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JOHANN GOTTFRIED BRÜGELMANN
(1750-1802)


Wie mag es kommen, daß ein so bedeutender Mann, wie es Johann Gottfried Brügelmann war, der eine epochemachende Erfindung, nämlich die mechanische Spinnmaschine, auf den Kontinent verpflanzte, fast vergessen ist?
Die Brügelmanns - schon 1466 in der Beyenburger  Amtsrechnung (d. h. der Steuerliste für die Barmer Familien) als “Hofbesitzer vor dem brögel” genannt gehören seit dem frühen 18. Jahrhundert zu den besten Elberfelder Familien. Ein Johann Wilhelm, geboren am 13. Mai 1659, dessen Eltern noch in Barmen gestorben waren, wird 1703 als “Leinenhändler” in Elberfeld genannt. Sein Sohn Engelbert, Kaufmann in Elberfeld, wird nur vierundvierzig Jahre alt, und seine Witwe Maria Magdalena, geborene Jacobi, heiratet in zweiter Ehe den Kaufmann Gottfried Eck. Als nun ihrem Sohn Johann Wilhelm Brügelmann, der 1747 Anna Gertrud Kühnen aus Radevormwald geheiratet hatte, am 6. Juli 1750 in seinem Hause auf dem Hofkamp der erste Stammhalter geboren wird, gibt der Stiefgroßvater Eck als Pate dem Knaben den Namen Gottfried, der bis dahin in der Brügelmannschen Ahnentafel nicht vorkommt. Aber schon 1754 starb die junge Anna Gertrud Brügelmann, geborene Kühnen, nur dreiunddreißig Jahre alt, wenige Tage nachdem sie einem vierten Kind das Leben geschenkt hatte; der Knabe, der in der Taufe die Namen Johann Carl erhalten hatte, folgte seiner Mutter schon ein halbes Jahr später nach. Leider wissen wir über Anna Gertrud Kühnen und ihre Familie so gut wie gar nichts, weil die Radevormwalder Kirchenbücher nur unvollständig vorhanden sind. Und das ist bedauerlich, hat man doch schon lange erkannt, welch große Bedeutung den “Müttergeschlechtern” zukommt. Bei der Geburt von Anna Gertrud Kühnen am 21. April 1721 finden wir die Eintragung, daß ihr Vater Heinrich Wilhelm Kühnen gerade auf der Frankfurter Messe ist und deshalb das Kind “weder Pathen noch Goden” gehabt habe. Da habe die Mutter die Stelle der Paten vertreten und dem Töchterchen die Namen gegeben. Als Anna Gertrud heiratete, wurde sie in der Kopulationsurkunde genannt “Jungfer Anna Gertrud Kühnen, Weyl. H. Heinrich Wilhelm Kühnen gewesenen Kauf- und Handelsmanns in Rath vorm Wald nachgelassene Eheliche Tochter”. Ihr Vater war also tot, von der Mutter erfahren wir nichts. Als das erste Kind in der Brügelmannschen Ehe, die Tochter Maria Catharina, am 27. August 1748 getauft wird, erscheinen als Paten “Herr Kühnen zu Rade vor dem Walde und Catharina, Abraham Ellers Frau zu Ronßdorff”. Dieser Herr Kühnen kann ein Bruder, vielleicht aber auch ein Onkel der jungen Frau Brügelmann gewesen sein; in den Kirchenbüchern war er nicht zu finden. Und wer ist “Catharina, Abraham Ellers Frau zu Ronßdorff”? Sie ist die dreiundachtzigjährige Urgroßmutter des Täuflings, Anna Katharina von den Westen, die in erster Ehe mit dem Leinenhändler Johann Wilhelm Brügelmann verheiratet war und nach seinem Tod den sechzehn Jahre jüngeren Abraham Eller in Ronsdorf ehelichte. Dieser Abraham Eller war ein Bruder des Begründers von Ronsdorf, Elias Eller, dessen Charakterbild so lange in der Geschichte schwankte, heute aber durch die grundsätzlichen Ausführungen von Edmund Strutz völlig klargestellt ist. Abraham und Catharina Eller gehörten zu den Zioniten, beide waren im Jahre 1731 “versiegelt”, d. h., in die Gemeinschaft der Ellerianer aufgenommen worden.
Nach dem frühen Tod seiner jungen Frau blieb Johann Wilhelm Brügelmann als Witwer mit drei kleinen Kindern - sechs-, vier- und zweijährig - zurück. Mag auch die Großmutter Eck sich des verwaisten Hauses auf dem Hofkamp angenommen haben, so mußte Johann Wilhelm sich doch nach einer zweiten Frau umsehen, schon damit seine Kinder sich bald wieder mütterlicher Pflege und Fürsorge erfreuen konnten. Und er fand nicht nur eine Mutter für seine Kleinen, sondern auch eine liebevolle Lebensgefährtin, als er am 30. Juli 1755 Maria Kersten heiratete, die Tochter des aus Hessen stammenden Konrad Kersten und der Anna Christina Teschemacher und Schwester von Abraham Kersten, des Begründers des Bankhauses Kersten (späteren von der Heydt, Kersten & Söhne). Zu den drei Kindern erster Ehe gesellten sich bald noch zwei Geschwister: Johanna Engelina (Die spätere Frau von Theodor Gülcher ) und Carl Friedrich. Und wie gut war es, daß die fünf Brügelmannschen Kinder nun wieder von einer Mutterhand geleitet wurden, denn dunkle Wolken zogen herauf, der Siebenjährige Krieg brachte auch für die Wupperstädte Unruhe und Aufregung.

