Bei den Erinnerungen von Matthias Rech befindet sich die Abschrift des Berichts von Otto Brügelmann über die Bombardierung Kölns am 30./31. Mai 1942. Seltsamerweise traf meine Veröffentlichung des Berichts bei den Erinnerungen von M. Rech fast genau mit dem 60. Jahrestag des Ereignisses zusammen. Ich mache hiermit den Bericht auch über meine Genealogie-Homepage zugänglich.  Karl Wüllenweber.


10.06.1942

Bericht über den Terror-Angriff der Engländer in der Nacht vom 30./31. Mai 1942 und seine Auswirkungen auf unseren Geschäftsblock Mühlengasse/Altermarkt/Neugasse.

Nach den Meldungen der Feuerwache erfolgte der Einflug der Flieger kurz nach 24 Uhr.

Brandbomben fielen zuerst in Richtung BRAUNSFELD/EHRENFELD, dann wurden die Hohenzollernbrücke, Hauptbahnhof und Eisenbahndirektion stark angegriffen. Auch die Schule in der Martinsabteigasse fing Feuer. Darauf wurde unser Block überflogen, und die Brandbomben fielen in großer Zahl, so daß es wie Regen rauschte.

Die Brandwache trat sofort in Tätigkeit, auch die Mannschaft des Scheinwerfers half. Es wurden Brandbomben in der Kantine gelöscht, es wurde mit der großen Schlauchleitung auf dem dritten Stock gearbeitet, aber es brannte an den verschiedensten Stellen oben und unten, auch in den Privathäusern in der Bechergasse.

Das Feuer griff mit solcher Wucht um sich, daß die Löschung aussichtslos erschien, und so beschränkte man sich auf die Bergung von wertvollem Material. Es gelang vor allen Dingen, fast alle Fakturier-Maschinen, eine größere Anzahl Schreibmaschinen, Additionsmaschinen und dergleichen zu retten.

Auch im Keller wurde die Rauchentwicklung so stark, daß hier kein Aufenthalt mehr war, die Brandwache verließ daher das Haus. In diesem Augenblicke traf der Betriebsführer (es wird gegen 3 ½ Uhr morgens gewesen sein) in der Mühlengasse ein.

Herr Dr. OTTO BRÜGELMANN berichtet weiter:

Bei Alarmbeginn begab ich mich in den Luftschutzkeller meines Privathauses und nahm die Telefonverbindung mit den drei Wachen der Firma

Mühlengasse,
Zeppelinstraße,
Deutz
auf.

Es war bald klar, daß der Angriff ein überaus schwerer und gefährlicher war. Zuerst meldete die Zeppelinstraße, daß schwere Bomben und Brandfackeln überall um das Haus herum niedergingen.

Die Mühlengasse meldete Feuer in der Brigittenschule, dann fiel die Verbindung aus. Ein Anruf in der Nachbarschaft (z. B. Jan von Werth-Apotheke) erbrachte die Mitteilung, daß die Ostseite des Altermarkts in Flammen stehe.

Die Verbindung mit Deutz bestand weiter, und ich hörte über Deutz, daß das Haus von KURT BRÜGELMANN brannte. Ich beauftragte PROEPPER, mit mehreren Männern zu Löscharbeiten nach der Münze zu gehen, wollte mich aber vorher mit ihm in der Mühlengasse treffen. Mit dem Fahrrad gelang es mir, mein Haus noch vor der Entwarnung verlassend, trotz aller Streckenstörungen an der furchtbar brennenden Rheinfront, gleichzeitig mit dem von Deutz abgehenden Hilfsauto in der Mühlengasse einzutreffen.

Aus allen Fenstern der Firma schlugen riesige Flammen empor, auch die gegenüber liegenden Häuser brannten lichterloh. Da auf dieser Seite nichts mehr zu machen war, versuchte ich, in den Keller zu steigen, und es gelang mir vom Hause Mühlengasse 19 aus, den Keller von Nr. 17 und von hier aus den Tiefkeller der Nachtwache zu erreichen. Nach oben in das Treppenhaus 1 einzusteigen war aber wegen Rauch und Hitze nicht möglich. Infolgedessen stieg ich durch das Schlupfloch in das Haus BOMM in der Neugasse über. In der Neugasse angekommen, sah ich, daß das Haus BIERGANS nach dieser Seite  nur oben brannte, ließ daher das Tor Nr. 3 einschlagen. Im Toreingang lag ein großer Stoß Postpakete, die mit Hilfe der anwesenden Männer auf der Neugasse freigestapelt wurden.

Ich drang auch in die Spedition im Nachbarhause Neugasse 18 ein, die aber schon brannte. Trotzdem gelang es auch hier, eine Menge Ware zu bergen, die unverpackt in Körben stand. Als diese Arbeiten nicht mehr möglich waren, ließ ich die Ladenspedition einschließlich der Adrema-Vorrichtung, zwei Schreibmaschinen und sämtlichen Pulten ausräumen.

Es gelang auch, die geborgene Ware und Einrichtungsgegenstände gegen den starken Funkenflug zu schützen und ein Auto aus Deutz herbeizurufen, das in zweimaliger Fahrt diese Gegenstände sicherstellen konnte.

