Siehe Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Internierung
Briefe von Michael
Wüllenweber aus der Internierung 1945.
Internierungslager Wuppertal,
Polizeipräsidium Unterbarmen (Mai bis November 1945)
Camp Roosevelt (Panzer-Kaserne) Hemer
(November bis Dezember 1945)
Erstellt
von Karl Wüllenweber im Juli 2017
Der Anfang des Briefes fehlt. Datum
wahrscheinlich Juni 1945
in Verwahr bei anderen abgegebenen
Sachen und das Viehzeug alles wieder zurückkommt: Fahrrad, Draht, Dachpappe,
Kordel, Gartengeräte usw. Kaninchennachwuchs ist sehr sehr wichtig. Lass Dich von Willerscheidt
beraten. Starke Zweige, an den nicht Früchte tragenden Spindelbüschen müssen
heruntergebunden werden. Entspitzt auch die dürren
Zweige an Pfirsich u. Sauerkirschen. Der Karli soll das Bombenloch am Spargel
und das Loch auf der Wiese zuschütten. Die Kinder sollen, solange keine Schule
ist, tüchtig im Garten arbeiten, der muss, auch wenn
ich nicht da bin, einigermaßen in Ordnung sein. Und noch etwas: In Bonn habe
ich bei der eiligen Abreise verschiedenes liegen gelassen. Vor allen Dingen
meinen Trainingsanzug, den ich sehr vermisse, Bestecke, Geräte u Süßstoff. Sind
Euch die Sachen ausgehändigt worden? Wenn nicht, dann wendet Euch an
Wachtmeister Wilbertz. Vielleicht hat auch mein
Zellengenosse Wilhelm Theil, Zelle 138, die Sachen in
Verwahr genommen. Privatwohnung: Römerstraße 85.
Was machen die Kinder? Ich denke viel an
sie, trotzdem mir das nicht gut bekommt. Einen Kuss allen dreien der Reihe
nach: meinem lieben Karli, der fleißigen Lisi u der kleinen Angela. Wenn die
Zeit da ist, geht fleißig Ähren lesen, das ist dieses Jahr besonders
wichtig und muss mit allem Ernst betrieben werden.
Durch das Lager geht das Gerücht, dass
das Internierungslager aufgelöst erden soll, das soll in spätestens 3 Wochen
sein. Bis dahin sollen noch viele entlassen werden, der Rest wird verlegt
werden, man spricht von Hilden bei Düsseldorf, Waldkaserne, von der Holzheimer Heide und auch der … Wahn bei Köln wurden
genannt. Was davon wahr ist, weiß man nicht; es erschwert auf jeden Fall alle
Besuche. Heute wurde auch ein Polizeioberinspektor Böhm vom Stadthaus in Bonn
entlassen. Lenchen kennt ihn sicher und könnte Euch Auskunft geben. Er war
SA-Obersturmführer u. Kreisstabsleiter und als solcher ungefährlicher, wie ein
einfacher Orstgr.-Kassenleiter. Aber für uns bzw. für
mich öffnet sich auch eines Tages das Tor und dann hat, so Gott will, alle Not
ein Ende.
Bestens grüßt mir Angela! Ich bin froh,
dass sie bei Dir ist, lb. M.
Nun, mach’s gut liebe Mutter
!!
einen herzlichen Gruß u Kuss
von Deinem Ely
2/7. 45
Meine liebe Maria!
Für Dich, liebe Mutter, habe ich
inoffiziell, also hinten herum, einige besondere Zeilen herausgeschunden, die
den gestrengen Herrn Zensor auf mein ehrliches Gesicht hin bewogen haben, die
Zensur auf einen auszugsweisen mündlichen Vortrag zu beschränken.
Zunächst möchte ich Dir für Deine
wenigen, aber lieben Worte danken, die mich on Eures Schicksals und dem unseres
Hauses sehr beruhigten, danken möchte ich aber nicht zuletzt für die herrlichen
Gaben, die es mir gestatteten, dass ich mich nach Monatsfrist noch einmal satt
essen konnte. Den Rest werde ich strecken, sodass ich noch manche Tage damit
überbrücken kann. Das schönste waren die Johannisbeeren und die herrlichen
würzigen Blätter, dessen Spender ich ganz besonders danke. Das Wichtigste
war das Brot nebst Zubehör. Ich freue mich und danke unserem Herrgott, dass
Richard, unser Jung, gesund heimgekehrt ist. Muss das in all Deiner Not u.
Sorge eine Überraschung und Freude gewesen sein. Ich hoffe, dass er sich
eingelebt und von all den Strapazen und Enttäuschungen dank Deiner mütterlichen
Fürsorge inzwischen etwas erholt hat. Es beruhigt mich sehr, dass eine
männliche Hand zu Hause ist und Dich unterstützen kann, besonders, dass er Dir
die schweren Arbeiten im Haus u. Garten abnehmen wird, denn Haus u. Garten sind
heute unersetzliche u. wichtige Grundlagen für die Existenz unserer lieben
Familie. Es geht unter gar keinen Umständen, dass diese Arbeiten unterbrochen
werden, etwas Wichtigeres gibt es überhaupt nicht für uns; jeder Flecken im
Garten muss für den Winter ausgenutzt werden. Pflanzt jetzt noch Gemüse soviel
ihr könnt und behaltet für den Herbst genügend Platz für Winterwirsing, Rotkohl
u. Salat. Du musst berücksichtigen, liebe Mutter, dass ich in den ersten Wochen
kaum irgendwelche Arbeiten verrichten kann, vor allen Dingen keine schweren körperlichen
Arbeiten, denn das muss ich schon sagen, ohne dass Du Dir aber allzu schwere
Sorgen zu machen brauchst u. darfst: Ich bin in jeder Beziehung herunter
gewirtschaftet, nicht seelisch aber körperlich. Seelisch war ich noch nie im
Leben so stark u. so gefestigt wie jetzt, u. ich glaube, dass das seelische
Gleichgewicht, das ich in den für mich doch wohl schweren und vorbei… u. so ereignisreichen
Jahren unseres bisherigen Zusammenlebens manchmal verlor, jetzt wieder
vorhanden ist und ich hoffe, nein ich glaube fest daran, dass es so bleiben
wird. Auch mit unserem Herrgott bin ich vollkommen im reinen – wenn man so
schreiben darf – damit will ich nicht sagen, dass ich nun künftig ein
Kirchenläufer sein werde, mitnichten. Darüber könnte ich Dir stundenlang
schreiben, aber Papier, Bleistift und Zeit gestatten mir das nicht. Ich hoffe
u. glaube fest, dass unser künftiges Zusammenleben, das sich wohl mehr als
bisher im engeren Familienkreise abspielen wird, auf diesen Grundlagen ein noch
schöneres und glücklicheres, als bisher, werden wird. Und so hat denn meine
Internierung, die ich hiermit rd. 2.500 Männern und Frauen teile, auch wieder
sein Gutes gehabt. Für viele Menschen wäre es sehr heilsam, solche „Exerzitien“
wie hier bei uns auf der „Wartburg“, wie unser Bau scherzhafter Weise genannt
wird, mitzumachen. Ich habe viel Zeit nachzudenken, zu lesen und zu schreiben
und ich war manchmal, trotz aller Not und Sorgen, glücklich u. zufrieden,
besonders bin ich das jetzt, nachdem Ihr meinen Aufenthalt kennt u. ich von
Euch gute Nachricht bekam.
Der Nachteil, von dem ich oben schrieb,
besteht in meinem körperlichen Zustand.
Das Essen ist sehr unzureichend und dadurch habe ich Gewicht verloren. Wie es
heißt, soll das Futter jetzt besser werden und heute morgen
hatten wir auch tatsächlich eine größere Brotzuteilung. Zum Brot gibt es
morgens Kaffee, zum Abend eine Suppe, u. das ist alles, zu wenig um leben u. zu
viel zum Sterben, aber ich habe mich schon an des wenige Essen gewöhnt, wenn
auch der Magen manchmal bedenklich knurrte und kneifte. Täglich eine Schnitte
Brot von einem mildtätigen Wuppert. Kameraden
gespendet, hat dann immer die größte Not behoben. Auf dieser Grundlage habe ich
mit meinem Wuppertaler Metallgroßhändler Julius Plohr
Zimmergenosse) W.-Elberfeld, Bremerstr. 6 a,
besondere Freundschaft geschlossen. Das Haus kann Richard auch mal aufsuchen,
es wäre für ihn sehr nützlich – der Kamerad hat mich auch liebenswürdigerweise
mit warmer Unterwäsche versorgt. Aus all dem musst du nun nicht lesen, dass ich
etwa krank wäre – im Gegenteil ich fühle mich sehr gesund und sehe im Gegensatz
zu meinen Leidensgefährten noch „blendend“ aus; ich fühle mich nur etwas
schwach zwischen den einzelnen Mahlzeiten, die von allen Kam. u. wenn sie auch
qualitativ viel zu wünschen übrig lassen, mit großem Zeitaufwand und großer
Andacht „genossen“ werden. Hauptsache ist hier Sauerkraut, das scheint hier
besonders gut geraten zu sein. Wir bekommen es roh, gedünstet oder gekocht,
manchmal mit, manchmal ohne Kartoffeln u. sehr häufig in Form von Suppen. Als
Lieblingsgericht – Sonntags in der Regel – gibt es
Brotsuppe; auch heute riecht der ganze gewaltige Bau des Präsidiums nur noch
nach Sauerkohl. Das einzige Gute, was das Zeug an sich hat ist, dass es die
Verdauung fördert. Im übrigen gehe ich wöchentlich
einmal zum Arzt, es sind eine ganze Reihe hier – auch alles Internierte, und
lasse mich untersuchen. Sie haben bis jetzt übereinstimmend festgestellt, dass
mir die „Kur“ im Endergebnis gut bekommen wird. Also auch für Dich im Endergebnis:
keine Sorgen. Ich werde mich zu Hause demnächst noch etwas ausruhen müssen und
das Weitere musst Du dann machen. Im übrigen geht es
mir hier gut. Das Kohldampfschieben ausgenommen, kann man es hier aushalten,
besonders seitdem die amerikanische Lagerverwaltung durch eine englische
abgelöst wurde. Die Disziplin ist hier streng aber gerecht. Das erstere ist bei
der Masse Menschen schon angebracht und macht keinerlei Schwierigkeiten. Du
müsstest nur einmal sehen, wie reibungslos das Essenfassen der 2.500 Menschen
sich in einer einzigen knappen Stunde abwickelt, wobei zu berücksichtigen ist,
dass jeder einzelne hierzu in der Küche im Erdgeschoss austeilt. Das sind
überhaupt die wichtigsten Ereignisse des Tages, die Essenfasserei,
morgens geht es wohlgemut zum Frühstück, das mir Andacht genossen wird. Du
glaubst gar nicht mit welchen Gefühlen man allmorgendlich seinen Kanten Brot
entgegennimmt. Ehe man an den Tisch herantritt, rechnet sich jeder schon
schnell aus, welcher Kanten ihm aus dem sauber geschichteten Haufen zusteht und
man freut sich dann königlich, wenn das Ding nach Augenmaß auf etwa 5 m
Entfernung gemessen, einige Millimeter dicker ist, wie der weniger beleibte
„Nachbar“. Ich teile mir die Sache dann immer so ein, dass ich mir eine
Schnitte verwahre und die stellt dann in Verbindung mit einem rohen dünn
geschnittenen Kartoffeln – eine Dauerstiftung meines Freundes Plohr – das außeretatmäßige Mittagessen dar. Schwarzbrot
und rohe Kartoffeln mit Salz ist für einen hungrigen Magen eine Kostbarkeit. …
es …, es ist auf jeden Fall gesund. Und überhaupt das Brot, ich kann Dir sagen,
dass wir das alles erst hier schätzen lernten, was Brot bedeutet. Von Frühstück
rechnet man die Stunden bis zum Abendessen, das um 16 Uhr ausgeschenkt wird –
immer ein Schlag Suppe, und auch hier
freut man sich wie ein Kind, wenn man einige Millimeter mehr im Kochgeschirr
hat, wie ein anderer. Kam. Demtröder, unser
Dolmetscher und Stubenältester behauptet hierbei, der am meisten vom Pech
Verfolgte zu sein. Was der Magen, nach dem um 16 Uhr eingenommenen Essen Dir um
20 Uhr erzählt, kannst Du Dir wohl vorstellen. Und hier habe ich bisher immer
Glück gehabt, indem ich durch irgend einen heimischen
Kameraden oder sonst auf „dunklen“ Wegen etwas zusätzliches erhielt. Um 10 ½
Uhr geht es in die Falle, das sind hier zwei übereinanderstehende
Holzfeldbetten, wickeln uns in unsere Decken und liegen so bis 6 Uhr in der
Frühe auf unserem harten, aber gesunden Lager. Ichselbst schlafe unten, mein
oberer Kamerad ist mein neuer junger
Freund, Reinhold Mülheims, ein 17jähriger HJ-Junge u. Pimpfenführer
aus Bonn, der nebenbei als Küchenhilfe – eine sehr nahrhafte Angelegenheit hier
– tätig ist und der zu seinen doppelten Portionen, die ihm als Jugendlicher
zustehen, noch zusätzlich vom „Sick Bay“ wegen seines sehr hungrigen Magens
eine dritte Portion verordnet bekam und der trotzdem noch immer Hunger hat.