Aus den Jugendjahren Johann Gottfrieds wissen wir leider nichts. Wir können nur versuchen, uns eine Vorstellung vom damaligen Elberfeld zu machen, um uns mit einiger Phantasie auszumalen, wie ein kluger und aufgeweckter Knabe die Zeiten zwischen Krieg und Frieden erlebt haben mag. Elberfeld muss um die Mitte des 18. Jahrhunderts ein freundliches Städtchen mit etwa 8000 Einwohnern gewesen sein. Damals war die Wupper noch ein klarer Fluß, an dessen Ufern die grünen Bleichen lagen, auf ihnen ausgebreitet die Garne, die Reichtum und Wohlstand brachten. Noch stand das Morianstor, durch das wohl der Schulweg Johann Gottfried täglich führte, wird er doch die lateinische Schule am Reformierten Kirchplatz besucht haben. Ganz nahe beim Morianstor stand das prächtige Haus von Johann Jakob Wülfing, in dem Fürsten und Prinzen zu Gast waren. An der Wupper lagen große Gärten, herrliche Spielplätze, in denen sich auch die Brügelmannschen Kinder getummelt haben mögen. Als die Franzosen als Verbündete des Landesvaters Karl Theodor in die Wupperstädte einzogen, wird das für den sechsjährigen Johann Gottfried ein großartiges Erlebnis gewesen sein. Aber nicht nur für ihn, denn die Erwachsenen gebärdeten sich, wie Merkens in seiner Chronik berichtet, als ob sie ihre besten Freunde empfingen. Die Franzosen wurden mit “Wein, Bier und Brandewein” traktiert, “man ließ sie aus langen weißen Tonpfeifen Tabak rauchen, als ob eine Hochzeit gehalten würde”. Aber schon bald sah es anders aus, die Begeisterung verschwand, und der Krieg zeigte sein wahres, grausames Gesicht: Truppendurchzüge, Einquartierungen und Requisitionen waren an der Tagesordnung. Doch damit nicht genug: der Vater Johann Wilhelm Brügelmann und der Stiefgroßvater Gottfried Eck gehörten verschiedene Male zu den Geiseln, die von den Preußen gefangengesetzt oder sogar verschleppt wurden. – Noch während des Krieges, im Jahre 1762, wurde der Vater Johann Wilhelm Brügelmann zum Bürgermeister der Stadt berufen, nachdem er schon zu verschiedenen Malen Ratsverwandter gewesen war.

Johann Gottfried mag wohl siebzehn Jahre alt gewesen sein, als er im väterlichen Geschäft die in Elberfeld übliche Handlung in Leinengarn und Webwaren erlernte. 1770 ging er nach Basel und erhielt hier einen Einblick in die Lage der Baumwollindustrie, die in der Schweiz und im nahen Elsaß immer schon auf einer hohen Stufe gestanden hatte. Hatte sich doch hier schon seit dem 17. Jahrhundert eine bedeutende Weberei von Feingeweben entwickelt, die man Nanquins oder Nanquinettes nannte. Diese Stoffe spielen später im Fabrikationsprogramm Johann Gottfrieds eine bedeutende Rolle. - In dieser Epoche seines Lebens wird er von der Erfindung des Engländers Arkwright gehört haben, der in Cromford in der Provinz Derbyshire eine Spinnmaschine hergestellt hatte. Wir fortschrittgewohnten Menschen des 20. Jahrhunderts können uns kaum eine Vorstellung davon machen, was diese Erfindung bedeutete. Die Spinnmaschine, nicht mehr wie das Spinnrad von Menschenhand und Menschenfuß bewegt, wurde mit Wasserkraft angetrieben; sie bestand aus drei Teilen: dem Wolf, der das Auflockern der Baumwolle besorgte, der Kratze, die die Fasern auszog und ordnete, und schließlich der eigentlichen Maschine, die gleichzeitig wenigstens sechzehn Fäden spinnen konnte. Da Arkwright als erster Wasserkraft benutzte, nannte er den so gesponnenen Faden “Watertwist”, und so heißen auch heute noch die nach diesem System gedrehten Garne.

Als Johann Gottfried mit dieser Kenntnis aus der Schweiz ins Wuppertal zurückkehrte, sah er, wie auch im Bergischen Land eine schwierige Lage entstanden war, da schon seit langem der Bedarf der Weber mit der Handspindel nicht mehr gedeckt werden konnte. Kein Wunder darum, daß der Gedanke an die Spinnmaschine den jungen Gottfried nicht mehr zur Ruhe kommen ließ. Er musste - koste es, was es wolle - diese Maschine kennenlernen und, wenn möglich, nachahmen. Sah er doch hier die einzige Möglichkeit, die Spinntechnik so zu verbessern, daß der ständig wachsende Garnbedarf gedeckt werden konnte. Das einheimische Garn mußte konkurrenzfähig gemacht werden, das war die wichtigste Aufgabe. Aber wie zu diesem Ziel gelangen? Nun, zunächst nahmen häusliche Dinge ihn gefangen. Im Dezember 1774 verheiratete er sich mit Anna Christina Bredt, die in erster Ehe mit Peter Ochsen vermählt gewesen war. Dieser Peter Ochsen war in Elberfeld Fabrikant gewesen und schon im Alter von neunundzwanzig Jahren gestorben. Er war mit der reichen Familie Rübel versippt, die sich in den Dörnen ein stattliches Haus von Eberhard Haarmann hatte bauen lassen. Auch mit den Honsbergs, dem Pächter der staatlichen Mühlen in Wuppertal, war er verwandt gewesen. Nun heiratete die junge Witwe also Johann Gottfried Brügelmann. Ihr Vater war der vermögende Johann Jakob Bredt, der ebenfalls ein von Eberhard Haarmann erbautes Haus in den Dörnen besaß. Er wird dem Schwiegersohn in geschäftlicher Beziehung von Nutzen gewesen sein, denn schon 1777 hat Johann Gottfried Brügelmann ein eigenes blühendes Geschäft in Baumwollartikeln, Kattunen und Siamosen. Das zeigt eine auf uns gekommene Bilanz dieses Jahres, die ein Vermögen von 47000 Reichstalern angibt.

