zeit, tagsüber sich der Trauer hinzugeben.
Um sechs Uhr begann schon ihr Tagewerk, indem sie den Fabrikarbeitern das Tor
öffnete. Aber abends, da ging sie an die sieben Betten der Kinder, um sich
auszuweinen. Aber die Zeit heilte auch den tiefen Schmerz, und sie lebte auf in
ihren Kindern, die ihr alle Freude machten. Sohn Wilhelm wurde von Onkel und
Tante Nachtigal erzogen, und nach der Schulzeit
brachte der Onkel ihn nach Genf auf eine Handelsschule. Dann trat er früh als
Lehrling in die Mühlengasse ein.
Doch ich bin gebeten worden, von dem Leben meiner Eltern zu erzählen und
nicht von den Kindern. So will ich berichten, wo und wie sie sich kennen
gelernt haben. Es war auf einer Hochzeit in Köln. als die bildschöne junge
Holländerin zum Tischnachbar Wilhelm Brügelmann hatte. Sie neunzehn Jahre,
er siebenunddreißig Jahre. Meine Mutter sprach nur wenig Deutsch und
mein Vater erst recht kein Holländisch. Sie aßen ein Vielliebchen zusammen, und
meine Mama gewann es. Am Abend, als Herr Brügelmann nach Hause kam und singend
die Treppe hinauf ging, sagte am Morgen Frl. Kolkmann,
die langjährige Haushälterin der Großmama Brügelmann geb. Braselmann:
„Herr Wilhelm ist verliebt. Der ist ja heut nacht
singend die Treppe herauf gekommen.“
Meine Mutter war aus guter, protestantischer Familie. Ihre Eltern hatten große
Schiffe, welche später durch die Dampfschiffe vertrieben wurden. Sie fuhren
zwischen Rotterdam und Köln. Meine Mutter wurde in Utrecht zur Schule
geschickt. Ich habe noch ein Stück Möbel, ziemlich groß, was derzeit auf dem
Schiff gestanden hat.
Als die Schiffahrt einging, zogen die Eltern mit den
Kindern nach Deutz, wo sie ein Colonialwarengeschäft
mit Seifensiederei gründeten. Ich erinnere mich dieses großelterlichen Hauses
van Hees noch sehr gut. Als nun Herr Brügelmann der
Tochter das Geschenk schickte, was er im Vielliebchen verloren hatte, war es
ein eingelegter Schmuckkasten mit allen möglichen Silbersachen. Der Vater van Hees, entrüstet, wollte es zurückschicken, das passe nicht
für sein Haus, aber schließlich beruhigte er sich doch, und acht Tage darauf
hielt Herr Brügelmann um die Hand der Tochter an. Trotz des großen
Altersunterschiedes war die Ehe eine recht glückliche, aber schon mit
siebenunddreißig Jahren war meine Mutter eine Witwe. Sie lebte aber in ihren
Kindern auf. Alle ihre Kinder heirateten nach Wunsch und starben erst nach
ihrem Tode. Sie sagte öfter: „Alle Schwiegersöhne und Töchter sind evangelisch
und haben ihr Brot. Keins braucht eine Zulage.“ Für meinen Bruder Dietrich war
der Tod meiner Mutter am schwersten, denn er war noch unverheiratet und verlor
das Elternhaus. Aber bald darauf lernte er Emma Hill kennen und gründete sich
den eigenen Hausstand.
Unsere Hochzeiten waren meist in der alten Mühlengasse. Da wurden die
Schlafstuben ausgeräumt, und siebzig Personen wurden zu meiner Hochzeit bequem
untergebracht in zwei Zimmern.
Den Krieg 1870/71 erlebte meine Mutter. Schwiegersohn Karl Brügelmann machte
als Kürassier den Feldzug mit. Die Hochzeit sollte kurz vorher nach
siebenjähriger Brautzeit in der Mühlengasse stattfinden, als die
Kriegserklärung kam, und der Bräutigam mußte ins Feld
rücken. Die Tische waren schon gedeckt. Leicht verwundet kam er im Januar
zurück, und bald danach fand die Hochzeit statt.