Hierbei muss ich aber sagen, dass er manche seiner Portionen mit mir geteilt
hat, und mir dadurch häufig aus der Klemme half. Du wirst den prächtigen Kerl
noch kennen lernen. Er soll in Kürze entlassen werden und wird dich sofort
aufsuchen und Bericht geben. Was meinst Du, wie dem ein
Stück von Deinem herrlichen Kuchen mit den wunderbaren Johannisbeeren
schmeckte, und mit einer Zigarette von mir war er restlos glücklich. Mach‘s dem
Jungen gut, wenn er kommt. Mein Nachbar zur Rechten ist Direktor Tackenberg von den Witterschlicker Tonwerken; er schnarcht
und schimpft furchtbar ob seines Loses, er ist 63 Jahre alt und die Kur bekommt
ihm schlecht. Über ihm residiert unser Karlchen Demtröder.
Er ist auch ein wenig schlanker geworden, klagt über Reißen in den Beinen und
die Kletterei von und zu seinem Lager geht nur unter großem Stöhnen vor sich.
Linker Nachbar ist ein Kam. Heinz Hoppe aus Bonn DAF, u. über ihm schläft Fritz
Dreesen aus Godesberg. Demtröders
Bruder ist auch im Raum, der groß, hell, sonnig u. luftig ist u. insgesamt 36
Männer beherbergt. An Unterhaltung fehlt es nicht, manchmal geht es gemütlich
zu, manchmal platzen die Meinungen scharf aufeinander. Zwischen den Mahlzeiten
werden Gesellschaftsspiele gemacht, gekartet, gelesen, geschrieben u. Probleme
gewälzt. Wir haben unzählige vergnügte Stunden u. viele werden später „trotz
allem“ gern an die Zeit zurückdenken. Ich selbst treibe viel Körperpflege,
Massage, leicht Freiübungen und hole jeden Sonnenstrahl – unser Flügel liegt
gegen Osten – auf meine Haut, die durch die zahlreichen Fenster – 12 – ins
Zimmer fällt. Neuerdings veranstalten wir Konzerte, Vortrag usw. u. manchmal
weiß man nicht, was man von dem Gebotenen nehmen soll. Nicht vergessen will
ich, dass jeden Mittag 2 Stunden schlafe.
Warum ich hier interniert bin, habe ich
an anderer Stelle Euch mitgeteilt; eine harmlose Angelegenheit, wie fast alle
Fälle hier. Ich glaube, der ganze Verein wird sich demnächst in Wohlgefallen
auflösen. Dann habe ich die Ehre, im KZ gesessen zu sein; ich schäme mich
dessen keineswegs. Die Verhältnisse haben sich halt so gestaltet, dass heute
die Idealisten und die Unschuldigen mit den Schuldigen leiden müssen. Du
brauchst Dich also auch wegen mir nicht zu verkriechen. Ich hörte, Du hättest
das nach meiner Verhaftung getan, im Gegenteil sie stolz und gehe
frisch-fröhlich unter die Leute und erzähle allen, die uns wohlgesinnt, von
meinem Schicksal, ohne, und darum bitte ich, auf Einzelheiten einzugehen. Im
Übrigen habe ich noch keine Einzelheiten mitgeteilt, das kann ich besser
mündlich. Übrigens hast Du doch damals auf unserer Westfalenfahrt immer gesagt
und das hat mir im Stillen sehr gefallen: Es kann kommen was will, mich kann
nichts mehr erschüttern.“ Ich habe mir Deinen Wahlspruch zu Eigen
gemacht und halte auch Du daran fest.
Vielleicht kann Richard es so
einrichten, dass er um den 8. d. M. herum noch
einmal vorspricht, mir noch etwas zum Futtern bringt und auch den
hungrigen Mägen meiner Freunde berücksichtigt. Entsprechende Anweisungen würden
Frau Wilhelmy sofort weiter gegeben. Ich weiß, dass
ich viel verlange, aber Ihr tut ein gutes Werk. Richard soll sich eine
Woche beurlauben und die Sache erledigen, es wird sein Schaden nicht sein. Später
nicht, dann könnte es vielleicht zu spät sein. Bis zum 15. etwa soll
hier der Bau geräumt sein. Was mit uns geschieht, steht noch in den Sternen, es
soll günstig stehen mit uns, d. h. soviel, dass wir entlassen werden sollen.
Ich rege mich in keiner Weise auf. Nachdem ich weiß, dass dort alles in Ordnung
und Richard daheim ist, kommt es mir auf eine Woche mehr oder weniger nicht an.
Auf jeden Fall dauert es nicht mehr allzu lange. Dann bin ich daheim, bei Dir
und unseren Kindern, wir werden stillvergnügt im Familienkreise leben und uns
möglichst wenig um die Angelegenheit der anderen kümmern. Was man unter
Umständen ernten kann, haben wir ja am eigenen Leibe erfahren. Wir werden damit
wieder einen neuen Lebensabschnitt beginnen. Hoffentlich wird er, trotz allem,
ein glückhafter für uns und unsere Kinder. Und was machen diese? Der liebe
Karl, die fleißige Liesi und die kleine Angela. Ohne
Heimweh zu bekommen, bin ich in Gedanken jetzt immer bei Euch. Ich sehe im
Geiste Euch alle und betrachte im Garten jeden Baum u. Strauch, so wie er
dasteht, wächst und gedeiht. Ich würde noch mehr schreiben, wenn ich Papier
hätte; ich muss erst neues organisieren. Liebe, liebe Mutter, wie wäre es mit
ein paar Reibe- oder Pfannkuchen, kann ich auch nochmal etwas Johannisbeeren
haben, diese aber besser verpacken, Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie
reich ich durch das Paket würde, Zündhölzer beilegen. Zigaretten unsichtbar
verpacken, wenn nicht möglich zerschneiden. Ich bin wohl sehr anspruchsvoll?
Aber ich werde Dir das wieder gutmachen. Dein Ely, der ich bin und bleibe.
W., 4/7.45
Liebe Maria, liebe Mutter, liebe Kinder
Leider konnte ich meinen Sonntagsbrief –
v. 1.7. – nicht mir der übrigen Post an Frau Wilhelmy
weiterleiten, weil ein „Jemand“ Gewissensbisse bekam, die Briefe würden am
Montag fertig gemacht am gleichen Tage durch die Zensur geschleust, am
Dienstag-Morgen waren sie abholbereit. Es ist auch möglich, dass sie zugestellt
wurden. Mit den Briefen ist das nicht so einfach hier. Stellt Euch vor die
vielen Menschen hier, ein jeder schreibt, jeder hat es eilig u. hält seine
Angelegenheit für die wichtigste. Es sind täglich hunderte von Briefen zu
zensieren, eine ganz gewaltige Arbeit u. bei jeder Zusammenkunft werden wir mit
Nachdruck darauf hingewiesen, die Schreiberei einzuschränken. Mehrfach ist
schon angedroht worden, der Briefverkehr würde eingestellt, weil die Arbeit
kaum zu bewältigen ist. Mein Brief an Euch enthielt nur die wesentlichsten
Nachrichten über mich u. einige kleine Bitten u. Aufträge, die Richard, und
darum bitte ich ihn dringend, bald erledigen soll. Ein Brief von Demtröder u. Tackenberg-Witterschlick
liegen ebenfalls bei; die beiden haben auch „einige“ Anliegen. Ich selbst bin,
ich möchte bald sagen, wunschlos glücklich und meine Bedürfnisse beschränken
sich ausschließlich auf eine kleine Verbesserung unserer allzu bescheidenen und
in der Regel auch qualitativ viel zu schlichten „Hauptmahlzeit“. Es liegt jetzt
etwas in deiner Hand, liebe Mutter, dafür zu sorgen, dass ich nicht ganz „auf
den Hund“ komme. Augenblicklich bin ich, seit ich nach Erhalt des Pakets
mittags und abends etwas zu essen habe, vollauf zufrieden. Ich kann jetzt
wieder ohne jede Mühe nach dem Essenfassen die 4 Treppen aus dem Küchenkeller
bis zu meiner Etage heraufklettern. Bis dahin musste ich, wie fast alle,
zeitweise das Treppengeländer zur Hilfe nehmen. Das Paket braucht ja gar nicht
so „üppig“ zu sein. Schickt mir mal ein paar im Ofenrohr oder in der Ofenasche
geröstete Kartoffeln – vielleicht in einem Geldsäckchen verpackt – besonderer
Anschriftenanhänger – mit. Wenn ich dann jeden Tag 2 Kartoffeln esse, komme ich
wieder lange aus. Kartoffeln gibt es hier keine mehr, die Vorräte sind
aufgezehrt und es ist möglich, dass bis zur neuen Ernte keine Lieferungen mehr
eintreffen. Gestern nachm. gab es beispielsweise in Wasser gekochte
Steckrübenschnitzel, für heute steht in ähnlicher Form zubereiteter Rotkohl auf
dem Speisezettel – alles Dörrwaren. Das Zeug saust einem im Eiltempo durch und
hinterlässt nichts Wesentliches. Die gerösteten Kartoffeln, ich meine solche,
wie man sie im Herbst im Kart. Feuer brät, enthalten
kaum noch Feuchtigkeit und halten sich dadurch lange. Wenn das nach Deiner
Ansicht nicht möglich ist, könnt ihr auch rohe Kartoffeln mitschicken, ich esse
sie auch so oder kann Frau Wilhelmi mir nicht daraus zeitweise
etwas Pellkartoffeln zurecht machen u. mir zuschicken, das wäre ja noch besser.
Glücklicherweise hat sich unsere
Brotration verbessert, auch mit dem Aufstrich können wir jetzt zufrieden sein,
alles Maßnahmen der neuen engl. Lagerverwaltung, die selbst das von der Stadt
Wuppertal gelieferte Material als völlig unzureichend bezeichnete, denn nicht
die engl. Militärverwaltung, sondern die Stadt ist unser Verpfleger.
Hinzu kommt, dass unser Freund und Stubengenosse Fritz Dreesen,
Godesberg den wichtigsten Posten im Hause übertragen bekam. Er wurde Leiter vom
„Supply room“. Der richtige
Mann scheint hier am richtigen Platz zu stehen; es macht sich bemerkbar. Denkt
dann noch an etwas Süßstoff u. an ein altes Tafelmesser, aber so
verstecken, dass das Ding auch durchkommt, Richard!! Im ganzen Raum hier sind 2
Messer vorrätig und darum streiten sich 26 Männer. Ich selbst behelfe mich seit
einem Monat mit einem selbst zurecht-geschnitzten Holzmesser. Legt mir auch
eine Schachtel Zündhölzer wieder bei. Die Dinger würden hier mit Gold
aufgewogen, wenn wir welches hätten. Mein gutes Feuerzeug ist nämlich, wie so
manches andere – leider – „abhanden“ gekommen, ich bin in diesen Sachen, wie
alle, so „arm wie Job“. Mit den mitgeschickten übrigen Sachen kann ich mir aber
jetzt helfen, im übrigen hätte ich dann ja auch keine Schwierigkeiten u. Sorgen
mehr, wenn noch „alles da“ wäre, denn unsere Lage hat sich auch in anderer
Beziehung geändert bzw. gebessert und damit komme ich zum 2. Abschnitt meiner
heutigen Mittelungen, ich meine das nahe Ende unserer Internierung.
Morgen werden 150 Leute entlassen und in
den nächsten Tagen werden laufend
weitere entlassen bis zur Auflösung unseres Lagers hier im Präsidium.
Was noch zurückbleibt und verlegt wird, sind die „schweren Fälle“ und dazu
zähle ich nicht. In welcher Reihenfolge nun die Entlassung vorgenommen wird,
ist nicht bekannt. Wenn es nach dem Buchstaben geht, steh ich ja bekanntlich am
Schwanz. Wenn das nun leider so wäre, müsste ich Euch bitten, ab u. zu mal nach
hier zu kommen. Zweck: s. oben. Wenn Richard nochmal hier erscheint und mich
wieder nicht sprechen kann, soll er wenigstens versuchen, einen Empfangstermin
für eine kurze Nachricht von mir bei der Paketannahme zu vereinbaren. Wie ich
höre geht das.
Das Wäschepaket habe ich erst gestern
bekommen. Die Sachen waren völlig unverpackt u. ohne Anschrift. Mein
Eigentumsrecht u. die Tatsache, dass für mich noch was vorhanden war, wurde geklärt durch den Rundlauf von Liesis
Nähmappe durch alle Zimmer des Hauses. Da haben wir noch mal Glück gehabt, bald
war das auch futsch! Nun hab ich aber genug Wäschekram. Ich bin besonders froh
über den Trainingsanzug, denn hier ist seit langem kühles regnerisches Wetter,
es soll das „Wuppertaler Einheitswetter“ sein.