So schien alles aufs beste zu gedeihen, sein Geschäft blühte, zwei Söhne wuchsen heran: Jacob Wilhelm (geboren 1776) und Johann Gottfried (geboren 1777), bei den Mitbürgern war er beliebt und geschätzt, ihr Vertrauen hatte ihn schon in jungen Jahren in den Rat der Stadt berufen. Da brach 1781 der bekannte Weberstreit aus, der große Unruhe ins ganze Tal brachte und Johann Gottfrieds Schicksal in besonderer Weise berührte. Die Weberzunft bestand in Elberfeld seit 1738; hatte sie anfänglich etwa dreihundert Mitglieder gehabt, so gehörten ihr im Jahre 1781 elfhundert Meister an. Dadurch waren die Löhne natürlich geringer geworden, und die Überlegenheit der Fabrikanten machte sich unliebsam spürbar, denn sie hatten eine Vereinbarung getroffen, daß die Löhne überall, gleich hoch sein sollten - es zahlte also kein Fabrikant mehr als der andere. Die Stimmung in beiden Lagern war gereizt, und als von seiten der Fabrikanten einzelne Stücke beanstandet wurden, kam es zu offenem Aufruhr. Der Sprecher der Kaufmannschaft war Johann Gottfried Brügelmann, der durch seine temperamentvolle Art, den Aufständischen entgegenzutreten, den ganz besonderen Zorn der Leineweber auf sich lud. Der Stadtrat musste schließlich sogar Militär zur Hilfe herbeirufen, das bald die Ordnung wiederherstellte. Im Jahre 1783 wurden die Weberzunft aufgehoben und die Rädelsführer bestraft. - Johann Gottfried wandte im gleichen Jahr seiner Vaterstadt den Rücken, aber nicht nur, wie so oft gesagt wird, weil sie ihm nach diesen unangenehmen Zwischenfällen verleidet gewesen sei, sondern mehr noch, weil er von den Bindungen der Garnnahrung frei werden wollte. Auch hing er immer noch seinem Lieblingsgedanken nach, eine Fabrik nach englischem Vorbild zu errichten.

