von Karl
Wüllenweber
Ich
hatte Gelegenheit, die Personalakte meines Vaters im Archiv der Stadt Bonn einzusehen.
Mit diesen Unterlagen und zum Teil aus der Erinnerung schrieb ich diesen
Lebenslauf. (Dezember 1999.)
Michael Wüllenweber wurde am 24. Oktober 1895 in Hersel bei Bonn als drittes
Kind der Eheleute Joseph Wüllenweber und Margareta Bachem geboren. Sein Vater
war Schuhmacher. Die Familie wohnte in Hersel in der Lindenallee 3 (heute
Richard-Piel-Straße). Er besuchte die Volksschule in Hersel vom 1. April 1902
bis zum 31. März 1910. Am 15. Mai 1910 begann er eine Lehre als Kassenlehrling
bei der Gemeindekasse und Ortskrankenkasse der Gemeinde Hersel. Von Mai 1913
bis Mai 1915 war er an derselben Stelle als Kassengehilfe tätig. „Während
dieser Zeit hatte ich Gelegenheit, mich mit allen bei einer größeren
Gemeindeverwaltung vorkommenden Arbeiten vertraut zu machen; die
Ortskrankenkasse Hersel habe ich zwei Jahre lang – neben den übrigen Arbeiten –
selbständig verwaltet.“ (Aus einem Lebenslauf von 1920.)
Am 15. Mai 1915 begann für Michael Wüllenweber die Militärdienstzeit. Er
wurde in Berlin beim Gardeschützen-Ersatzbataillon (3. Kompanie) ausgebildet.
Ab Juli 1915 war er beim aktiven Gardeschützen-Bataillon (4. Kompanie). Vom 20.
Juli bis 22. August 1915 und am 19. und 20. September 1915 nahm er an
Kampfhandlungen am Hartmannsweilerkopf teil. Dabei wurde er am 20.09.1915
schwer verwundet (Knie- und Lungensteckschuss). Bis Februar 1916 befand er sich
in Lazaretten in Gebweiler, Colmar und Augsburg. Während des anschließenden
Lazarettaufenthaltes in Bonn war er zeitweise vom Militärdienst beurlaubt zur
Arbeitsleistung bei der Gemeindekasse in Hersel. Nach dem Ende seiner
Militärzeit im Juni 1917 war er wieder als Verwaltungsgehilfe beim
Bürgermeisteramt Hersel tätig. Die Gemeindeverwaltung befand sich zu dieser
Zeit in Wesseling.
Ende 1919 bewarb sich Michael Wüllenweber um eine Stelle bei der Stadtkasse
Bonn. Am 2.1.1920 trat er seinen Dienst als Angestellter an und wurde am
1.2.1920 Stadtassistent. Im April 1923 wurde er als Stadtsekretär verbeamtet.
(Vereidigung am 9.7.1923.) Auf einem Personalbogen aus dieser Zeit ist als
Staatsangehörigkeit „Preuße“ angegeben.
Beförderungen: Stadtobersekretär (1.4.1928), Stadtinspektor (6.4.1934),
Stadtoberinspektor (1.4.1936).
Bis 1936 arbeitete mein Vater bei der Stadtkasse Bonn (Amt 73). Sein
Vorgesetzter war Stadtrentmeister Lenz, als dessen Vertreter er seit 1930
arbeitete.
Am 23.6.1936 wurde er zum Rechnungsprüfungsamt (Amt 75) versetzt und trat als
Leiter des Rechnungsprüfungsamtes die Nachfolge von Herrn Lemmerz an.
Am 17.1.1938 wurde er Stadtamtmann und am 15.4.1941 Rechnungsdirektor. Am
6.7.1939 erhielt er nach 25jähriger Dienstzeit das „Treuedienst-Ehrenzeichen“.
Michael Wüllenweber wurde am 1. Mai 1935 Mitglied der NSDAP mit der Mitglied-Nummer
2 102 635. In der Partei versah er in der Ortsgruppe Hersel das Amt des
Organisationsleiters und das Amt des Ortsgruppenkassenleiters (Anmerkung 2017: Da mein Vater dieses Amt innehatte,
wurde er 1945 interniert). Ich erinnere mich, dass
die Verteilung der Lebensmittelkarten in Uedorf zu den Aufgaben meines Vaters
gehörte.
Gegen Ende des Krieges erhielt er eine Abordnung an einen auswärtigen
Dienstort, und zwar zur evakuierten Außenstelle der Stadtverwaltung Bonn in Oberrhamede
bei Altena in Westfalen. Für die Familie war das eine Flucht vor den
herannahenden Amerikanern. In Oberrhamede erlebten wir mit dem Einmarsch der
Amerikaner das Kriegsende.
Im Mai kehrten wir wieder nach Hause zurück und setzten in Köln über den Rhein.