Die neuen Schnürschuhe von mir sind doch
wohl zu Hause geblieben. Was noch in Bonn geblieben sein könnte, wäre meine
neue Zigarettenmaschine, die ich am Tage meines Abtransportes einem Herrn Baron
aus Zelle 129, der dort seine 3 Monate wegen eines Passvergehens absaß,
geliehen. Holt sie bitte bei Gelegenheit heraus. Herr Wilbertz
wird Euch dabei helfen können. Ich denke gerade noch einmal an das Messer und
dabei fällt mir ein, dass es zweckmäßig ist, es in einem festen Brot zu
verstecken. Anbohren u. vorher einen Brotpfropfen herausschneiden und mit
diesem wieder fest verschließen. Nicht in Kuchen verpacken, denn der wird in
der Regel durchgebrochen. Macht das Messer auch gut scharf. Wegen der
Beschaffung der mir zu sendenden Lebensmittel mache ich noch folgenden
Vorschlag. Nehmt doch die Gelegenheit meiner Internierung wahr und besucht mal
verschiedene Bekannte und sprecht sie in meinem ausdrücklichen Auftrage um
einen nahrhaften Zuschuss für mich an. Stellt die Sache ruhig etwas drastig dar. sagt, dass ich hier schwarzen Hunger leide und
richtig auf den Hund komme, wenn mir nicht von Hause aus geholfen wird. Ich
denke da in erster Linie an den Bayerhof Becker, dem
ich manchen Gefallen tat, er wird meine Notlage verstehen und wenn er eben
kann, helfen, der Franz Rott könnte mir ein paar Brote stiften. Dr. Auer etwas
Mehl und unser Freund Willerscheid wird
sich auch nicht ablehnend verhalten. Der Josef Decker könnte etwas fettiges von seinem Schwein stiften, das er am 5/3., an dem
Tage, da ich ihm zuletzt die Lebensmittelkarten brachte, verwurstete. Zuletzt
ist da noch der Ortsbauernführer Bähr in Urfeld am Bahnhof, auch ein Pol.
Leiter, der bestimmt Verständnis für unsere Lage zeigen wird. Dasselbe glaube
ich auch von unserem Suitbert Bär. Also bitte, liebe Maria, sei helle und nimm
mal die Gelegenheit wahr und zwar bald, ehe ich wieder auf der
Bildfläche erscheine. Bestell allen
viele Grüße von mir, sage, dass du nicht ausreichend sorgen kannst, weil uns
alles gestohlen wurde. Wir können ja auch noch was brauchen, wenn ich wieder zu
Hause bin. Ich geniere mich bald, soviel von der Fresserei zu schreiben. Aber
die Sache ist leider hier die Hauptsache, man ist in Wirklichkeit so
ausgehungert, dass man den ganzen Tag essen könnte. Darin ist auch mein
Vorschlag begründet, mir etwas Kartoffeln zu bringen, das füllt einem
wenigstens soweit den Magen. Aber genug jetzt von der Sache. Im Gegensatz zu
den leiblichen Bedürfnissen wird für die Befriedigung der geistigen Bedürfnisse
ziemlich stark gesorgt. Das liegt zur Hauptsache daran, dass wir hierfür selbst
Sorge tragen. Unser Haus beherbergt so zahlreiche wirklich hervorragende Kräfte
von der Bühne(?) aus der Musikwelt und aus den Kreisen des …, dass wir sie gar
nicht alle in Anspruch nehmen können. Man hat jetzt sogar einen Flügel in den
Speiseraum neben der Küche geschafft, auf dem während des Essenfassens ein
Musikdirektor Tafelmusik macht. Täglich abends um 19 Uhr ist im gr. Saal bunter Abend. Alle 5 Tage wechselt das Programm,
wenn alle Flure teilgenommen haben. Das Haus hat 5 Geschosse – Flure – und
jeden Abend ist ein anderer an der Reihe. Wir hier vom Flur IV haben gestern
die Veranstaltung besucht u. es war wieder sehr schön, ich glaube, dass man in
der heutigen Zeit etwas ähnliches nirgends antreffen
kann. Der Abend hatte einen ernsten und einen heiteren Teil. Im ersten Teil
kamen Werke von Goethe, Beethoven, Bach u. Mozart zum Vortrag. Er stand unter
dem Motto: „Wer immer strebend sich bemüht, den werden wir erlösen.“ (Goethe)
Das ganze stand unter dem Eindruck auch unserer baldigen Erlösung und das kam
ganz besonders im 2., im humoristischen Teil zum Ausdruck im dem auch der
Kölsche Humor zu seinem Recht kam. Auch die Frauen kamen sehr erfolgreich zu
Wort. Bei alledem muss man berücksichtigen, dass die ganzen Darbietungen ohne
Hilfsmittel, Noten u. dergl. gebracht werden. Besonders im ersten Teil sah man
den Künstlern an, dass die Werke, die sie wiedergaben, ihnen aus dem Herzen
kamen und sie gingen einem auch zu Herzen. Das konnte man auch bei den übrigen
Besuchern beobachten, wenn man in ihre bleichen, abgezehrten Gesichter sah, in
denen man feuchte Augen beobachtete. Neben den Künstlern kommen auch andere
Leute vom „Fach“ zahlreich zu Wort. Fachvorträge werden in einer solchen Fülle
geboten, dass man sie unmöglich alle mitnehmen kann. Vom Universitätsprofessor
bis zum Kaninchenzüchter drängt sich alles zum Vortragspult. Schade, dass man
heute kaum jemand ein Interesse am gemeindlichen Haushalts-Kassen u.
Prüfungswesen zumuten kann, sonst würde ich mich auch herandrängen, denn, die
leiblichen Bedürfnisse sind hier sehr eng verwachsen mit den geistigen, nämlich
den Mitwirkenden steht an den betreffenden Tagen ein doppelter Schlag Suppe zu.
Karl Demtröder ist auch dabei, er erteilt englischen
Unterricht und ich besuche seine Stunde, die jeden Morgen um 8.45 Uhr abläuft
und damit beginne ich dann täglich mein Tagewerk, das inoffiziell schon um 5
Uhr beginnt, dann leidet es mich nicht mehr in meiner „Holzkiste“, weil dann
schon allenthalben der Betrieb in der Bude beginnt. Wir haben viele
Frühaufsteher hier, der eine kann angeblich nicht schlafen wegen des harten
Lagers oder weil er friert, andere schieben den Hunger als Grund vor, wieder
andere haben andere Beschwerden, besonders bei den älteren Leuten zeigen sich
schon geschwollene Füße, die vom Arzt als eine natürliche Folge der
Unterernährung gedeutet werden. Von all diesen Beschwerden merke ich glücklicherweise
nichts. Nachdem ich aufgestanden, wird im Laufschritt das bewusste Örtchen
aufgesucht, eine Folge von der ewigen Sauerkrautessereien, auch heute halten
wir wieder dieses berühmte Einheitsgericht. Wenn man Glück hat, kann man
unterwegs von den engl. Posten auf den Fluren eine Kiepe oder gar eine
Zigarette erben. Der Ort selbst ist auch der Platz, wo man auch neuesten
Nachrichten, manchmal die tollsten Gerüchte (immer) erfahren kann, die sich
ausschließlich entweder um das Essen oder um unsere Freilassung drehen.
Überhaupt die Gerüchte! Die tollsten Sachen werden hier verbreitet, manchmal
mit Absicht falsche, übertriebene Sachen, die dann mit Windeseile durch das
ganze Haus laufen. Über die Gerüchteverbreitung habe ich mir meine Gedanken
gemacht und versucht, sie in den nachstehenden Versen zum Ausdruck zu bringen.
Sie können auch nach der Melodie des Liedes: „Vater; Mutter, Bruder, Schwester“
gesungen werden:
Überhaupt das
Hören, Sagen
Ist ein gern
geübter Sport.
Und es liegt mir
schwer im Magen,
Müsst mir’s
glauben auf mein Wort.
Und ich dacht‘
schon viele Male
Ging‘s doch fort
vom Wuppertale.
Wenn es wirklich
sollt geschehn,
Sag ich nicht.
„Auf Wiedersehn“.
7/7.44 (richtig 45)
Es musste mein Schreiben unterbrochen
werden. Heute, am Samstag-Abend komme ich erst zur Fortsetzung. Ich müsste nun
singen oder sagen können: „Und wieder ist ein schöner Tag zu Ende, voller Glück
und voller Sonnenschein.“ Heute kann ich aber die Liedstrophe auf meine Person
keineswegs anwenden, wenn auch der Tag ein wenig sonnig war. Ich hatte heute
keinen guten Tag, trotzdem er wieder allerhand interessanten
und für mich als Kleingärtner besonders lehrreiche Unterhaltung bot,
denn augenblicklich sind hier zahlreiche Fachkräfte aus landwirtschaftlichen
und gärtnerischen Kreisen bemüht uns ihr Wissen zu vermitteln. Ich hörte einen
sehr lehrreichen Vortrag von dem bekannten Baumschulbesitzer Spilles aus
Meckenheim über Obstbaumzucht und zwei Vorträge über Gemüseanbau und
Kartoffelanbau. Im Gemüsevortrag wurde hauptsächlich darüber gesprochen, was
wir jetzt, wenn wir im Juli noch nach Hause kommen, noch anbauen können.
Besonders wurde empfohlen jetzt noch Kohlrabi, Grünkohl, Porree und vor allen
Dingen späten Rosenkohl anzupflanzen. Den Grünkohl, Porree und den Rosenkohl
für die Frühjahrsernte. Aber auch die Aussaat von rote
Beeten soll noch ratsam sein. Ich habe dabei auch etwas neues
gelernt, und zwar wurde eine Doppelsaat mir Kriecherbsen und Möhren sehr warm
empfohlen, natürlich im Frühjahr. Das Verfahren soll anderwärts mit großem
Erfolge angewandt worden sein. In diesem Falle werden zuerst die Erbsen, wie
üblich in Rillen gelegt, die Rillen geschlossen u. in die gleichen Reihen
werden auch die Möhren gelegt bzw. gesät- Die Erbsen haben ein schnelles Wachstum,
die Möhren bekanntlich ein sehr langsames; sie liegen ja wie bekannt 4 – 5 (Wochen) in der Erde, ehr überhaupt die
Reihen erkennbar sind. Wenn die Erbsen abgeerntet sind und die niedrigen
Sträucher abfaulen oder ausgerissen werden, stehen die Möhren in der Reihe. Als
zweite Neuigkeit habe ich die sogenannte Markiersaat bei Zwiebel u. Möhren
gelernt. Zwiebel und Möhren gehen ja wie Ihr wisst, schlecht aus der Erde,
besonders bei trockenem Wetter. Das Unkraut wächst bekanntlich schneller wie
die Saat. Man kann aber das Unkraut nicht entfernen, weil ja die Reihen nicht
erkennbar sind, sonst würde man ja beim Schaufeln allzuleicht
neben dem Unkraut auch die keimende, noch nicht sichtbare Saat vernichten. Das
kann leicht vermieden werden dadurch, dass man dem Zwiebel- u. Möhrensamen ein
wenig Radieschensamen beimischt. Die Radieschen gehen
schnell auf, zeigen genau wo die Reihen sind und ermöglichen eine frühzeitige
Unkrautbekämpfung. Nun bin ich aber etwas vom Thema abgewichen, ich sprach ja
vom „schlechten“ Tag. Das liegt wieder an dem leeren Magen, denn seit gestern
morgen schiebe ich wieder fleißig Kohldampf, weil meine Vorräte erschöpft sind.
Was ist ein halbes Schwarzbrot für einen ausgehungerten Körper? Davon konnte
ich mich einmal sattessen und mit dem übrigen musste ich dann die ganze Woche
auskommen. Hinzu kam, dass der Kuchen nicht genügend aufgegangen u. etwas
feucht war. Das hat jedoch dem Geschmack keineswegs Abbruch getan. Es hatte nur
den Nachteil, dass er nicht haltbar war u, ich ihn bald aufessen musste und
meine bescheidenen Vorräte schnell verringerte. Aber der Zustand des Kuchens
hatte auch sein gutes und das müsst Ihr Euch gut merken. Je unansehnlicher der
Inhalt des Paketes ist, desto größer ist die Gewähr, dass die einzelnen Sachen auch
in den Besitz des Empfangsberechtigten gelangen, denn wie man allgemein hört,
hat man schon manche gute Sachen aus den Paketen herausgenommen. Die Sachen
gehen durch allzu viele Hände. Also Hauptgrundsatz bei der Paketsendung guter
aber unansehnlicher Inhalt. Es ist auch
zweckmäßig, wenn ein Inhaltsverzeichnis im Paket versteckt ist, das
wenigstens die wichtigsten Sachen enthält, aber so, dass es nicht gefunden
wird, denn sonst besteht die größere Gefahr, dass das ganze Paket nicht
ankommt. So denke ich stets an die kommende längst fällige Sendung. Jeden Abend
lommen zahlreiche Pakete hier im Saal an, aber immer
werde ich enttäuscht. Seid Ihr denn von allen guten Geistern verlassen, dass
Ihr Euren Vater so schlecht betreut? Warum kommt der Richard nicht? Ihr wisst
nur Gott sei Dank nicht, wie weh der Hunger tut. Habt Ihr die Notrufe in meinen
Briefen zwischen den Zeilen nicht verstanden? Ich kann den Briefen ja nicht
alles anvertrauen, da sie eine Zensur passieren. Hätte ich nur einige haltbare
Kartoffeln oder etwas Schwarzbrot – d.