Ob er nun wirklich, wie es die Familientradition will, zu dieser Zeit selbst in England gewesen ist, dort in Arkwrights Fabrik unerkannt gearbeitet und wichtige Teile einer Spinnmaschine nach Deutschland gebracht hat, das wird sich wohl nie aufklären lassen. Zuzutrauen wäre es dem mutigen und energischen Mann schon, diese Legende würde durchaus zu seinem Charakterbild passen. Immerhin darf man nicht außer acht lassen, daß die Engländer die Todesstrafe über den verhängten, der das Geheimnis der Spinnmaschine verriet. Wir kennen das Gesuch - und drucken es noch einmal aus den Akten des Staatsarchivs hier ab -, das Brügelmann im Jahre 1783 an seinen Landesvater, den Kurfürsten Karl Theodor, richtete, aus dem man die jahrelangen Bemühungen um die Spinnmaschine ablesen kann. Er habe sich, so schreibt er, immer schon gefragt, “warum unsere sogenannten Siamosen den englischen und Rouener Fabrikaten an Güte, Reinheit und Egalität nicht beikommen und warum bei unserer vorteilhaften Lage keine anderen Fabriken entstanden seien”. Nun habe er, gleich nachdem er von der Erfindung der englischen Spinnmaschine gehört habe, sich bemüht, “eine solche Mühle oder wenigstens deren Modell zu bekommen”. Als er nun erfuhr, daß im Siegerland ein Mann sei, der eine “solche Spinnmühle zu verfertigen und einzurichten imstande wäre”, habe er diesen Mann in sein Elberfelder Haus geholt, wo er ein ganzes Jahr mit Versuchen zubrachte, die aber zu keinem Erfolg führten. “Ich entschloss mich”, schreibt er weiter, “an meinen in England bestehenden guten Freund zu wenden.” Und dieser hat, trotz der angedrohten schweren Strafen, geholfen, nicht nur einmal, als er im Jahre 1781 eine “Kratzmaschine” nach Deutschland schickte, sondern auch ein Jahr später, als er selbst in Begleitung eines geschickten Meisters auf den Kontinent reiste. In der Tat sind in den Geschäftsbüchern englische Mitarbeiter genannt: so im Kassenbuch von 1786 ein Engländer namens James Goodier mit 30 Talern Vorschuß und ein William Walker als “Salaireempfänger”. Mit welch großen finanziellen Opfern dieses ganze Unternehmen zustande kam, das kann man nur vage nachrechnen. Jedenfalls hat man Johann Gottfried nicht mit Unrecht “einen Vorläufer neuzeitlichen Wirtschaftsdenkens” genannt, der sein Kapital investierte und jedes Risiko zu tragen bereit war. Endlich im Jahre 1783 ist es soweit! Das Modell einer Maschine ist fertiggestellt, und “dieses ist so gut ausgefallen”, schreibt er seinem Herzog, “daß solche meiner Erwartung völliges Genüge leistet. Dieses alles würde noch nicht hinreichend sein, wenn ich nicht solches ins Große, wie in England durch ein Wasserrad könne treiben lassen, solchen Ends habe ich mir einen Ort bei Höchstdero Bergischen Mithauptstadt Ratingen ausersehen.” Tatsächlich hatte Brügelmann schon vor längerer Zeit Grund und Boden am Angerbach gekauft, den ihm der Graf Ambrosius Franziskus von Spee auf Erbvertrag überlassen hatte. Hier fand sich eine stillgelegte Mühle, die er durch die Wasserkraft des Angerbachs neu beleben wollte. Nach den Plänen des kurfürstlichen Hof Baumeisters Flügel entstanden dann hier zwei größere Gebäude, daneben “das innere Werk, welches 1600 Spindeln auf einmal in Bewegung setzt”. Er bittet nun den Herzog, ihm ein ausschließliches Privilegium für seine Spinnerei auf vierzig Jahre zu erteilen. Privilegien dieser Art waren schon früher bewilligt worden, so z. B. an Christoph Andreae in Mülheim/Rhein, an Preyers & Petersen in Kaiserswerth und an von der Leyen in Krefeld. Ein Beweis dafür, welch lebhaften Anteil Karl Theodor an den kommerziellen Bestrebungen seiner jülich-bergischen Länder nahm, auch wenn er sie nur aus der Ferne “regierte”! Und obwohl die Garnnahrungsgenossen in Wuppertal gegen dieses Gesuch protestierten, wurde es vom Herzog doch genehmigt, zwar nicht für die erbetenen vierzig Jahre, sondern nur für zwölf, wobei die von Brügelmann für die Entwicklung seiner Spinnerei bisher aufgebrachten Summen als eine besondere Leistung anerkannt wurden. Ein zweites Gesuch um “Steuerfreiheit” wurde allerdings von München abgelehnt, dafür erhielt Johann Gottfried den Titel “Kommerzienrat”. England war das Vorbild gewesen, das ihn zu all diesen Bemühungen angespornt hatte, so nannte er seine Fabrik nach englischem Vorbild “Cromford”, und noch heute heißt ein Teil der Stadt Ratingen so. Im Frühjahr 1784 begann die Fabrikation, und trotz der unruhigen Zeitläufte und anderer Hindernisse und Sorgen - z. B. Verrat von Fabrikgeheimnissen, Abwanderung von mit den Maschinen vertrauten Arbeitern - blühte das Brügelmannsche Unternehmen. Denn wieder einmal hatte der Landesvater geholfen. Er erließ am 27. August 1784 ein Edikt, das jeden mit 1000 Dukaten Geldstrafe oder lebenslänglicher Zuchthausstrafe in Kaiserswerth belegte, der irgendeinen der Brügelmannschen Arbeiter zur Abwanderung verleite.

Johann Gottfried Brügelmann war aber nicht nur ein erfinderischer Kopf und ein Kaufmann von Format, er besaß auch ungewöhnliche organisatorische Fähigkeiten. Als die Spinnmaschinen zu seiner Zufriedenheit arbeiteten, stellte er einige Handwebstühle daneben und bald darauf noch sieben Wirkstühle, auf denen Strümpfe, Handschuhe und Mützen fabriziert wurden.

Aber auch der erfolgreichste Mensch bleibt nicht von Leid verschont. Im gleichen Jahr, als er mit solch großem Glück seine Fabrikation begonnen hatte, verlor er Vater und Bruder. Der Vater Johann Wilhelm Brügelmann wurde am 3. Januar 1785 begraben, und am 21. März 1785 starb - noch nicht dreiunddreißig Jahre alt - Johann Wilhelm der jüngere. Dieser Johann Wilhelm ist eine tragische Gestalt. Offenbar hat er ganz im Schatten seines erfolgreichen Bruders gestanden und mit seinen eigenen Geschäften keine glückliche Hand gehabt. Sein Vater hatte für ihn eine Bürgschaft von 8000 Talern übernehmen müssen, für die nun die Familie einstehen mußte. Im Familienarchiv Brügelmann gibt es einen Vertrag, aus dem hervorgeht, wie sich die Stiefmutter, Brüder und Schwäger um die Hinterbliebenen bemühten, um der Witwe Anna Maria Brügelmann, geborenen Teschemacher, und ihrem kleinen erst siebenjährigen Sohn einen ausreichenden Lebensunterhalt zu sichern. Johann Gottfried Brügelmann und sein Schwager Johann Gerhard Teschemacher, der Mann von Maria Catharina Brügelmann wurden die Vormünder des kleinen Friedrich Wilhelm; sie bestritten die Kosten seiner Erziehung und Ausbildung, und Johann Gottfried nahm ihn später in die Cromforder Fabrik auf. Friedrich Wilhelm ist der Ahnherr der Kölner Brügelmanns.