Vor der Überfahrt wurden alle Personen kontrolliert und befragt. Eine Frage an
die Erwachsene hieß immer: „Waren Sie in der Partei?“ Man hörte in der Reihe
der Wartenden jedes Mal die Antwort „Nein“. Mein Vater aber antwortete mit
„Ja“. Darauf der amerikanische Offizier: „Da haben wir ja mal einen.“
Kurz nach der Heimkehr wurde mein Vater wegen seiner Parteizugehörigkeit
festgenommen und interniert. Erst gegen Ende des
Jahres 1945 kehrte er als schwer kranker Mann wieder heim. Es folgte das
Verfahren der Entnazifizierung mit dem Einreihungsbescheid in Kategorie III am
28.11.1947. Mein Vater erhielt nun eine Pension von 239,59 RM, das waren 60%
der Versorgungsbezüge. Nach einem Berufungsverfahren wurde er im Mai 1949 in
die Kategorie V eingereiht und war damit voll entlastet. Im Stadtrat wurde über
die Wiedereinstellung beraten und am 27.5.1949 heißt es in einer Vorlage, dass
gegen die Wiedereinstellung keine Bedenken bestehen.
Im Oktober 1949 trat mein Vater als Stadtinspektor wieder in den Dienst der
Stadt Bonn und wurde vorübergehend im Jugendamt beschäftigt. Im März 1950 wurde
er zur Kämmerei versetzt und wurde als Leiter der Kämmerei der Nachfolger von
Herrn Emans. Sein Chef und Kämmerer der Stadt Bonn war damals Herr Dr.
Bahlmann. Von da an war er zehn Jahre lang bis zu seiner Versetzung in den
Ruhestand am 31.10.1960 u.a. für die Erstellung des Haushaltsplans der Stadt
Bonn verantwortlich. Seit 1.12.1950 war er Stadtamtmann, wurde am 2.4.1951
wieder vereidigt und am 22.5.1954 zum Stadtoberamtmann ernannt.
Erinnerungen an meine Eltern.
Nachdem meine Eltern im Jahr 1922 geheiratet hatten, wohnte das junge Paar zunächst im Elternhaus meines Vaters in
Hersel, Lindenallee 3 (heute Richard-Piel-Straße). 1924 wurde mein Bruder Richard, 1929 meine Schwester Maria Michaela geboren.
Maria Michaela starb 1931 an einer Blutvergiftung.
Meine Eltern hatten sich dafür entschieden, auf dem Land ein Einfamilienhaus zu
bauen, statt in der Stadt zur Miete zu wohnen. Mein Vater besaß aus der
Erbschaft ein Grundstück zwischen den Orten Hersel und Uedorf am Rheinufer. Das
Grundstück war nach einer Flurbereinigung in den zwanziger Jahren an die Familie
gekommen. Inzwischen war ich als drittes Kind geboren worden, und eine neue
Wohnung wurde dringend nötig. Architekt Vaupel aus Bonn zeichnete den Entwurf;
der Neubau entstand 1934 (Grundsteinlegung). Das Richtfest wurde gefeiert, als meine Mutter im
Elisabeth-Krankenhaus in Bonn das vierte Kind, meine Schwester Elisabeth,
bekam. 1936 wurde die jüngste Tochter, Angela, geboren.
Zum Haus gehörte ein 12 Ar großes Grundstück. Auf der
Fläche vor dem Haus war eine Terrasse mit
Steingarten, ein Gartenteich, eine kleine Wiese mit Rosenbeet, eine Pappel, die
im Laufe der Jahre ins Riesenhafte wuchs, eine Birke, einige immergrüne Bäume.
Hinter dem Haus hatte wir einen Hof mit einer Kastanie, eine Wiese, die mit
Rosen- und Staudenbeeten eingefaßt war und einen Hühnerstall mit eingezäuntem
Auslauf. Ein schmaler Weg führte im Abstand von der südlichen Grundstücksgrenze
durch den Obst- und Gemüsegarten bis zum Mittelweg, der heutigen Heisterbacher
Straße. Alle Nachbargrundstücke im Umkreis von rund 200 m waren Ackerland oder
Baumgärten.
Mein Vater leistete in der Pflege des Obst- und Gemüsegartens die meiste
Arbeit. Meine Mutter pflegte die Rosen, die Blumenbeete, den Steingarten und
das Kaktusbeet, erntete und verarbeitete die Ernte in Weckgläser, Kraut- und
Bohnentöpfe, wir Kinder halfen je nach Leistungsfähigkeit.
Das Wohnen auf dem Lande brachte es mit sich, daß mein Vater täglich mit der
Rheinuferbahn nach Bonn zum Dienst fahren mußte. Die nächste Haltestelle war
damals in Hersel. Mein Vater fuhr mit dem Fahrrad zum Herseler Bahnhof und mit
der Bahn nach Bonn. Trotz des weiten Weges kam er mittags meist nach Hause und
machte auch einen kurzen Mittagsschlaf.
Als wir Kinder nach Bonn zur Schule fuhren, empfanden wir den Weg zum Bahnhof
als sehr weit (1 km), wir mußten ihn ja zu Fuß gehen.
Als meine Eltern erst ein Kind hatten, betrieben sie im Sommer gern
Wassersport. Sie besaßen ein Zweierpaddelboot, mit
dem sie oft auf die Herseler Rheininsel zum Baden fuhren. In der Urlaubszeit
machten sie mehrmals mit Freunden eine Paddeltour mit Zelten von Trier aus die
Mosel hinab.
Sie waren Mitglieder im Eifelverein und wanderten oft
mit Gruppen in der Eifel, z. B. am Steinerberg.