i. die Hauptsache – damit man dem Magen etwas festes
anbieten könnte. Ich musste sehr zu meinem Leidwesen von meinem Tabak abgeben,
damit ich eine Scheibe Brot von einem glücklichen Leidensgenossen bekam. Ich
habe auch schon einen Brandbrief an Frau Wilhelmy
geschrieben, damit sie mir vorschussweise etwas zuschickt, das Ihr ja später
erstatten könnt. Aber die Frau scheint auch kein Verständnis für meine Lage zu
haben, ich höre und sehe nichts von ihr. Ich wäre Euch also sehr dankbar, wenn
Ihr etwas rühriger in Bezug auf meine Versorgung werden würdet. Ich darf doch
annehmen, dass ich nicht verdient habe, für unnötig
Hunger zu leiden und mir dadurch vielleicht durch die Unterernährung eine
Krankheit zuziehe, die ich später nicht mehr auskurieren kann. Ich hoffe also
mit Bestimmtheit, das sich die Sache bessern
wird. --
Das ist nun das, was mir heute am Samstag-Abend am meisten am Herzen
liegt. Danebenhabe ich auch mit Genugtuung und Freude an die schönen Samstag-Nachmittage
gedacht, die ich bisher in unserem Garten erleben konnte, wenn nicht gerade die
Verwaltungsschule, wie im letzten Jahre mir einen Strich durch die Rechnung
machte. Trotz aller Arbeit war mir das Leben im Haus, insbesondere im Gerten, wenn nicht etwas unangenehmes dazwischen kam, das
liebste. Es bereitete mir immer eine stille Freude und eine große Genugtuung
all das Wachsen und Gedeihen und die damit für unser Haus herauskommenden
Vorteile zu beobachten. Die Vorteile haben wir alle zusammen ja besonders auf
unserer Westfalenfahrt kennen und schätzen gelernt und ich in meiner
augenblicklichen Internierung fühle es besonders bitter, dass ich heute von den
Erträgen all meiner Arbeit nichts abbekommen und dass jetzt Fremde aus meinen
Schweißtropfen Nutzen u. Vorteile ziehen. Lasst Euch nur ja nicht von Verwandten und Bekannten übers Ohr
hauen. Ich verlange mit aller Bestimmtheit, dass Ihr nichts abgebt, es sei denn
dass gleichwertige Vorteile für uns bzw. für mich und zwar in Form angemessener
Rauchwaren dabei herauskommen. Das gleiche gilt für die Besorgungen, wie
Du das in den früheren Jahren für andere immer gemacht hast. Wenn Du was
besorgen tust, dann tue das nur für Deine Familie u. damit ich später auch
etwas davon mitbekomme. Die einzige Ausnahme die ich gelten lasse, ist
Lenchen Schmitz, denn Sie hat bisher und zwar ausnahmslos das meiste u,
für mich auch das zweckmäßigste Verständnis gezeigt. Mit Wehmut denke ich auch
an das schöne Samstag-Abendessen mit den herrlichen Pellkartoffeln, besonders
aus der Frühkartoffel-Ernte „Sieglinde“ die ja um diese Zeit geerntet wird. Ich
denke daran, wie ich noch im Vorjahr die Frühkartoffeln, je nachdem Deine
Anforderungen waren, Korb- oder Kistenweise ausmachte. Hätte ich nur heute
Abend ein Bruchteil von den Kartoffeln, die mir damals an diesen
Samstag-Abenden zur Verfügung stande, abgesehen von
den Kartoffeln, die wir dem Vieh verfütterten, nicht zu denken an die guten
Sachen, die es sonst noch an diesem Abend gab, an den Rettich, die Butter,
Wurst und das Herseler Bier. Du wirst Dich, liebe Maria, nicht wenig über meine
bitteren Klagen wundern, aber sie sind ein Ausdruck meiner Notlage und ich
bitte sie richtig zu verstehen. Heute gab es z. B. nur dünne Kartoffelsuppe –
es ist doch eine Lieferung eingetroffen – sie schmeckte gar nicht übel u. man
hätte gern und gut doppelt so viel essen können, ein Schlag Suppe ist als
Hauptmahlzeit halt zu wenig, danach bekommt man erst den richtigen Appetit,
aber in ein leeres Kochgeschirr lässt sich nichts Essbares mehr hineinzaubern.
Dabei gab es das Essen schon um 10 ½ Uhr und jetzt um 19 Uhr meldet sich schon
wieder der Hunger. Bis wir aber am nächsten Morgen unseren Kanten Brot
empfangen, dauert es noch 14 Stunden und das ist eine lange, lange Zeit. Ich
war auch heute in einem katholischen Gottesdienst, der hier durch einen
englischen Feldgeistlichen, es war der zweite, der bisher abgehalten wurde. Der
erste war in
Der Schluss des Briefes fehlt.
M. Wüllenweber 6.7.45
I.N. 2353
W. Unterbarmen
Pol. Präs. Z.
296/IV
Meine Lieben, lieber
Richard!
Ich habe es außerordentlich bedauert,
dass Du vergangene Woche nicht bis zu mir vordringen konntest. Ich hätte Dich
gerne sehr gerne einmal gesprochen. Es wäre doch auch notwendig, wegen der
durch die Verhältnisse neu geschaffenen Lage zu Hause, wegen den Feld- und
Gartenbestellungen, dem Neuaufbau unserer Viehzucht und nicht zuletzt auch
wegen den finanziellen Verpflichtungen. Du kannst Dich doch engl. verständigen.
Wenn Mutter die Bitte vortragen würde, evtl. bei Kommandanten, würde das vielleicht
noch mehr Erfolg haben. Die Dir inzwischen vorgetragenen Bitten, die meinen und
die meiner Kameraden, wirst Du hoffentlich bald erfüllen können. Tante W. habe
ich dieserhalb geschrieben. Wir alle
nehmen an, dass Du als „alter Soldat“ unsere besondere Lage verstehen wirst.
Die Kameraden setzen alle Hoffnungen auf Dich. Damit Euch zu Hause die Spenden
für mich nicht zu schwer fallen, sollt Ihr u. vor allem Mutter einmal die
besondere Gelegenheit wahrnehmen u, bei meinen Bekannten um einen nahrhaften
Zuschuss, oder auch nur um einen rauchenden, bitten. Ich denke da in erster
Linie an Bayerhof-Becker, dem ich manchen Gefallen
getan, an Franz Rott, Ägidius Becker, Josef Decker, Dr. Auer (…) Willerscheidt und Paul Behr am Urfelder Bahnhof. Schildert
meine Lage in drastischen Farben und weist darauf hin, dass es Euch
schwer fällt, weil uns ja alles „abhanden“ kam. Frl. Manstein
u. Frau Radermacher könnten auch etwas tun. Gebt aber keine Tauschwaren ab und
seid auch im Übrigen sehr sparsam in allem. Also nehmt
mal die Gelegenheit wahr; ihr werdet es ja auch selbst gebrauchen
können. Also sorgt dass bald wieder was für mich eintrifft (Brot Kartoffeln)
die Not ist groß! Ein Kamerad Duisberg aus der Junkerstr. in Bonn hat auch ein
Anliegen, seine Frau soll sehr krank sein und nicht nach hier kommen können, Tackenberg hat auch eine Bitte, aber hier werden die
Angehörigen jetzt selbst sorgen können. Bei Duisberg wirst Du auch für uns
etwas Rauchwaren herausschlagen können.
Lb. Richard!
Was macht der Garten? Es wäre gut, wenn
Du noch etwas Rosenkohl, Kohlrabi, Porree und Grünkohl anpflanzen
würdest; auch rote Beete kann man noch bis Mitte Juli säen. In einem Vortrag
über Gemüsezucht, den ich heute besuchte, wurde das sehr empfohlen. Die
Knollen müssen wenn sie halbwachsen sind tüchtig Jauche haben, auch das Gemüse.
Stark wachsende Seitentriebe in den Spindelbüschen müssen heruntergebunden
werden, in der neu angelegten Stachelbeer- und Johannisbeerhecke könntest Du
noch einige Pfähle einbauen und (wenigstens einen) Draht ziehen. Draht und
Kordel sind nebenan bei St. Also macht’s
gut und schreibt mal endlich Ihr
schreibfaule Gesellschaft.
Herzl. Grüße Euer Vater.
1. Randnotiz Seite 1: Schickt mir
einige, möglichst zeitnahe Bilder von den Kindern, auch von Lenchen, alles ist
auch hier „abhanden“ gekommen.
2. Randnotiz Seite 1, oben, kopfstehend:
Soeben wurde durch den Floorleader im Auftrage
des Kommandanten offiziell mitgeteilt, dass alle Int. spätestens in 4 –
6 Wochen entlassen sind, mit Ausnahme der kriminellen Fälle. Lasst mich diese
Zeit nicht zu sehr hungern.
1. Randnotiz Seite 2: Der Karli soll mir
mal einen Brief in engl. schreiben, damit ich sehe, ob er u. ich schon was
können – jede Woche –
2. Randnotiz Seite 2: Verpackt auch mal
ein altes, scharfes Tafelmesser u. zwar so, dass es auch ankommt.
M. Wüllenweber
Int. No. 2353 10.07.1945
W.-U Barmen
room 296 floor IV
Liebe
Frau, liebe Kinder!
Zunächst die Mitteilung, dass ein Besuch
hier möglich ist, wenn geschäftliche Gründe das rechtfertigen und eine
Genehmigung der dortigen bzw. der Bonner engl. Militärbehörde erteilt wurde.
Ich glaube, dass Euch Lenchen hier wieder behilflich sein kann. Aber der Besuch
ist nicht das wesentliche. Das ist ein Paket
mir Esswaren usw., die ich doch so sehr dringend benötige. Ich warte darauf
schon seit vielen Tagen. Mein Gesundheitszustand ist nicht besonders günstig,
ich habe starke Gewichtsverluste, hoffentlich kommt nichts Schlimmeres dazu.
Ich fühle mich sehr verlassen von Euch. Habe ich das verdient? Glaubt Ihr,
meine Lage mit ½ Schwarzbrot, das nach Eurer Bestimmung für 10 Tage halten
soll, wesentlich bessern zu können. Seid Ihr von allen guten Geistern
verlassen? Ich habe leider einen Teil meines guten Tabaks opfern müssen, um ein
Stückchen Brot einzutauschen. Und dadurch ist der Vorrat leider vorzeitig zu
Ende gegangen, der einzige Trost, den ich noch hatte. Täglich kommen zahlreiche
Pakete hier an, auch von Vorgebirge, aber keines für mich. Briefe bekomme ich
auch keine, während ich mir die Finger wundschreibe. Erkundigt Euch bei Frau Demtröder, Pleißig oder Dung,
wenn ihr selbst nicht kommen könnt. Ich bitte nun nochmals dringendst laufend
in kürzeren Zeitabständen
a) ein Schwarzbrot (Rott, Esser, Bähr)
bei Mehrspende mehr oder
b) geröstete oder Pellkartoffeln oder
Salat letzteres anderes mit einem Einlage-Gänseei –
c) etwas Reibe- oder Pfannkuchen
d) etwas Brotbelag – Marmelade oder
ähnliches –
e) Joh. B. rot wenig schwarz im Schraubglas
fest eingestampft wegen Schwund
f) Stachelbeeren dto. ungesüßt mit
Süßstoff, damit ich selbst nach Bedarf fertig machen kann
g) ein Eimerchen Apfelkompott,
ungesüßt wie vor
h) Ist der Klarapfel noch nicht reif –
Kartoffelsäckchen
Außer der Reihe ein scharfes Tafelmesser
– Sendung jetzt erlaubt.
Das Gebetbuch meiner Mutter, kein
Gartenbuch um das ich an anderer Stelle bat.
Einen Querbinder u ein weiches
Seidentuch oder Taschentuch für meine Rocktasche.
Bezüglich der Obstanforderung möchte ich
bemerken, dass ich auch etwas aus meinem Garten haben möchte, dessen
Ertrag nur durch meine harte Arbeit entstand.
Besorgt die beiliegenden Briefe, ich
hoffe, dass sie etwas nützen. Von den anderen Spenden haltet etwas zurück falls
Ihr Erfolg habt.
Ich bitte zum Schluss nochmals sehr
dringend, aus Eurer Passivität herauszutreten. Wenn die Sache umgekehrt wäre,
ich wäre Tag und Nacht unterwegs.
Ich hoffe, dass Ihr noch gesund seid und
es Euch auch sonst noch gut geht.
Auf angenehme Nachrichten u. Sendungen
wartend
grüßt
Euch
Euer
Vater
Randschrift:
Wenn Ihr keinen Tabak habt, schickt mir doch den Tee mit aus Westfalen
10/7. 45
22 ½ h
Meine Lieben!
Fritz Dreesen hat morgen Besuch von seiner Frau u. dadurch
besteht die Möglichkeit Euch schnell meinen Brandbrief zu übermitteln. Also
bitte habt Verständnis für meine Lage, sie ist nicht
übertrieben dargestellt. Ich habe einen furchtbaren Hunger. Denkt daran, dass
zwischen den voll anzurechnenden Mahlzeiten 8 bzw. 16 Stunden liegen, das ist
eine schlimme Zeit. An Kleidungsstücken passt mir nichts mehr. Hoffentlich
bekomme ich kein Wasser in den Fußgelenken, eine Folge der Unterernährung, die
sich schon bei verschiedenen Kameraden zeigt. Im Gegensatz zu den anderen bin
ich noch immer gut dran, sodass Ihr keine allzu großen Sorgen Euch zu machen
braucht. Aber bitte bitte
bringt oder schickt mir was, aber sofort.