Johann Gottfried, der in diesen Jahren auf der Höhe seiner Schaffenskraft stand und erfolgreich in allen seinen Unternehmungen war, begann 1787 in Cromford mit dem Bau eines Wohnhauses, für das 20000 Taler aufgewendet wurden. Es war ein dreistöckiges Haus im bergischen Barockstil, nach der Familientradition von Karl Theodors genialem Baumeister Nicolaus Pigage geschaffen. Dieses Haus ist heute noch - trotz zweier Weltkriege und zweimaliger Besetzung durch die Franzosen - in gutem Zustand erhalten. Vor dem Haus legte der berühmte Düsseldorfer Gartenarchitekt Maximilian Friedrich Weyhe einen prächtigen Park im englischen Stil an. Die beiden Söhne Jacob Wilhelm und Johann Gottfried waren jetzt elf- und zehnjährig, sie werden hier in Cromford eine glückliche Kindheit verbracht haben. Das bewegte Leben und Treiben auf dem Fabrikgelände, vielerlei Besucher aus allen Gegenden, die die neumodische Spinnmaschine besichtigen wollten, alles das wird für die heranwachsenden Knaben Anregung genug gebracht haben. Zwei Jahre waren gerade vergangen, da hatte sogar der Landesvater Karl Theodor die Fabrik Brügelmann besucht, ein Ereignis, das sich sicherlich tief in die Erinnerung der beiden Knaben eingrub. Eine zeitgenössische Meldung sagt von diesem Besuch: “nahmen allda” (nämlich in Ratingen) “die Herrn Commerzienrath Brögelmann aufgerichteten Maschinen Fabriquen in Höchsten Augenschein, bezeugten darüber ihre Zufriedenheit, und versicherten denselben Höchster Gnade und Protection.” Wenn man bedenkt, daß Karl Theodor in seiner langen Regierungszeit nur zweimal im Bergischen Lande war, so wird man darin das aufrichtige Interesse erkennen, das der Herzog an seinem Schützling nahm. In den ersten Jahren waren die in Cromford gesponnenen Garne nach Elberfeld zum Färben gebracht worden, hatten doch die privilegierten Färbermeister des Wuppertals auch in der Türkischrot- Färberei langjährige Erfahrung. Aber in den neunziger Jahren beschloß Johann Gottfried, eine eigene Färberei zu bauen. Er kaufte ein Grundstück in Pempelfort von der Familie Jacobi und eröffnete unter der Firma Brügelmann & Bredt eine Türkischrot- Färberei. Das mit seinem Bruder Carl gemeinsam betriebene Geschäft “J.G. und C. Brügelmann” in Elberfeld auf dem Hofkamp arbeitete mit gutem Erfolg. Trotzdem trennten sich die Brüder im Jahre 1798, und Johann Gottfried brachte dadurch sein Elberfelder Kapital in Höhe von 150 000 Reichstalern nach Cromford, gerade in dem Augenblick, als die immer spürbarer werdende Abschnürung des linken Rheinufers neue Unternehmungen forderte. Zunächst machte Johann Gottfried einen Versuch, wieder einmal wie im Jahre 1784 durch die Kraft seiner Persönlichkeit einen Erfolg zu erzielen. Er schrieb an den französischen Kommissar in Mainz und erbat zollfreie Einführung seiner Waren auf das linke Rheinufer. Höflich antwortete der “Citoyen Rudler” am “24. Thermidor an 6 de la Rèpublique francaise”, also am 11. August 1798. Er erinnere sich sehr gut, Johann Gottfried in Frankfurt kennengelernt zu haben, auch seine Erzeugnisse und die Spinnerei (“votre belle filature de cotton”) habe er in bester Erinnerung. Aber seinen Wunsch um Zollfreiheit kann er nicht erfüllen, es sei denn, er könne sich entschließen, mit seinem ganzen Betrieb aufs andere Rheinufer zu kommen. In dem Fall verspricht er ihm nicht nur ein Gebäude, sondern auch genügend Arbeiter. In kurzer Zeit würde sein Betrieb besser florieren als jemals. Er begrüßt ihn mit der Unterschrift “salut er fraternité”. Als Johann Gottfried einsah, daß der Versuch, mit Rudlers Hilfe seine Waren zollfrei aufs linke Rheinufer zu bringen, endgültig gescheitert war – er hatte noch seinen Sohn persönlich nach Mainz geschickt! -, mußte er sich nach einem linksrheinischen Partner umsehen, den er dann auch in Johannes Lenßen in Rheydt fand. Sie begründeten gemeinsam eine Spinnerei unter der Firma “Brügelmann & Lenßen”. Der Vertrag zwischen den beiden Partnern ist noch vorhanden und beweist, dass es sich um eine sehr großzügige Gründung handelte: jeder der Teilhaber hat ein Anfangskapital von 25000 Reichstalern zu zahlen, Brügelmann liefert außerdem Maschinen, Ersatzteile und eine Anzahl Arbeiter. Die Dauer des Vertrages wurde auf zwölf Jahre festgesetzt, er wurde aber, nachdem Johann Gottfried im Jahre 1802 gestorben war, wieder aufgelöst. Auch in München begründete der unternehmende Cromforder eine Spinnerei und Rotfärberei. Doch stand diese Gründung unter keinem glücklichen Stern. Der Betrieb wurde schon bald wieder geschlossen, die immer stärker werdenden kriegerischen Verwicklungen zwischen Frankreich und Deutschland werden der Grund gewesen sein. Da aber der bayerische Staat Arbeiter und Maschinen übernahm, war der Ausfall für Brügelmann nur unerheblich. Ein weiterer Versuch, auf dem linken Rheinufer Fuß zu fassen, erfolgte 1801. Johann Gottfried erwarb in Köln die Gebäude eines aufgehobenen Klosters “Klein Nazareth” und bezahlte dafür einen Kaufpreis von 857,3 Reichstalern. Hier sind uns sogar die Namen von Angestellten überliefert, denen Fabrikation und Geschäftsführung anvertraut waren: Goldenberg und der Prokurist Matthias Schlechter. Nach Buchungen bei der Firma J. H. Stein in Köln wurden dem Vertreter Franz Goldenberg von Februar 1801 bis August 1802 regelmäßig für Lohn und Kosten Beträge aus Cromforder Guthaben in Höhe von insgesamt 10460 Reichstalern gezahlt.

