Bei den Erinnerungen von Matthias Rech befindet sich die Abschrift des Berichts von Otto Brügelmann über die Bombardierung Kölns am 30./31. Mai 1942. Seltsamerweise traf meine Veröffentlichung des Berichts bei den Erinnerungen von M. Rech fast genau mit dem 60. Jahrestag des Ereignisses zusammen. Ich mache hiermit den Bericht auch über meine Genealogie-Homepage zugänglich. Karl Wüllenweber.
Nach
den Meldungen der Feuerwache erfolgte der Einflug der Flieger kurz nach 24 Uhr.
Brandbomben fielen zuerst in Richtung BRAUNSFELD/EHRENFELD, dann wurden die
Hohenzollernbrücke, Hauptbahnhof und Eisenbahndirektion stark angegriffen. Auch
die Schule in der Martinsabteigasse fing Feuer. Darauf wurde unser Block
überflogen, und die Brandbomben fielen in großer Zahl, so daß es wie Regen
rauschte.
Die Brandwache trat sofort in Tätigkeit, auch die Mannschaft des Scheinwerfers
half. Es wurden Brandbomben in der Kantine gelöscht, es wurde mit der großen
Schlauchleitung auf dem dritten Stock gearbeitet, aber es brannte an den
verschiedensten Stellen oben und unten, auch in den Privathäusern in der
Bechergasse.
Das Feuer griff mit solcher Wucht um sich, daß die Löschung aussichtslos
erschien, und so beschränkte man sich auf die Bergung von wertvollem Material.
Es gelang vor allen Dingen, fast alle Fakturier-Maschinen, eine größere Anzahl
Schreibmaschinen, Additionsmaschinen und dergleichen zu retten.
Auch im Keller wurde die Rauchentwicklung so stark, daß hier kein Aufenthalt
mehr war, die Brandwache verließ daher das Haus. In diesem Augenblicke traf der
Betriebsführer (es wird gegen 3 ½ Uhr morgens gewesen sein) in der Mühlengasse
ein.
Herr Dr. OTTO BRÜGELMANN berichtet weiter:
Bei Alarmbeginn begab ich mich in den Luftschutzkeller meines Privathauses und
nahm die Telefonverbindung mit den drei Wachen der Firma
Mühlengasse,
Zeppelinstraße,
Deutz
auf.
Es war bald klar, daß der Angriff ein überaus schwerer und gefährlicher war.
Zuerst meldete die Zeppelinstraße, daß schwere Bomben und Brandfackeln überall
um das Haus herum niedergingen.
Die Mühlengasse meldete Feuer in der Brigittenschule, dann fiel die Verbindung
aus. Ein Anruf in der Nachbarschaft (z. B. Jan von Werth-Apotheke) erbrachte
die Mitteilung, daß die Ostseite des Altermarkts in Flammen stehe.
Die Verbindung mit Deutz bestand weiter, und ich hörte über Deutz, daß das Haus
von KURT BRÜGELMANN brannte. Ich beauftragte PROEPPER, mit mehreren Männern zu
Löscharbeiten nach der Münze zu gehen, wollte mich aber vorher mit ihm in der
Mühlengasse treffen. Mit dem Fahrrad gelang es mir, mein Haus noch vor der
Entwarnung verlassend, trotz aller Streckenstörungen an der furchtbar
brennenden Rheinfront, gleichzeitig mit dem von Deutz abgehenden Hilfsauto in
der Mühlengasse einzutreffen.
Aus allen Fenstern der Firma schlugen riesige Flammen empor, auch die gegenüber
liegenden Häuser brannten lichterloh. Da auf dieser Seite nichts mehr zu machen
war, versuchte ich, in den Keller zu steigen, und es gelang mir vom Hause
Mühlengasse 19 aus, den Keller von Nr. 17 und von hier aus den Tiefkeller der
Nachtwache zu erreichen. Nach oben in das Treppenhaus 1 einzusteigen war aber
wegen Rauch und Hitze nicht möglich. Infolgedessen stieg ich durch das
Schlupfloch in das Haus BOMM in der Neugasse über. In der Neugasse angekommen,
sah ich, daß das Haus BIERGANS nach dieser Seite nur oben brannte, ließ
daher das Tor Nr. 3 einschlagen. Im Toreingang lag ein großer Stoß Postpakete,
die mit Hilfe der anwesenden Männer auf der Neugasse freigestapelt wurden.
Ich drang auch in die Spedition im Nachbarhause Neugasse 18 ein, die aber schon
brannte. Trotzdem gelang es auch hier, eine Menge Ware zu bergen, die
unverpackt in Körben stand. Als diese Arbeiten nicht mehr möglich waren, ließ
ich die Ladenspedition einschließlich der Adrema-Vorrichtung, zwei
Schreibmaschinen und sämtlichen Pulten ausräumen.
Es gelang auch, die geborgene Ware und Einrichtungsgegenstände gegen den
starken Funkenflug zu schützen und ein Auto aus Deutz herbeizurufen, das in
zweimaliger Fahrt diese Gegenstände sicherstellen konnte.