Mittlerweile drang ich nochmals in den Tiefkeller der Nachtwache ein und konnte jetzt, trotz Rauch und Hitze kurz verweilend feststellen, daß dieser Keller einschließlich der alten Herren- und Damengarderobe intakt war. Die Türe zum Wollkeller war glühend heiß, hielt aber.

Weiter aufsteigend im Treppenhaus der Neugasse kam ich in die Garage und sah zu meiner Bestürzung, daß die feuersicher Tür nach der Spedition zu offen stand. Die Garage lag dicht voller Kisten, Ballen und Holz, alles brennbares Material. Trotz des beißenden Rauches und großer Hitze gelang es mir, die Türe zu schließen und dadurch die Garage vor dem Brand zu bewahren.

Zurückkehrend zur Mühlengasse stellte ich fest, daß in der Wehrgasse ein Hausgiebel zu brennen begann. Die Männer meiner Nachtwache schlugen die brennenden Teile herunter und retteten das Haus und damit wahrscheinlich auch den ganzen am Rhein gelegenen alten Häuserblock.

In der Mühlengasse mußte ich zu meinem Schrecken feststellen, daß das Haus Nr. 17 am Dache und auf dem I. Stockwerke Feuer gefangen hatte. Ich leitete sofort Löscharbeiten ein, die auf dem I. Stockwerke von baldigem Erfolge begleitet waren, weil sich hier eine massive Betondecke befand und das Feuer sich nur nach oben ausdehnen konnte. Es begann der Boden der II. Etage zu brennen, aber hier waren die Löscharbeiten mit einigen Eimern Wasser zunächst schnell erledigt. Desto mehr Schwierigkeiten aber bereitete der Dachstuhl, dessen Löschung ohne Hilfe des SHD unmöglich gewesen wäre. Auf meine Aufforderung, doch das historische Haus zu retten, fand sich der betreffende Schlauchführer bereit, aber das Wasser reichte nicht hoch genug. Der Schlauch mußte daher zum ersten Stock heraufgezogen werden. Inzwischen bekämpfte ich das Feuer von der Dachrinne im obersten Stockwerk aus mit drei Minimax-Apparaten. Ferner ließ ich die vergitterte Dachluke durch den Nachtwächter Krings öffnen, und so konnte man vom Dache aus die Reste des Feuers beseitigen, die verblieben waren, nachdem der SHD mit dem inzwischen auf die II. Etage gezogenen Schlauch die Flammen gelöscht hatte.

Weiter durch das Haus Nr. 17 durchdringend, fand ich, daß an der Verbindungstür auf dem II. Stock zum Hause Nr. 15 sich das Feuer einen Durchlaß erzwungen hatte, hier schlugen mir erhebliche Flammen entgegen. Trotz unerträglicher Hitze und scheußlicher Rauchentwicklung gelang es allmählich durch Wasserwurf mit Eimern, auch diese Flammen zu löschen. Es dauerte allerdings noch eine ganze Weile, verborgene Feuerherde unter den Fußböden und in den Wänden endgültig abzulöschen.

Im Anschlusse hieran nochmals den Keller inspizierend, fand ich einen Feuerherd in dem Keller unter Haus Nr. 17, in dem das Altmaterial verwahrt wird. Hier waren Flugfunken auf Jute gefallen. Glücklicherweise konnte ich dieses Feuer im Entstehen löschen, aber die Wache hat im Laufe der Nacht noch mehrmals an dieser Stelle eingreifen müssen.

Damit war alles geschehen, was in der Mühlengasse geschehen konnte.

Ich fuhr auch noch mit dem Rad zur Zeppelinstraße und mußte hier leider feststellen, daß das große schöne Gebäude ebenfalls nicht mehr zu retten war. Auch hier ist seitens der Brandwache zahlreiches und wertvolles Material gerettet worden.

In der Mühlengasse beteiligten sich an den Löscharbeiten vor allen Dingen der Packer Owin, Josef Büchel, Packer Scheben, der Angestellte Fuss sowie der Nachtwächter Kring und Assenmacher. Aber auch die Frauen der Nachtwache haben sich sehr betätigt dadurch, daß sie die wertvollen Fakturier- etc. Maschinen in das Treppenhaus I im Souterrain retteten, wo sie vom Feuer verschont blieben.

Andere Rettungsaktionen, wie z. B. der Versuch, Strumpfwaren dadurch zu retten, daß sie über die große Rutsche in die Spedition geworfen wurden, mißlangen, weil die Spedition leider sehr bald zu brennen anfing.

Ich komme daher zu dem Ergebnis, daß nur infolge des Umstandes, daß die Firma in kürzester Zeit an verschiedenen Stellen oben und unten brannte, das Löschen anderer Bomben durch die Wache ohne Erfolg blieb, weil die Brandherde zu zahlreich waren.

Erfreulich ist die Tatsache, daß keinem der eingesetzten Kräfte ein Unglücksfall zustieß, während leider im gegenüberliegenden Hause Mühlengasse 10 achtzehn Personen den Keller offenbar nicht mehr rechtzeitig verlassen konnten und erstickten.