Aber auch den gewandtesten und klügsten Geschäftsleuten gelang es nicht immer, die Waren über den Rhein aufs linke Ufer zu schaffen. So findet sich in den Cromforder Geschäftsbüchern eine Belastung der Firma Stein “für im Rhein verlorenes Baumwollgarn im Werte von (299.23.8?) Reichstalern”, und am 27. April 1801 heißt es sogar “Belastung für durch Defraudation beschädigte Garnsendung (8.7.8.?) Reichstaler”. Aber das Risiko lag doch beim Auftraggeber, so mußte man sich in Cromford schließlich dazu verstehen, diese Buchungen rückgängig zu machen. So mehrten sich die Schwierigkeiten, und letzten Endes waren alle Bemühungen unfruchtbar. Es war eine schlimme Zeit für die Geschäftsleute - Johann Gottfried Brügelmann war aber von jeher ein kluger Hausvater gewesen und hatte versucht, sein großes Vermögen so wertbeständig wie möglich anzulegen; so vermochte er es auch über die Krisenzeit hinüberzuretten. Im Jahre 1793 wird sein Vermögen auf 54000 Reichstaler beziffert, 1802 waren es 380000 Reichstaler, mit dem Wert von Haus und Maschinen rund 420000 Reichstaler, ohne den Landbesitz. Er hatte bedeutende Summen in Gütern und Waldungen angelegt, wobei er besonders benachbarte Rittergüter bevorzugte, die damals steuerfrei waren. So hatte er z. B. das Gut Bökkum für 20000 Reichstaler, das Gut Diependahl für 10000 Reichstaler gekauft.

Wie vielseitig seine Interessen waren, beweisen auch seine Bemühungen um die Landwirtschaft; besonders die Frage der Verbesserung der Kulturen und Forsten beschäftigte ihn. Ebenso wichtig war ihm ein anderes Problem: Für die beste Lösung der Frage der Auflösung oder Teilung des Gemeindebesitzes und der Gemarken setzte er eine Prämie von 25 Dukaten aus. Wie sehr er sich in die Nöte und Fragen der Landwirtschaft hineingearbeitet hatte, zeigt ein Brief vom 13. April 1799 an Johann Georg Sieburg, einen Geschäftsfreund in Berlin. Dieser Freund hatte ihm vier Pfund Runkelrübensamen zugeschickt. Johann Gottfried bedankt sich dafür und schildert mit klugen und sachverständigen Worten, wie man aus der Runkelrübe Zucker gewinnen wird, um gegen die Zuckerpreise aus Westindien bestehen zu können. Außerdem wurde die ausgekochte Rübe ein gutes Viehfutter darstellen. “Ich freue mich schon im Geist zum voraus auf den glücklichen Erfolg”, diese Worte spiegeln den ungebrochenen Mut und Unternehmungsgeist Johann Gottfrieds wider. Wieder will er - wie am Anfang seiner Laufbahn beim Kurfürsten um ein “Privilegium wegen des Raffinierens auf zwölf Jahre nachsuchen”. Sein Schwager, der Bergrat Rose, “ein geschickter Chymicus” würde ihm mit allen Kräften beistehen. “Und”, fährt er fort, “nicht gewohnt, mich durch Schwierigkeiten abschrecken zu lassen, hoffe ich auch alle etwaigen Hindernisse aus dem Weg zu räumen!” Ein bezeichnender Satz, der diesen unternehmenden und selbstbewußten Geist, der sich im Leben gegen alle Schwierigkeiten behauptet hat, widerspiegelt.