Im Sommer mußten alle Kinder um sechs Uhr, im Winter
um sieben Uhr zum Frühstück da sein. Dann kam der Friseur, Rosallen,
und die Mutter rief durchs Haus: „War sein mein Kröllen
(Locken), war es mein Brill, war sein mein Schlötelen
(Schlüssel)?“ Sie verlegte oft ihre Sachen. Jeden Morgen ging sie mit einer
Trägerin auf den Alten Markt zum Einkauf von Gemüse und Obst. Die schöne Frau
Brügelmann war bei allen bekannt und beliebt. –
Ich kann wohl sagen, daß meine Mutter auf ihre
hübschen Töchter sehr stolz war. Damit die hochaufgeschossenen Töchter sich
gerade hielten, beschaffte die Mutter auf ärztlichen Rat eiserne Corsetts, die das Stück etwa 30 Mark kosteten. Als die
letzte Tochter heiratete, standen fünf solcher Panzer auf dem Speicher. Da
sagte sie: „Jetzt müssen sie alle verschwinden, damit die Schwiegersöhne sie
nicht sehen.“ Sie sorgte für eine gründliche Ausbildung der Töchter im Haushalt
und in der Küche. Wir machten ein Bügel-, ein Koch-, ein Putzmacherinnen- und
ein Stopfexamen. Das habe ich mal einer Dame gesagt, als sie mich fragte:
„Welche Examen haben Sie denn in ihrer Jugend gemacht?“
Meine Mutter tat nicht viel im Haushalt. Nur hielt sie ihre Schränke und ihr
Silber nach holländischer Sitte eigenhändig in peinlichster Ordnung. Die
Aussteuern der fünf Töchter wurden alle mit Hilfe einer Näherin der Töchter im
Hause genäht.
Meine Mutter spielte sehr gerne Karten. Sechsundsechzig und ein holländisches
Spiel „500“, auch Mühle und Dame. Diese Spiellust habe ich von meiner Mutter
geerbt. Meine Mutter ging mit Vorliebe zur Großmutter Brügelmann (ihrer Schwiegermutter)
geb. Braselmann nach Honnef. Jeden Samstag nahm sie
zwei Kinder mit dem Schiff mittags um ein Uhr mit nach Königswinter, von da zu
Fuß nach Honnef. Halbwegs, in Rhöndorf an der kleinen
Kapelle, erwartete uns die Großmutter mit ihrer Haushälterin, Frl. Kolkmann. Einmal kam die Mutter mit einem Kind, das sie
noch nährte, und nahm sie in Königswinter einen Wagen, auf dessen Bock ein Faß Bier geladen wurde, von dem sie als Stillende in Honnef
trinken wollte, und in der Tasche hatte sie ein Spiel Karten.
Für die Aussteuer wurden 5000 Mark aufgewandt. Das war viel, weil das Geld
damals mehr Wert hatte.
Über eine Reise, die meine Eltern in die Schweiz machten, kurz vor dem Tode
meines Vaters, findet sich ein Bericht in der Geschichte der Firma F. W. Brügelmann
Söhne, die zur Hundertjahrfeier der Firma herausgegeben wurde.
Nur zu früh ist meine Mutter gestorben. Sie war erst achtundfünfzig Jahre,
starb an einer Lungenentzündung binnen acht Tagen in der Mühlengasse. An einem
Pfingstsonntag hatte sie einen offenen Wagen genommen, der verheirateten
Tochter Henriette zuliebe, die bei ihr zu Besuch war, und der kleine Enkel Hans
Brügelmann saß auf dem Bock. Er sowie die Großmutter erkrankten zur gleichen
Stunde. Das Kind blieb am Leben, und die Großmutter starb, tief betrauert von
allen Kindern.