Mittlerweile drang ich nochmals in den Tiefkeller der Nachtwache ein und konnte
jetzt, trotz Rauch und Hitze kurz verweilend feststellen, daß dieser Keller
einschließlich der alten Herren- und Damengarderobe intakt war. Die Türe zum
Wollkeller war glühend heiß, hielt aber.
Weiter aufsteigend im Treppenhaus der Neugasse kam ich in die Garage und sah zu
meiner Bestürzung, daß die feuersicher Tür nach der Spedition zu offen stand.
Die Garage lag dicht voller Kisten, Ballen und Holz, alles brennbares Material.
Trotz des beißenden Rauches und großer Hitze gelang es mir, die Türe zu
schließen und dadurch die Garage vor dem Brand zu bewahren.
Zurückkehrend zur Mühlengasse stellte ich fest, daß in der Wehrgasse ein
Hausgiebel zu brennen begann. Die Männer meiner Nachtwache schlugen die
brennenden Teile herunter und retteten das Haus und damit wahrscheinlich auch
den ganzen am Rhein gelegenen alten Häuserblock.
In der Mühlengasse mußte ich zu meinem Schrecken feststellen, daß das Haus Nr.
17 am Dache und auf dem I. Stockwerke Feuer gefangen hatte. Ich leitete sofort
Löscharbeiten ein, die auf dem I. Stockwerke von baldigem Erfolge begleitet
waren, weil sich hier eine massive Betondecke befand und das Feuer sich nur
nach oben ausdehnen konnte. Es begann der Boden der II. Etage zu brennen, aber
hier waren die Löscharbeiten mit einigen Eimern Wasser zunächst schnell
erledigt. Desto mehr Schwierigkeiten aber bereitete der Dachstuhl, dessen
Löschung ohne Hilfe des SHD unmöglich gewesen wäre. Auf meine Aufforderung,
doch das historische Haus zu retten, fand sich der betreffende Schlauchführer
bereit, aber das Wasser reichte nicht hoch genug. Der Schlauch mußte daher zum
ersten Stock heraufgezogen werden. Inzwischen bekämpfte ich das Feuer von der
Dachrinne im obersten Stockwerk aus mit drei Minimax-Apparaten. Ferner ließ ich
die vergitterte Dachluke durch den Nachtwächter Krings öffnen, und so konnte
man vom Dache aus die Reste des Feuers beseitigen, die verblieben waren,
nachdem der SHD mit dem inzwischen auf die II. Etage gezogenen Schlauch die
Flammen gelöscht hatte.
Weiter durch das Haus Nr. 17 durchdringend, fand ich, daß an der Verbindungstür
auf dem II. Stock zum Hause Nr. 15 sich das Feuer einen Durchlaß erzwungen
hatte, hier schlugen mir erhebliche Flammen entgegen. Trotz unerträglicher
Hitze und scheußlicher Rauchentwicklung gelang es allmählich durch Wasserwurf
mit Eimern, auch diese Flammen zu löschen. Es dauerte allerdings noch eine
ganze Weile, verborgene Feuerherde unter den Fußböden und in den Wänden
endgültig abzulöschen.
Im Anschlusse hieran nochmals den Keller inspizierend, fand ich einen Feuerherd
in dem Keller unter Haus Nr. 17, in dem das Altmaterial verwahrt wird. Hier
waren Flugfunken auf Jute gefallen. Glücklicherweise konnte ich dieses Feuer im
Entstehen löschen, aber die Wache hat im Laufe der Nacht noch mehrmals an
dieser Stelle eingreifen müssen.
Damit war alles geschehen, was in der Mühlengasse geschehen konnte.
Ich fuhr auch noch mit dem Rad zur Zeppelinstraße und mußte hier leider
feststellen, daß das große schöne Gebäude ebenfalls nicht mehr zu retten war.
Auch hier ist seitens der Brandwache zahlreiches und wertvolles Material
gerettet worden.
In der Mühlengasse beteiligten sich an den Löscharbeiten vor allen Dingen der
Packer Owin, Josef Büchel, Packer Scheben, der Angestellte Fuss sowie der
Nachtwächter Kring und Assenmacher. Aber auch die Frauen der Nachtwache haben
sich sehr betätigt dadurch, daß sie die wertvollen Fakturier- etc. Maschinen in
das Treppenhaus I im Souterrain retteten, wo sie vom Feuer verschont blieben.
Andere Rettungsaktionen, wie z. B. der Versuch, Strumpfwaren dadurch zu retten,
daß sie über die große Rutsche in die Spedition geworfen wurden, mißlangen,
weil die Spedition leider sehr bald zu brennen anfing.
Ich komme daher zu dem Ergebnis, daß nur infolge des Umstandes, daß die Firma
in kürzester Zeit an verschiedenen Stellen oben und unten brannte, das Löschen
anderer Bomben durch die Wache ohne Erfolg blieb, weil die Brandherde zu zahlreich
waren.
Erfreulich ist die Tatsache, daß keinem der eingesetzten Kräfte ein
Unglücksfall zustieß, während leider im gegenüberliegenden Hause Mühlengasse 10
achtzehn Personen den Keller offenbar nicht mehr rechtzeitig verlassen konnten
und erstickten.