Freilich, gegen Krankheit ist auch der tapferste und unermüdlichste Mensch nicht gefeit! Seit 1798 schon zwangen rheumatische Schmerzen den erst Achtundvierzigjährigen, seinen Söhnen einen Teil der Geschäfte zu überlassen. In dieser Zeit verlegte er auch seinen Wohnsitz nach Düsseldorf, um sich einem Gebiet intensiver widmen zu können, das ihm besonders am Herzen lag: der Rheinschiffahrt und der Errichtung eines Hafens in Düsseldorf. In dem ehrenden Nachruf, den der Westfälische Anzeiger am 15. Februar 1803 veröffentlichte - Johann Gottfried Brügelmann starb am 27. Dezember 1802 -, lesen wir, daß er Mitglied des Düsseldorfer Handlungsvorstandes war, einer Gesellschaft von Kaufleuten, zu der sich die bedeutendsten Männer des Handels und der Kaufmannschaft zusammengefunden hatten. Auch wird in diesem Nachruf besonders hervorgehoben, daß er “die zur Gründung einer regelmäßigen Rheinschiffahrt nötigen ansehnlichen Vorschüsse” geleistet habe.  “Er reiste selbst nach Amsterdam und half dort mit den Kommissarien der Rheinschiffahrt den ewig merkwürdigen Vertrag einer gemeinschaftlichen Rangfahrt zwischen der Amsterdamer und Düsseldorfer Kaufmannschaft zu schließen”. Daß Johann Gottfried sich schon früh für schöngeistige Dinge interessiert hatte, das beweist seine Zugehörigkeit zur Ersten Elberfelder Lesegesellschaft, der er seit der Gründung angehörte. Nicht nur seine Witwe Anna Christina Brügelmann, geborene Bredt, und seine beiden Söhne standen trauernd an seiner Bahre, als der Tod ihn allzu früh hinweggeholt hatte, eine schmerzliche Lücke empfanden auch die vielen, die er mit seinen geistigen Gaben gestützt oder denen er durch wohltätige Stiftungen geholfen hatte. Dem Sterbebuch der Reformierten Gemeinde Ratingen entnehmen wir folgenden Nachruf: “Dezbr. am 27ten 1802 Herr Johann Gottfried Brügelmann, wirklicher Kommerzienrath Sr. Khurfürstl. Durchl. von Pfaltz-Bayern, alt 52 Jahre 6 Monate und 3 Tage. Starb an der Krankheit, die die Ärzte Authrax nennen. Seine Ärzte waren: Herr Hofrath Löwen und H. Med. Rath Zanders von Düsseldorf.

NB. War der Stifter der für unser Vaterland so wichtigen, und vorhin in Deutschland unbekannten Baumwollspinnerey ohne Menschenhände, durch Maschinen, die Er im J. 1785 auf der sogenannten Hauser-Oel-Mühle nach dem Muster einer kurz vorher in Engelland zu Northamshire entstandenen, mit großen Kosten angelegt, und mit unermüdeter Anstrengung vervollkommnet hatte. Bisher hat er daselbst drey Fabrikgebäude, nebst seinem schönen Wohnhause und vielen andren Gebäuden errichtet, und den Platz Cromford genannt. Vor seinem seligen Tode hat er außer vielen anderen wohltätigen Verfügungen Rth. 1000 zur Vermehrung des Prediger- Gehaltes, und auch Rth. 1000 zur Vermehrung der Gehälter unserer vier Schullehrer vermacht, die seine Familie ausgezahlt hat. Er hinterließ eine Gattinn und zween Söhne, die die Geschäfte ihres seeligen Vaters mit Geschicklichkeit und Fleiß fortsetzen. Sein Andenken bleibt unvergeßlich und ein Segen. Ornare patriam er amplificare gaudio studebat er operam dabat.”

Wahrlich, ein würdiger und ehrender Nachruf, mit Herzenswärme und ehrlicher Zuneigung geschrieben, aus dem man die hohe Wertschätzung ablesen kann, der sich Johann Gottfried Brügelmann bei seinen Zeitgenossen erfreute. Von seinen Söhnen überlebte ihn der gleichnamige Johann Gottfried nur um sechs Jahre. Der ältere, Johann Wilhelm, starb 1826, nachdem er die Fabrik durch die schweren Krisenzeiten der Kontinentalsperre und des permanenten Krieges hindurchgesteuert hatte. Erst dem Enkel des Gründers, Moritz Brügelmann (1803-1879), gelang es, die Cromforder Fabrik zu neuer Blüte zu führen. Noch heute besteht die Spinnerei unter der alten Firma, wenn auch Nachkommen des Gründers nicht mehr beteiligt sind.

Schon eine Generation später war Johann Gottfried Brügelmann, dem wohl ein Ehrenplatz in der Wirtschaftsgeschichte zusteht, so gut wie vergessen. Die Maschine, für deren Herstellung er seine besten Kräfte eingesetzt hatte, war etwas Alltägliches und Selbstverständliches geworden. In der Zeitung “Deutscher Beobachter” vom Januar 1818 ist ein Brief von Jakob Aders aus Elberfeld an Professor Benzenberg abgedruckt, in dem er von Zuständen des Jahres 1810 schreibt: “Dagegen vermehrten und vergrößerten sich überall in Deutschland die Spinnereien mittels Maschinen ungeheuer und wuchsen wie Pilze aus der Erde.” Das war also acht Jahre nach Johann Gottfrieds Tod!