Scheut doch die paar Stunden und die paar Groschen nicht, es liegt doch auch in
Eurem Nutzen. Von Frau Wilhelmy höre und sehe ich nichts,
trotzdem ich mehrmals um Nachricht und Sendung bat. Versteckt bitte mal
ein Ei vielleicht von der Gans im Kartoffelsalat oder einen Klarapfel im
Kartoffelsäckchen. Schickt doch etwas Brot, das ist das Wichtigste.
Franz Rott, dem Ihr die Sache vertraulich mitteilen könnt, wird doch wohl ein
Einsehen haben. Der Suitbert Bär könnte doch auch was für mich tun. Und dann
vergesst die zurecht gemachten Beeren nicht. Mit
Ausnahme der Joh. Beeren ungesüßt, dafür aber schickt Süßstoff mit. Wenn Ihr
sonst noch etwas für mich übrig habt, schickt es. Ich will nicht krank werden,
wenn ich auch nachts schon etwas krampfartige Magenschmerzen habe. Der Arzt
sagt, das sei nicht schlimm, Im übrigen geht es mir gut, ich lasse den Mut
nicht sinken und hoffe bis zum 1. k. M zu Hause zu sein. Dann kann ich aber
noch nichts tun. Wenn Richard noch was zum Rauchen für mich hätte, wäre ich
froh; sonst Tee.
Wartet nicht
die Besuchsgenehmigung ab, heute waren einige Frauen hier u kamen auch ohne
diese herein. Aber Besuch ist Nebensache,
er bringt sicher Aufregung. Hauptsache ist das Paket, schickt
oder bringt sofort.
Mutter, wenn
Du nun doch mich besuchen willst, musst Du verlangen, den Kommandanten zu
sprechen. Frauen werden da gut fertig.
Gruß u Kuß
in gr. Eile
Vater
Wichtig ist
auch der Brief an Demtröder
M. Wüllenweber 14.7.45
2353 W.-Barmen
Pol. Präs.
296/ IV
Meine
Lieben!
Die beiden beiliegenden Briefe sind
schon bald einige Wochen alt und in vielen Teilen überholt. Ich hatte sie
seinerzeit geschrieben u. bereit gehalten um sie einem Kameraden mitzugeben,
der das Glück hatte, vor mir entlassen zu werden (Den Brief hat Donau Priesdorf mitgenommen) das hat aber nicht geklappt. Trotz
allem möchte ich den Brief nicht zurück behalten, ihr werdet schon das richtige
herauslesen. Inzwischen habe ich zahlreiche Briefe über Frau Wilhelmy an Euch geschickt. Mit Ausnahme der Nachrichten,
die ich von Richard und Lenchen erhielt, habe ich jedoch nichts mehr von Hersel
gehört. Das Paket, das ich erhielt, ist längst aufgezehrt u. ich schiebe wieder
wie vordem fleißig Kohldampf, fast schon mehr als eine Woche und täglich warte
ich auf einen Zuschuss, aber jeden Tag vergebens, trotzdem auch auf unserer
Bude alltäglich zahlreiche Pakete verteilt werden. Auch bei Bonner Kameraden
einschl. Demtröder erhalten laufend Brot u. andere
köstliche Sachen, nur ich stehe abseits. Das ist eine furchtbar bittere
Angelegenheit und tut weher wie der Hunger, der in den Eingeweiden frisst. Ich
übertreibe nicht, dass es eine systematische Hungerkur ist, der wir hier
unterzogen werden. Man bekommt gerade mal so viel, dass man notdürftig am Leben
bleibt. In meinem Gewicht nähere ich mich schätzungsweise der 50-Kilo-Grenze,
der dicke Kopp ist alles was übrig blieb, das übrige in nicht mehr sehenswert.
Die beiden Scheiben Brot, in der Regel nur mit Salz bestreut und das bisschen
Wassersuppe ohne Fett Fleisch u. Salz am Abend machen einem mehr Hunger, als
man vorher hatte und wenn es dann noch unglücklicherweise das
Präsidium-Stammgericht, das Sauerkraut gibt, dann bekommen wir alle schon
vorher Brechreiz. Ich mag das Zeug, das hier all 3 Tage den Bau verpestet,
nicht mehr riechen. Von mitleidigen Kameraden habe ich mir in der letzten Woche
jeden Tag eine Scheibe Brot geliehen. Dabei wird das Brot, das vielleicht mal
von Euch geschickt wird, schon auf Vorschuss aufgezehrt sein und wenn es dann
wieder nur ein halbes ist, ist alles aus. Um tagsüber meinen Hunger zu stillen,
fresse ich wie das liebe Vieh Kartoffelschalen, die ich mit gütiger Erlaubnis
des zuständigen Mannes, die ich mit ein paar meiner letzten Tabakblätter
erkaufte, auf dem Abfallhaufen auflese. Peiffer
Widdig u. andere Unglückiche, die wie ich keine
Pakete bekommen, machen es genau so. So tief sind wir gesunken. Erzählt es
niemand, diese Ausmaße unseres Hungerleidens. Wie kommt es eigentlich, das ich
nichts mehr von Euch höre und bekomme, weder Briefe noch was Essbares. Frau Wilhelmy wollte mir doch was mitbringen. Nichts ist
gekommen! Gestern wurden 28 Pakete auf unserem Zimmer verteilt, nur nichts
für mich. Ich stehe vor einem Rätsel. Ich wäre nicht so ungeduldig und würde so
betteln, wenn ich es nicht so sehr sehr dringend
nötig hätte. Ich kann es kaum begreifen, dass Ihr die Sache auf eine so leichte
Schulter nehmt. Durch das Warten von Tag zu Tag bin ich auch mit den Nerven
total herunter. Heute sind wieder 703 Pakete von Kassen Nüther Allenstr. hier zum Bau
transportiert worden. Verschiedene Kam., die dabei
geholfen haben, stellten fest, dass für mich wieder nichts dabei ist. Als werde
ich auch vor Sonntag leer ausgehen. Auch Frau Wilhelmy,
die ich um einen kleinen Vorschuss nochmals bat, den Ihr später zurückerstatten
könnt, rührt sich nicht. Ich habe fast täglich Bettelbriefe geschickt. Das kann
ich jetzt nicht mehr. Alle Angehörigen meiner Kameraden laufen von Haus zu Haus
in ihrer Heimat, wie aus den vorgezeigten Briefen hervorgeht, um für ihre
Männer was schicken zu können. Könnt Ihr das nicht auch, für andere kann
man das doch besser, als für sich selbst. Ich gab Euch verschiedene
Hinweise, Rott, S Bär, Hersel, P. Bähr Urfeld, Frl. Esser, Aug. Becker u. Bayerhof-Becker. Nehmt doch die Gelegenheit wahr, es wird
bestimmt etwas dabei herauskommen. Schickt aber nicht alles auf einmal und
behaltet etwas für Euch u. für mich später zurück. Besonders schlimm empfinde
ich es, dass ich nichts aus meinem Garten bekomme. Wie gerne würde ich einmal
Kartoffeln essen u. wenn sie roh …, mit Salz u Brot schmeckt das gut oder gar
einen Rettich oder eine Möhre, nicht zu denken an das schöne Obst –
Johannisbeeren Apfelkompott usw. Diesen schickt mir ungesüßt je mehr je
lieber meinetwegen ein Eimerchen voll mit etwas Süßstoff – gut verpackt – dass
ich mir es zurecht machen kann. Aber das wichtigste
ist das Brot und zwar wenn eben möglich Schwarzbrot. Davon werdet
Ihr etwas auftreiben müssen, wenn Ihr es betteln müsst. Kann Freund Willerscheid oder Dr. Auer nichts tun. Ein paar Pfann- oder
Reibekuchen wären für mich das Paradies. Aber was schwätze ich da alles! Ich
glaube Ihr zweifelt an meinem klaren Verstand und ich glaube bald selbst, dass
ich nicht mehr ganz in Ordnung bin. Wenn Ihr die Brote habt, holt etwas
aus dem Garten und wenn es junge Knollen sind, setzt Euch auf den nächsten Zug und bringt mir die Sachen sofort nach hier, ich komme sonst ganz auf
den Hund.
Das die beiden Pakete, die Richard
brachte, in meinen Besitz gelangten, war reiner Zufall. Die Wäsche kam
unverpackt u. ohne Anschrift an. Nur durch einen glücklichen Zufall konnte ich
als Eigentümer festgestellt werden. Auch mit der Ledermappe bestanden
Schwierigkeiten, die Anschriften flogen herum und statt Zimmer-Nr. 296 hieß es
269. Denkt daran, dass z. B heute 703 Pakete eingingen. Die müssen
geöffnet werden, die Umhüllungen werden entfernt und manchmal kommt es vor,
dass die Umhüllungen nicht mehr zum richtigen Paket finden, dann hat der
Empfänger das Nachsehen u. die guten Sachen sind verloren. Wenn ich überlege,
dass es so auch mir vielleicht ergangen ist, könnte ich zuviel kriegen. Letzte
Nacht konnte ich durch diese Gedanken kaum schlafen. Also achtet auf gute
Anschrift u. Verpackung. Anschrift nicht
nur auf der Umhüllung sondern auch auf der Schachtel in der
die Sachen eingepackt sind, am besten mehrere male. Es ist auch nützlich, Einzelteile im Paket mit einem
Klebezettel zu versehen, auf dem kurz Name Nummern vermerkt werden.
So geht nichts verloren. (M. W. 2353/296-IV). Macht 2 Pakete, wenn eins zu
groß. Ich hätte niemals gedacht, dass man so einmal in Sorge um sein täglich Brot sein könnte. Sorgt doch bitte, bitte, dass die
Geschichte endlich einmal klappt.
Frau Dreesen
war gestern hier und besuchte ihren Mann. Sie nahm Briefe mit, ein ähnlicher
Notschrei wie dieser, den ich an Lenchen im Stadthaus adressierte. Hoffentlich
ist der Brief mit Anlage angekommen und hoffentlich seid Ihr inzwischen zur
Besinnung gekommen u. habt mir auf irgendeine Weise etwas zugeschickt. Ich
warte jede Stunde! Auch viele andere Frauen kommen zu ihren Männern,
nachdem sie vorher mit dem Kommandanten Rücksprache nahmen u. dieser die
Besprechung genehmigte. Wenn Ihr bzw. Du lb. Mutter
das fertig bringst, dann versuche, mir wenigstens ein Paket zu überreichen,
das ist nämlich auch schon dagewesen und ich habe dann sofort etwas, um meinen
Riesenhunger zu stillen. Frau Dreesen kommt morgen
oder in den nächsten Tagen wieder nach hier und ich nehme die Gelegenheit wahr,
den gegenwärtigen Brief an Euch zu schicken. Man klammert sich in meiner so
bedrängten Lage an jeden Strohhalm und hofft, da einem doch einmal das Glück
winkt. Herr Dreesen könnte Euch bei dem Besuch auch
behilflich sein. er ist immer in der Nähe des Kommandanten als suppli man u Interpreter, wenn Du kommst, frage auch nach
ihm, er könnte Dir nützlich sein. Also nochmals macht’s gut und richtig und
sorgt mal für Euren Vater, den Hungerleider. Sprecht aber nicht überall
über die hiesigen Zustände. Die Messer schicken ist neuerdings wieder verboten,
also im Brot verstecken – Richard!
Für morgen haben 50 Kameraden ihre
Entlassungspapiere bekommen. Eines Tages werde auch ich dabei sein. Ich denke
bis Ende des Monats bin ich so weit. Es wäre nun schön, wenn ich am 26/d. M. zu
Deinem Namenstag zu Hause wäre. Wenn nicht, do kann ich daran nichts ändern,
aber Ihr habt es dann ja in der Hand, mir durch einige Zuwendungen auch etwas
feiern zu helfen. Aber schickt keine gut aussehenden Sachen, die
verschwinden, wie man häufig hört, gerne aus den Paketen. Die Sachen können gut
sein, aber die dürfen nicht gut aussehen. Schwierig was? Sorgt
auch, dass keine Pakete erst ankommen, wenn ich eines Tages entlassen werde,
diese bleiben dann bei Leuten hängen, die es am wenigsten nötig haben und das
wäre ärgerlich, sehr ärgerlich wo ich tagelang hungernd wartete.
Von der ganzen Hungerleiderei abgesehen,
geht es mir gut, auch gesundheitlich geht es mir den Verhältnissen entsprechend
noch einigermaßen gut, nur der Gewichtsverlust ist nicht angenehm und die damit
verbundene Schwäche. Ich bin nicht mehr stark und werde mich einige Wochen
erholen müssen. Und wenn ich dann eines Tages nach Hause komme, wird einem das,
was man hier alles Böse überstehen musste, wie ein böser Traum erscheinen und
man wird wieder nur das Gute im Gedächtnis behalten. Und Gutes gibt es hier
auch einiges, täglich finden zahlreiche sehr lehrreiche Vorträge statt aus
allen Gebieten. Landwirtschaft und Gartenbau dominieren. Ich lerne noch
allerhand und kann den Bauern später noch was vormachen. Fast täglich finden
bunte Abende statt mit häufig wechselndem Programm, die sehr gut aufgezogen
werden. Vortragende u. Darsteller alles Internierte. Kathol.
u. evangel. Gottesdienste finden häufig statt, die
ich besuche. Schickt mir hierzu das Gebetbuch meiner Mutter. Auf allen Fluren
stehen Lautsprecher. Nachrichten u. Musik haben wir mehr wie genug. Wenn man
durch die durchsonnten stuben(?) Flure geht, könnte
es einem bald gefallen hier, wenn nur das verfluchte Kohldampfschieben nicht
wäre. Die Engländer behandeln einen durch die Bank anständig. Besonders die
Offiziere gefallen einem immer besser. Im allgemeinen
kann man feststellen, dafs der Engl. es versteht für
sich Propaganda zu machen. Die Verpflegung scheidet dabei aus, damit hat er
nicht zu tun, dafür ist die Stadt Wuppertal zuständig u. der Verbindungsmann
zwischen uns und der Stadt ist unser
Kamerad Dreesen, der Leiter von unserem „supply room“ u. unser
„Interpreter“ ist, kein beneidenswerter Posten.
Und zum Schluss nun zu Euch. Wie geht es
Euch allen? „how do you
do?“ Was macht der Garten u. das Haus und die lieben Kinder? Denkt auch ans Ährenlesen? Verwertet Ihr auch die Falläpfel? Verschenkt
nur ja nichts von dem guten Obst ! ! ! ! !
Legen Gans und Hühner gut und was macht
Ada? Briefe privater Natur könnt Ihr immer schreiben und abgeben. Macht doch
auch davon eifrig Gebrauch. Bisher
bekam ich nichts !
!
Ihr könnt auch schreiben und auf Antwort
warten wenn Ihr das beantragt.
Schluss der heutigen Epistel
Ich hoffe auf baldiges Wiedersehen
u grüße Euch alle
Euer
Vater
M. Wüllenweber am 61. Tag
meiner Int.
2353
W. Unterbarmen, Pol Präs. am
15/7. 45
Zimmer 296 /IV
Meine liebe
Frau!
Meine lieben
Kinder!
Liebe Angela u
Kinder!
Heute
am Sonntag-Morgen erhielt ich Eure lieben Briefe, auf die ich nahezu
2 Wochen wartete. Es war eine schlimme Woche für mich, nun bin ich
glücklich und zufrieden, wenn auch das im Augenblick für mich so Notwendige
erst am Montag hier eintrifft. Hoffentlich kommt es danach bald in meine Hände,
denn es ist tatsächlich 5 Min. vor 12h, Ich nehme an, dass doch einige
Briefe bis zur Frau Wilhelmy durchkamen und dass Ihr
nun wisst, worauf es nun besonders ankommt. Brot u Kartoffel, geröstet oder Pellk.,
dann etwas Geschmier fürs Brot, keine edlen Sachen; Rettich, Möhren, Zucker
oder Süßstoff, Zwiebel. Vielleicht
könnt Ihr mir die Kart. zur Frau W. mitbringen, die
mir dass so „zwischendurch“ was Pellkartoffeln oder sonst was haltbares
zubereiten könnte. Dasselbe gilt für Kompotte, diese ungesüßt
– Süßstoff – oder ist das zuviel verlangt von der Tante. (Kompotte auf einmal
nicht in zu große, besser ist alle 2 Tage ein Gefäß durch Frau W.) Ich hatte in
letzter Zeit nur Salz zum Brot und habe eine furchtbare Gier nach etwas süßem
Zeug – Pfann- Reibekuchen, ein paar Kartoffeln, oder ist
das zuviel? Kein frisches Obst, keine Eier und Erdbeermarmelade!
Denkt an gute und richtige Anschriften auf der Außenhülle, Innenhülle und
Einzelteile mit Nr, u Name versehen. Ein Messer brauche
ich auch aber auch meine Pantoffeln wären mir angenehm, denn meine Füße und
Gelenke sind etwas geschwollen. Sie müssen aber ganz sein, sonst wird
verzichtet, denn wir sind hier vornehme Kart. Die Wünsche meiner Stubenkameraden habt Ihr
inzwischen schon kennen gelernt. Davon hat sich die Angelegenheit Tackenberg – Witterschlick von selbst erledigt, da dessen
Frau hier war. – Du brauchst also hier nichts zu unternehmen, Richard. Was
übrig bleibt, wäre die Sache des Kameraden Demtröder,
aber auch hier sind Änderungen eingetreten, da Frau D. Pakete, auf welchem
Wege, ist mir unbekannt, sendet. D. wartete bisher
vergebens auf Brief seiner Frau. Setzt Euch doch mit ihr mal in Verbindung.
Setzt Euch auch mal mit Frau Peiffer – Widdig, dessen
Mann bei mir ist, in Verbindung, eine nützliche, nahrhafte Beziehung für uns.
Mutter soll mal hingehen zu ihr und sich mit ihr mal aussprechen. Dem Kam. P.
wäre das sehr lieb, er sagte es ausdrücklich, seine Frau hätte bestimmt auch
noch was für mich. Dann haben wir da noch unseren 17jährigen Kam. Reinhold
Mülheims bei uns, Bonn Römerstr. 28. Gehe doch
einer zu dessen Vater und bittet ihn, er möchte seinem Jungen ein Paket
schicken. Es ist auch hier sehr dringend nötig. Die Sache Stratemeier ist auch in Ordnung. Das übrige waren, glaube ich nur noch Zustellungen.
Briefe, liebe Maria, kannst Du mir immer
schreiben. Was der Eingang Eurer Zeilen für mich am Sonntag
Morgen, wenn auch ohne Sonntags-Frühstück, bedeutet, das könnte ich
heute gut in Worten ausdrücken, aber Platzmangel. Alles habe ich mit großem
Interesse gelesen, schon ein halbes Dutzend mal. Dass
die Hühner von Schanzen noch nicht
zurück sind, verstehe ich nicht. Haben die etwa die Absicht, diese
zurückzubehalten? Das war nicht abgemacht, und das Kaninchen? Ich werde
denen sofort schreiben, die müssen die Tiere sofort herausrücken, die haben
wohl einen Vogel! Hat das Schaf keine Tiere geworfen (gelammt)? Du schriebst
nichts darüber. Frau Hymstra hat mir ausdrücklich
(ohne dass das ausdrücklich verlangt wurde) auch das Jungtier zugesprochen. Wie
kommt Ihr mit der Zimmereinteilung aus wo R. jetzt zu Hause. Später, aber das
hat jetzt noch Zeit, möchte ich wieder in meinem Schlafzimmer schlafen.
Ich erwidere alle mir bestellten Grüße,
besonders die Deinen und die der Kinder, sowie die von Dr. Rech. Gib kein Fallobst fort. Oh hätt ich jetzt ein
paar gedörrte Teilchen. Tut alles dörren u. einwecken. Sorgt, dass für den
Winter was zu Essen da ist. Grüßt mir auch den Willerscheidt,
der kann mir doch sicher was Mehl stiften, damit ihr mir ein paar Pfannk. backen könnt. Aber das wichtigste sind Brote, Tabak u. Hackfrüchte und lasst mich
bitte, bitte nicht mehr so lange warten!!
Herzliche Grüße u. Küsse an Euch alle
Ihr Lieben, Lenchen nicht zu vergessen, von Eurem Vater, der bald wieder
bei Euch ist.
1. Randschrift:
Habt Ihr Euch auch mit Frühkartoffeln
eingedeckt? Wenn Peiffer wieder Hause ist haben wir
dort einen guten Freund, sorgt
2. Randschrift
Frau Fritz Dreesen
hat wichtige Bestellungen an Lenchen abgegeben im Stadthaus Kulturamt. Evtl.
mit ihr in Verbindung setzen.
3. Randschrift
Kam. Tackenberg
bittet um Weiterleitung des beil. Briefes.
M. Wüllenweber
2352. W. U.-Barmen den
20.7.45
Pol-Präs. Z.
296/ IV
An Familie Wüllenweber
über Helene Schnitz, Kulturamt
Lb. Lenchen! Erbitte Weitergabe nach Hersel
Meine Lieben!
Ich habe Euer Paket am Mittwoch
erhalten. Die Auslieferung hatte sich dadurch verzögert, weil unsere alte
Wachmannschaft abgelöst wurde. Nunmehr werden die P. wieder täglich
ausgeliefert. Die mitgeschickten P. Kartoffeln waren leider total verdorben und
auch ein Teil der anderen Sachen vor allem u. leider der Kuchen u. das
Vollkornbrot hatten Schimmelpilz angesetzt. Ihr habt zu frisch verpackt. Die
Kartoffeln ausgenommen wird natürlich alles verwertet. Ich danke für all de
guten Sachen, besonders für den Speck. Erbitte nächstens nur abgetrocknete
Sachen einpacken, vor allem Schwarzbrot, Kartoffeln nur roh, auch
Möhren u Rettich sowie Zwiebel. Das Obst im Glas zeigt auch beginnende Gärung,
etwas Kraut ist deshalb besser, oder einwecken? Ich habe doch schon wiederholt
Vorschläge gemacht. Schickt nur bald
wieder etwas, damit ich nicht wieder von Kräften komme, vor allem Brot,
das die Angegebenen – Engels f. Peiffer u. mich, Rott
u Esser doch sicher geben können, andernfalls geht doch mal zu Dr. Auer oder Willerscheidt. Hier auf der Stube kommen auch viele
Reibekuchen, Waffeln u. ähnl. an. Denkt doch auch mal
an mich! Ich wäre Euch sehr dankbar! Keine Seife, aber etwas Süßstoff gut
verpackt. Peiffer – Widdig, den ich unterstütze,
hat noch immer keine Nachricht von Hause. Geht doch mal hin u bittet dringend
die Frau, etwas zu tun. Es ist sehr dringend. P. versprach mir, uns bei der
Beschaffung der Wintervorräte zu helfen. Mutter soll das mit Frau Peiffer besprechen und jetzt schon den ungefähren Bedarf an
Kartoffeln angeben, damit sie sich deshalb schon umhören kann. So will es Herr Peiffer. Er bittet auch, mal bei Engels wegen Schwarzbrot vorzusprechen. Denkt
doch auch daran, die Anschrift auf den Paketen nicht nur auf die
Außenhülle, sondern auch auf der Innenhülle anzubringen u. auch die Einzelteile
mir Name u No. versehen. Die Angaben fehlten auch bei
dem letzten Paket. Schickt, noch besser bringt mir jede Woche, bes. auch aus
dem Garten wir vor.
Liebe Maria! Nun möchte ich Dir zu
Deinem diesjährigen Namenstage die allerherzlichsten Glückwünsche senden. Es
ist das erstemal, dass wir diesen Tag nicht gemeinsam
in unserem Heim mit den Kindern feiern können. Ich hatte schon immer im Stillen
gehofft, an diesem Tage zu Hause zu sein. Leider scheint das nicht der Fall zu
sein. Aber sei versichert, dass unsere Trennung nicht lange mehr dauern wird.
Eines Tages wird sich auch für mich das Tor öffnen u. solange musst Du Geduld
haben, genau wie ich. Ich würde mich freuen, wenn Du, liebe Maria, zusammen mit
unseren Kindern in gewohnter Weise diesen Tag begehen würdest. Ich stehe auf
dem Standpunkt heute, dass wir gerade die Feiern in der Familie, die wir früher
als so selbstverständlich an- und hinnahmen, als das, was uns zukam, un der jetzigen Zeit als ein Geschenk ansehen müssen, das
wir tiefdankbar annehmen u auch behandeln müssen und dazu gehört auch Dein
Namensfest, wenn ich auch diesmal nicht dabei sein dann. Deshalb macht
Euch keine Sorge, denn schlecht geht es mir dieser Tage, wo ich noch etwas habe
nicht und wenn es mir schleicht gehen sollte, so ist es nur Eure Schuld.
Lasst mich nur etwas mitfeiern hier, dann könnt auch Ihr
es ohne Gewissensbisse tun. Aber bitte keinen nassen Kuchen! Auch keine P-Kartoffeln,
roh sind sie mir lieber und, lb.
M. wie wäre es mit einem eingeweckten Namenstagskaffee
gut verpacken, ein wenig gemahlen/
Essen: D Bohnen, Mähren, Erbsen oder dicke Hülsenfruchtsuppe; oder geht
das nicht? Das wichtigste aber ist immer, das tägliche Brot! Was ich jetzt hier bekomme, brauche ich später zu Hause nicht
zusätzlich zu haben. Fragt bei der Paketabgabe nach, ob wir noch hier sind.
Also liebe Maria feiert tüchtig und denk auch dabei,
aber nicht in Trauer, an mich, der ich bald, vielleicht schon früher als wir
heute ahnen, wieder bei Dir sein werde. Es grüßt u küsst Dich herzlich Dein Ely
– Euer Vater
M. Wüllenweber
M. Wüllenweber An Frl. Helene Schmitz
2353, Wuppertal-B. Bonn-Stadthaus-Kultur
Pol. Präs. Z.
296/IV oder,
An der Esche 3
24.7.45
Liebes Lenchen!
Ich muss mich noch einmal mit einer
Bitte an Dich wenden, trotzdem ich diese bereits zu Hause vorgetragen habe,
aber ich weiß nicht, ob und wann diese in Hersel ankommt. Ich wurde gestern vom
Arzt untersucht wegen meines Fuß- und Beinleidens. Die Schwellungen haben sich
leider nicht gebessert. Nach Angabe des Arztes liegt die Krankheit in unserer
Ernährungsweise begründet und er empfahl mir u. a. möglichst viel Rohkost
– Vitamine – zu essen, die ich mir von zu Hause besorgen soll. In Frage kämen
vor allem: Möhren, Rettich, Zwiebel oder auch
Erbsen u. Bohnen u. rohe Kartoffeln, vor allen Dingen aber Obst,
es kann ruhig Fallobst sein, das in Stücke geschnitten u. einige Stunden
angetrocknet werden müsste, damit es kein Frischobst mehr ist. Das
Paket, welches Ihr Montag vor 8 Tagen nach hier gebracht habt,
bekam ich leider erst am Mittwoch. Das war einmalig die Verzögerung, u. war in
Umständen begründet, auf die wir keinen Einfluss hatten und die sich nicht
vermeiden ließen. Für den guten Inhalt des Paketes war die lange Laufzeit
natürlich sehr ungünstig. Die Kartoffeln waren fast alle faul u. nicht mehr genießbar
und Brot und Kuchen zeigten starken Schimmel, während die übrigen Sachen noch
in Ordnung waren. (Nichts nasses einpacken!!) Um Brot
u. Kuchen nicht ganz verderben zu lassen, musste ich mich leider zu stark
dahinter halten, konnte es aber nicht verhindern, dass das letzte halbe
Graubrot heute durch u durch grüngelb verschimmelt u. nicht mehr zu gebrauchen
war. Hierdurch sind meine schönen Vorräte vorzeitig zu Ende gegangen und ich
sitze wieder auf dem Trockenen, was sich für meine Fußgeschichte wieder
nachteilig auswirken wird. Ich habe eine Reihe Briefe u. Karten nach Hause u.
zum Stadthaus geschickt und auch im Kaffee Nüter-Wuppertal
liegt Post zum Abholen bereit. Meine in den Briefen ausgesprochenen Bitten
wurden bisher nicht erfüllt. Sind nun die vielen Briefe und auch die Karten
nicht angekommen? Es geht mir neben den Lebensmitteln vor allem um etwas
Süßstoff – gut verpacken – eine Prise Zucker, Feinsalz, ein wenig Essig –
Fläschchen beschriften – einige Reibe- u. Pfannkuchen u. etwas Kraut. Vor allen
Dingen muss ich Schwarzbrot haben, damit ich endlich die gepumpten Schnitten,
und das sind deren viele geworden, zurückgeben kann. Denn ich möchte, dass mich
meine Kameraden, wenn ich in Kürze von unserem Internätchen
scheide, in guter Erinnerung behalten. Voraussetzung dafür ist, dass ich das
gepumpte Brot zurückgebe, denn darin nimmt man es hier genau. Also geht mal
für mich kötten! Und kommt bald nach
hier!
Habt Ihr meine Post bei Eurem letzten
Hiersein bekommen? Seid Ihr mit den Rädern gekommen? Das letzte Paket war innen
wieder nicht mit Anschrift versehen! Sehr wichtig! Obstschnitzel und Gläser besonders
gut verpacken. Brote gut einwickeln, auch das, was Ihr mir sonst bringt –
Zeitungspapier – Name u. Nr. auf Klebezettel. P. Abgabe Montag, Mittwoch
u. Freitag. Hat Frau Dreesen Godesberg die Bestellung
gemacht? Sonst fragt nach. Erinnert auch Frau Demtröder
u. Peiffer dringend an Brief u. Paket. Ihre Männer
haben noch nichts erhalten. Pakete auch künftig nicht schicken, sondern
bringen, da vorher festzustellen ist, ob noch anwesend.
L. L! Gebe bitte den Brief zu Hause ab u
hilf mit, dass alles und bald erledigt wird.
Im allgemeinen
geht es mir hier weiter ganz gut. Ich hoffe, dass die Sache Ende des Monats zum
Klappen kommt.
Vielen Dank für alle Bemühungen u
herzliche Grüße auch an Deine Eltern
Dein
M.
Wüllenweber
M. Wüllenweber 2353/296-IV
M. Wüllenweber
Nr. 2353, W-Barmen
Pol. Präs. Z.
296/4 den
28.7.45
Meine Lieben, liebe Maria!
Reinhold wird Euch wohl heute – Samstag
überrascht und Euch alles Wissenswerte erzählt haben. Seine Entlassung kam sehr
plötzlich und genau so wird es auch eines Tages mit uns gehen. R. ist der
Junge, der mir in den bösen Tagen manchmal aus der Not half. Bei Gelegenheit
müssen wir ihm das gutmachen. Wenn ich wieder zu Hause bin, werden wir ihn mal
einladen. Gestern erhielt ich das Paket mit dem Gebetbuch usw. Leider fehlten
die Äpfel, hoffentlich waren es nicht zu viele. Die übrigen Sachen in Ordnung,
sogar und erstmalig das halbe Brot. Die beiden aus dem vorletzten P.
waren beide, das eine mehr, das andere weniger, nicht richtig durchbacken. Ich
musste sie auf dem Herd rösten u. nachher aufweichen. Das vorletzte P habe ich
ja schon bestätigt. L. M. ich danke Dir für alle Deine Mühen und Fürsorge; ich
werde es Dir gutmachen, darauf verlass Dich. Ich bin, um Deine Frage zu
beantworten, jetzt zufrieden und auch immer gewesen, liebe Frau. Ich hatte in
den verflossenen Wochen, als ich nichts von Dir hörte, wohl ein wenig Ungeduld.
Es ist möglich, dass Dich zunächst noch einige Brandbriefe aus dieser Zeit
erreichen. Betrachte sie als erledigt. Hoffentlich folgen
jetzt auf die mageren Jahre die fette, auch unsere Lagerleitung tut was. Ich
bekomme täglich jetzt ½ Ltr Vollmilch u. die böse
Sache an meinen Füßen ist fast ganz verschwunden. Ich wäre glücklich, wenn ich
mal etwas anderes Brot bekäme, Woher ist
das Zeug, das Ihr schicktet? Prüft stets nach, ob es gar. Und lange bekam ich
keine Marmelade oder eingekochtes Frischobst, gemischt und eingeweckt
nicht zu ansehnlich, oder getrocknet. Schickt kein Fett, höchstens ein wenig
Schmalz, ich brauche das nicht, die Kinder desto mehr, Käse auch Quark, wegen
Eiweißbildung für mich sehr nützlich. Denk immer an Zwiebel. Wie hast Du Deinen
Namenstag verbracht? Gur gefeiert. Gruß u Kuss und schreib Deinem Mann mal was!
Lieber Richard! Ich danke Dir
für Briefe vom 19. u 26/7, der letzte ging soeben ein. Die beiden P sind, wie
ich schon schrieb eingegangen. Das letzte P war musterhaft verpackt. Karton nie
zu schwach nehmen. Ä. zu greifbar verpackt! Frischobst geht normalerweise nicht
durch. Der Regen wird Dir im Garten inzwischen zu Hilfe gekommen sein, hier
waren vorgestern u gestern Abend starke Gewitterregen. Wenn Ontariopflaumen reif, ehe ich zu Hause, sorge dass Mutter was
Mus kocht, meinetwegen mit Pfirsich zusammen. Ich bin sehr scharf auf das Zeug
u bekam lange nicht sowas. Zuletzt waren es die Johannisbeeren wonach Du
frugst. Sie waren sehr gut. Der Mangel lag nur im winzig kleinen Glas. Ich
erwidere die Grüße von Frau Faßbender Rheindorf. Hat deren Konrad für seinen
alten Kunden nicht etwas Weizenmehl übrig. Bestelle auch ihm viele Grüße und
frage ihn mal in meinem Auftrag; es ist bestimmt nicht vergebens. Auch an Wilbertz einen Gruß. Die Sache mit Jos. Decker und den
„Zwillingen“ ist mir nicht klar. Wenn Du das Licht „klar“ bekämest, das wäre
ein Segen. Ich sehe ein, dass nachdem Du zuhause, an ein Vermieten nicht mehr
zu denken ist. Seid aber sparsam im Geldausgeben. Wenn nichts dazu kommt,
verrinnt es sehr schnell. Wenn ich wieder zu Hause bin, müssen wir mal sehen,
ob wir nicht auf dem Speicher wenigstens ein Zimmer einbauen können. Mit
Heraklitplatten kann das billig und einfach gemacht werden. Erwidere auch die
Grüße an Frau Schmitz u Mann, grüße auch Willerscheidt.
Für Tabak danke besonders!
Lieber Karl! Auch Dir danke ich für
Deinen Brief. Ich freue mich, dass Du gesund bist u bald gut schwimmst. Sei
hierbei aber vorsichtig. Ich bin auch froh, dass der Weinstock wieder wächst.
Gib ihm häufig Wasser.
Liebes Lisi! Auch Dir danke ich für
Deinen schönen Brief. Sorg auch Du dafür, dass ich etwas Obst aus dem
Garten bekomme. Und Englisch lernst Du jetzt auch? Bald werden wir zusammen
üben, es wird nicht mehr lange dauern. Auf den Augenblick freue ich mich genau
so wie Du. Einen Gruß u Kuss besonders auch der Angela. Hat die das Schreiben
u. das Lesen auch nicht ganz vergessen? Übe etwas mit ihr.
Liebes Lenchen! Für Deinen Brief vom
19/7. herzlichen Dank. Ich danke Dir für Deine Fürsorge. Leider habe ich das
angekündigte P über Godesberg noch nicht bekommen. Von Deiner Tante worüber Du
schriebst, habe ich noch nie was gehört. Sie verhält sich
negativ, weshalb ich sie auch mit meinen Briefen verschonen wollte.
Ich kann wöchentlich nur einen Brief
schreiben, deshalb fasse ich alles zusammen.
Euch allen zusammen nochmals herzliche
Grüße auf baldiges Wiedersehen hoffend
Vater
M. Wüllenweber (2353)
M.
Wüllenweber
2353 W.
U. Barmen
Pol. Präs. St. 295 A
am
Sonntag, dem 12.08.1945
Meine Lieben, liebste Frau, lieber
Richard, heute am Sonntag-Mittag, es ist der 13. den ich von Euch getrennt
verleben muss, sende ich Euch die herzlichsten Sonntagsgrüße. Ich schrieb Euch
ja schon, dass ich mit meinen Bonner Freunden vorige Woche umzog und dass wir
jetzt in 295 A wohnen. Ich bin dadurch der Heimat etwas näher gerückt, wenn es
auch nur 3 Fensterlängen sind. Es ist ein schöner Raum, den wir mit wenig Mühe
sehr wohnlich ausgestaltet haben. Meine drei Stubenkameraden halten ihren
Mittagsschlaf und ich benutze die besondere Ruhe, um Euch, und vor allem Dir
liebe Maria, einen herzlichen Sonntagsgruß zu senden. Ich bin in Gedanken jetzt
ganz bei Euch meine Lieben in unserem Heim. Ich kann mir gut vorstellen, wie
Du, liebe Frau, mit unseren Kindern den Sonntag verlebst, was Ihr in Haus und
Garten treibt und wie unsere Kinder in der schönen Uedorfer Heimatflur in
gewohnter Weise den Tag verleben. Ich bin glücklich und zufrieden, dass es mir
vergönnt war, Euch dieses Haus schaffen zu können, in dem Ihr trotz der großen
Zeitnot ein zwar bescheidenes, aber doch, mit etwas Lebenskunst, ein
zufriedenes und wohl auch damit glückliches Leben fristen könnt. Stellt Euch
nur vor, wir wohnten in der Stadt. Vielleicht hätten wir dort vieles, wenn
nicht alles verloren, zu mindesten wären die
Lebensbedingungen dort ungleich schwieriger. Ich selbst gehe heute am Sommer
Sonntag durch Haus und Garten die mir so vertrauten Wege und sehe in Gedanken
jedes Beet und jeden Baum und Strauch, die ich ja alle selbst anlegte und
pflanzte, wie sie wachsen und Früchte tragen, wie Ihr arbeitet und erntet und
jetzt reichen Nutzen aus unserer jahrelangen Arbeit habt u. wie dieser Nutzen
auch ein klein wenig mir hier in meinem „Internat“ zugute kommt. Lasst Euch, und
darum bitte ich dringend, die schönen Sommertage durch meine Abwesenheit nicht
zu sehr trüben. Denkt daran, dass ich hier nichts auszustehen habe, wenn
das Wochenpaket pünktlich eintrifft, wie auch gestern das P. das Ihr
über M. Godesberg schicktet, in dem – leider – der Tabak fehlte. Das ist
eine böse Sache. Richard! das durfte Dir nicht passieren! Das, lieber Junge,
musst Du nächstens aber besser machen, Dir als altem Landser dürfte sowas keine
Kopfschmerzen machen. Lege mir auch etwas Z.-Papier gut verpackt bei, wozu in
der Not auch sehr dünnes Durchschlagpapier verwandt werden kann, das Dir
Lenchen wohl besorgen kann. Die Pfannk. waren
kostbar. Die Apfelschn. habe ich heute vorm. in der „Kitschen“ in feinstes ‚Apfelkompott umgesetzt, damit ich
nicht immer „Karro einfach“ habe. Gestern Abend
machte ich mir Gurkensalat. Mit Salz, Zwiebel u. Rettich schmeckt das sehr gut.
‚Es fehlten nur ein paar Kartoffeln, die Ihr mir aber doch mal schicken müsst.
Sie brauchen nicht unbedingt gekocht zu sein, das kann ich zur Not hier machen,
trotzdem ihr ja auch mal einige P.-K. beilegen könnt, da das
Freitagspaket, wenn es rechtzeitig abgegeben wird, mir am gleichen Tage
ausgehändigt wird. Die Gefahr, dass sie verderben, wie damals, ist also nicht
mehr so groß. Vor dem Verpacken, am besten hier in W. abkühlen u. abtrocknen
lassen. Es hat mich gefreut, le. Richard, dass Du soviel „James Grieve“
geerntet hast. Lässt Du mich mal probieren? Wird Dir das gelingen, vielleicht
mit den Kart? Sorgt übrigens, dass nicht zuviel Schwund
entsteht, sie halten sich nicht lange. Macht nur Dörrobst, dann haben wir auch
noch im Winter. „J. Grieve“, Mirabellen und Reinekloden
kann man auch eintrocknen. Das ist aus zeitbedingten Gründen – Zuckermangel –
die beste Verwendungsart. Ich probierte sogar dieser Tage getrocknete Kirschen
von Fam. Tackenberg – sehr gut! Wenn ich jetzt
zuhause wär, würde ich mich an die Einzäunung machen. Hast Du den Draht? Spann
wenigstens einen Draht an die neuangelegte Hecke am oberen Garten und setz
überall noch einen Pfahl zwischen die bereits vorhandenen. Was machen die
Himbeeren? Wenn die Ernte vorbei ist, müssen die alten Ruten entfernt
und verbrannt u. die neuen aufgebunden werden (nicht zu dicht stehen
lassen), das einzige Mittel, der gefährlichen Rutenkrankheit vorzubeugen. Mit
Spritzen kann man da wenig ausrichten. Was macht der Tabak? Weisst
Du auch wie man ihn im Schnellverfahren rauchbar machen kann, Unten findest Du ein Rezept. Versuch es mal und lass mich mal
probieren, aber denk an die richtige Verpackung, am besten, wegen der
Haltbarkeit, in einer bei Schmitz verschlossenen Blechdose. Also Regen habt
auch Ihr endlich? Hier hat es weniger daran gefehlt. Lass den Boden nie zu
lange hartgebacken liegen. Der Boden wird dann tot u. verliert zuviel Wasser. Das
richtige ist ein lockerer Krümelboden, den man mehr mit der Hacke oder dem
Kultivator, als mit dem Spaten erstellen soll. Denkt an die Neuanlage der
Erdbeerbeete. Wenn im alten Garten nicht möglich, könnt ihr es ja auch im
oberen Garten mal versuchen, aber nicht zu nahe an der Sträuße. Habt Ihr auch
Kohlrabi? ‚Wenn ja, bringt mir einige mit. Was macht die Viehzucht? Ist die
Kaninchenfalle noch in Ordnung? Ist das Paddelboot ganz hin? Wie ist die
Kartoffelernte im Allgemeinen? Sorgt Ihr auch für Vorräte? Ihr schriebt von
Briefen, die Ihr von mir bekommen habt, das Datum gabt Ihr nicht an. Ich weiß
deshalb auch nicht, worum sich Eure Fragen drehen? Auch was ich mit der „4“
gemeint haben soll, weiß ich nicht zu erklären.
Werdet mir nicht zu ungeduldig wegen meines
langen Ausbleibens. Wann für mich die Stunde schlägt, weiß ich nicht u. so geht
es allen hier. Von den Angehörigen unserer Kameraden hört man viel von Räumung
von Lagern und Entlassungen aus anderen Lägern, darunter Ortsgr.
Leiter, Kreisamtsleiter usw. Hier geht die Sache schlecht vorwärts. Wir sitzen
sicher im falschen Bau, aber das kann sich ja jede Stunde ändern; wir hoffen
das beste. Lasst Euch durch nichts erschüttern! Seid,
soweit eben möglich, fohen Mutes. Wenn ich nur
wüsste, lb. M., welche Briefe Du Sonntag-Nachm.
gelesen hast. War das der, an dem die Fortsetzung fehlte. Habt Ihr die Br. über
Dr. Gberg beide bekommen. Diesen verwahrt mir. Ist Dr. Gberg zu Hause? Also
Dr. Orbach war wohl hamsternderweise zu Hause. Hat er keine Zigarre für mich
dagelassen? Gib denen nur ja kein Obst! Lb. Richard!
Frage doch bitte den Reinhold Mülheims, ob er für unseren früheren Z. Kameraden
Jennes bei der Familie Paul Höfner, Gasthaus Wahlen
in Kreuznach bei Lohmar gewesen ist. Kam. Jennes
erwartet dringend von M. Nachricht über Ergebnis der Fahrt. Vielleicht kannst
Du den Brief nach hier besorgen. Falls
M. die Sache aus irgendwelchen Gründen nicht besorgen kann, könntest Du die
Geschichte erledigen. M. weiß über die Höfner zu gebende Nachricht u. Wünsche
des Kam. Jennes genau bescheid.
Liebe Liesi! Ich habe einen Auftrag für Dich. Sorge
dafür, dass auf der Chaussee keine Birnen verderben. Gehe täglich hin und
trockne alles für den Winter. Sammle keine Flaschenbirnen. Richard kann Dir die
richtigen Bäume zeigen. Es sind in der Regel die Bäume mir den wenigen und
krummen Ästen. Liest Du auch Ähren? Was macht Karli? Die Angela kann sicher
überhaupt nicht mehr schreiben! Richard! Kannst Du mir kein Feuerzeug
organisieren? Unerfüllte Wünsche: Kartoffeln roh / Pell, Querschlips, ein wenig
Zucker, mal etwas Marmelade oder Kraut (Schumacher – Bonn). Laufend: etwas
Gartenfrüchte. Gurken = sehr gut, Salz wenig Süßstoff, mal etwas Kuchen.
Wie ich hörte ist die Briefpost von und
zum Lager vorl. gesperrt. Bitte richtet Euch danach. Ich bitte auch keinerlei
Nachrichten dem P. beizufügen!
Bleibt mir alle gesund und munter und
lasst mich nicht im Stich besonders mit Brot Kart. u.
Taback Selbstzucht
Auf ein baldiges Wiedersehen hoffend
Grüßt Euch Euer Vater
M. Wüllenweber
2353/295 A
W.
12/10.45
Meine Lieben!
Nach langer Zeit ist es mir durch einen
glücklichen Zufall möglich, ein Lebenszeichen zu schicken. Es geht mir, den
Verhältnissen entsprechend, ganz gut. Ich
wäre glücklich, wenn ich wüsste, dass bei Euch, Ihr Lieben, Ich wäre glücklich,
wenn ich wüsste, dass bei Euch, Ihr Lieben, auch alles gut u in Ordnung wäre.
Die Sorge um Euch und Euer Wohlbefinden, ist meine größte Sorge. Wäschepaket u
Mantel erhalten. T. gefunden auch im Mantel, dort suchte ich vergebens nach
Lebenszeichen von Euch. Dasselbe, wie mit dem Mantel, könnt Ihr auch mal mit
einem älteren Rock aus dem Keller machen. Potter(?) teils heraus, das
gewünschte in gleicher Weise wie Mantel, etwas dunkler getarnt, nicht zu dünn.
– Pullover, Unterjacke schicken per Paket. Ich müsste etwas Geld haben,
möglichst sofort, wird bei Frau W. abgeholt. 100 RM für mich u
100 RM f- Demtr., die Ihr bei seiner Frau abholen könnt. Ein Feuerzeug
brauchte ich sehr dringend. Schickt auch etwas Brot, das geschnitten bei Frau
W. abgeholt werden kann u 2 Glas Marmelade. Taback
ist hier rar; dafür bin ich am meisten dankbar. Für den Abholer müsste ich
etwas sehr gutes Obst haben, nicht übermäßig viel. Es ist nur eine
einmalige Angelegenheit, nur bis 24/10 möglich, ausgerechnet – 24/10 – Kl.
Bimsstein, weißes Garn, sonst nichts!
Ich warte, wie wir alle, von Tag zu Tag
auf unsere Entlassung. Ich habe Hoffnung, dass es diesen Monat noch klappen
könnte. Habet Geduld! Erledigt auch bei nächster Gelegenheit die Angelegenheit
mit den blinden Fenstern, bei der Hans Demtröder
behilflich sein kann.
Was machen die Kinder? Ist Richard noch
zu Hause?, er wird sich auch ein wenig um seinen Beruf
kümmern müssen u mich, soweit Einkünfte in Frage kommen, vertreten. Wie ist
übrigens Eure wirtschaftliche Lage? Wird kein Gehalt bzw. ein Teil desselben
gezahlt. Evtl. denke ich da einen Unterstützungsantrag bei der Stadt. Wenn
nichts hilft – ein Darlehen Orbach usw. Schreibt mal darüber Brief, wird bei W.
abgeholt. Habt Ihr mich auch verstanden?
1) Bei W. wird abgeholt sofort 100 RM
einige Schnitte Brot, Taback, Marmelade,
Feuerzeug für mich // und für Demtröder 100 RM
einige Schnitte Brot usw. die Ihr mir meinen Sachen – aber bestimmt –
nach hier mit bringen müsst, desgl. Brief von Frau
‚D.
2) Auf ordnungsmäßigem Wege –
Wäschepaket – Pullover, Rock mit Einlage wie Mantel, 1 Unterjacke.
Macht’s gut. An Euch alle Grüße und
Küsse
Euer
Vater
Anmerkung: 24.10. war der Geburtstag von M. W.
Streng vertraulich
4/11.45
Meine Lieben!
In Eile teile
ich Euch mit, dass wir nun doch noch in ein anderes Lager verlegt werden,
wahrscheinlich am Freitag oder Samstag d. Woche. Vorm. Wohin es geht, weiß ich
nicht. Wenn möglich, teile ich das noch Frau Wilhelmy
mit oder erkundigt Euch bei Familie Plohr,
Brennerstr. 6 a (Elberfeld) oder bei Frau Mühlinghaus
Barmen Eintrachtstr. 123 – nach dort ist die
Verbindung für uns leichter – Das Ihr mir etwas Brot u Marmelade zur Frau W.
schicken sollt, wo es abgeholt wird, habe ich Euch ja schon mitgeteilt, weiter
bat ich um ein Feuerzeug, ein paar Steine, dazu Stopfgarn, weißes Garn,
Bimsstein, Tabak, etwas Zig. Papier, Süßstoff, Pfeffer, Salz.
Wir hoffen
alle, dass das neue Lager unser Entlassungslager wird. Man spricht, es ginge in
die Flakkaserne in Hehmer (Hemer) bei
Iserlohn, das muss nicht weit von Altena sein, aber auch Barmen-Ronsdorf und
Barmen-Lichtscheidt wird genannt. Morgen Montag geht der erste Transport hier
ab u. dann wird sich die Sache klären.
Mir selbst geht
es ausgezeichnet, Nur schade, dass wir unser schönes Zimmer verlassen müssen,
das ich in den letzten Wochen mit C. D. allein teile. Wenn wir wider Erwarten
noch einige Zeit hierbleiben müssen, dann müsste ich meine grüne Hose haben
oder etwas ähnliches, damit ich meine guten Sachen etwas schonen kann, auch
eine warme Unterjacke könnte ich gebrauchen, das schickt aber an meine neue
Adresse.
Wie geht es
Euch noch? Sorgt, dass alles gut geht. Was machen die Kinder? Habt Ihr auch
Vorräte für den Winter! Unsere Verpflegung hat sich gebessert. Ich selbst
empfange schon seit 3 Monaten zusätzlich täglich ½ Ltr
Milch, aus der ich mir Käse mache.
Denkt an Tabak
und Feuerzeug. Schickt mir auch ab u zu etwas Tabak wie bisher. Pelzweste mir Inhalt waren ausgezeichnet,
ich wusste nicht, wo ich mich mehr drüber freuen sollte, über die Weste oder
den Inhalt.
Ich danke Euch
sehr !!!
Frau W.
schickte mir 200,- RM, 100.- für mich u 100,- RM für C. D. Lasst sie Euch
wiedergeben, wenn Ihr mir nochmal etwas Geld schicken könnt ähnlich wie der
Tabak, wäre ich froh.
Später
schreibe ich mehr. Diese Woche haben wir viel Packarbeit vor: wir nehmen alles
mit u das ist viel geworden.
Also macht’s
gut
in Eile herzl. Grüße
Euer Vater