Wenn man rückblickend die Geschichte der “Spinnmaschine” betrachtet, so zeigt sich, daß das 18. Jahrhundert, das ja im allgemeinen eine Epoche der großen Erfindungen war, im besonderen für die Textilindustrie die größten Fortschritte brachte, als es gelang, das Spinnproblem zu lösen, indem man der Fabrikation sowohl maschinelle Gestaltung als auch Antrieb durch die Naturkraft gab. Die Männer, die die Spinnmaschine erfanden, waren Engländer. Als Vorläufer sind bekannt: John Kay (1733), Wyatt (1738) und Louis Paul (1740). Auf ihren Schultern standen dann die Erfinder James Hargreaves (1754), Richard Arkwright (1768) und Samuel Crompton (1774). Auf den Lösungen dieser Männer baute Johann Gottfried Brügelmann seine Spinnmaschine 1784 auf. Als letzter in dieser Reihe ist der Engländer Samuel Slater zu nennen, der 1793 in Amerika die erste Spinnerei in Pawtucket (Rhode Island) baute - für Amerika ein Ereignis von überragender Bedeutung, weil bis dahin die amerikanische Baumwolle in England gesponnen wurde und das gesponnene Garn wieder zurücktransportiert werden mußte.
So haben spätere Zeiten Samuel Slater den Ehrennamen “Father of American Manufactories” gegeben. Johann Gottfried Brügelmann ist auch in seiner Vaterstadt vergessen, die bergische Literatur nimmt kaum Notiz von ihm. Erst seit einigen Jahren ist man bemüht, an ihn und seine außerordentliche Tat zu erinnern. So hat ihm Walter Dietz in seinem Werk “Die Wuppertaler Garnnahrung” einen besonderen Abschnitt gewidmet. In England kennt jeder den Namen “Arkwright”, in Amerika ist der Name Samuel Slater durch “The old Slater-Mill-Museum” in Pawtucket unsterblich. In Deutschland aber wird man sogar bei Textilfachleuten vergebens nach Johann Gottfried Brügelmann fragen. Er gehört zu den großen Söhnen Wuppertals, er gehört aber auch zu den Großen in der deutschen Wirtschaftsgeschichte.



 

Gesuch Johann Gottfried Brügelmanns

auf Erteilung eines Privilegs für eine Baumwollspinnerei, 24. November 1783

 (Staatsarchiv Düsseldorf, Akten Jülich Berg 1859)
 
 

Ew. Churfürstl. Durchlaucht erlauben gnädigst, Höchtdemselben unthänigst Vorzutragen, daß gleich bei Uebernahme der Fabrique meines Vatters jene Ursachen mit unermüdlichem Fleiß ich nachgeforscht habe, warum unsere sogenannte Siamoisen denen Englischen Und Rouener Fabriquen an Güte, Schönheit und Egalität nicht beikommen und warum bey unserer Vorteilhaften Lage keine anderen Baumwollen- Fabriquen entstanden seien? Durch Länge der Zeit und durch Beträchtliche Kosten aufwand erfuhre ich endlich, daß in Engelland die Baumwolle durch Handmaschinen und Wassermühlen gesponnen würde, durch welche der Faden ein solch Vollkommene Gleichheit und Kraft erhielte, daß das Garn fein oder grob zur Kette mithin zu allerhand neuen oder hier frembden Fabriquen gebrauchst werden könne. Dahingegen ist jenes, welches in den benachbarten Märkischen und hiesigen Gegenden gesponnen wird, gantz unrein, roh und loß. Diesetwegen wird solches ins gemein zum Einschlag gebraucht und daher entstehst die ungleichheit der Ware. In Engelland sind die baumwollene Fabriquen seit Einführung der Spinnmühlen in den größten flor gekommen. Ich gab mir daher Mühe, eine solche Mühle oder wenigstens derselben Model zu bekommen, allein alle Versuche und Belohnungen wollten nichts verhelfen und ich konnte niemand ausfindig machen, welcher mir eine gleiche Mühle überschickte, indem das Parlament die ausführungen derselben sowol alß auch deren Arbeiter unter der schwersten Strafe verbotten hatte. Ich besprach mich auch daher mit verschiedenen Mechanicis und erfuhr, daß im Siegerland ein gewisser Künstler seye, der eine solche Spinnmühle zu verfertigen und einzurichten imstande wäre.

Ich reisete demnach bereits vor sechs Jahren selbst dahin und brachte denselben mit Lebensgefahr nach Elberfeld. Ein ganzes Jahr blieb derselbe in meinem Hause, unangesehen aller angewendeten schweren Nöte und Zeitverlust konnte ich aber mit ihm nichts ausrichten. Dieser kostbare Vorgang brächte mich nicht ab, ich entschloß mich daher, an meinen in Engelland bestehenden guten Freund zu wenden und durch neuen Kostenaufwand und große Gefahr wurde mir endlich vor zwey Jahren eine Kratz Maschine verschafft, welche die Baumwolle reiniget und säuberet. Von dieser konnte ich aber keinen Gebrauch machen, in deren solche mit der Spinn- und übrigen dazu erforderlichen Maschinen verbunden werden müßte. Diesettwegen zeigten sich abermals neue und fast unüberwindliche Schwierigkeiten. jedoch im Vorigen Jahr erhielt ich endlich das Modell, allein, kein Mensch wäre imstande, mit solchem etwas anzufangen noch einzurichten. Dieses bewog mich abermahls an meinen Freund nach Engelland zu schreiben, daß weder die Kratz Maschine noch das Modell der Spinnmühle, an welche ich bereits 3000 Rthlr. verwendet, mir von einigem Nützen sein könnten, wenn solche nicht durch einen geschulten Mechanicus zum Gebrauch eingerichtet würden. Große Versprechen und Belohnungen holten endlich einen ganz geschickten Meister nach vieler mühe und umständen zur Anheroreise. Derselbe ist auch würklich in Begleitung meines Freundes bei mir eingetroffen - allein beim ersten Anblick der Mühlen erklärte derselbe, daß auch diese nicht die rechten wären, er versicherte mir aber, daß er selbige nach der neuesten Erfindung viel einfacher und ganz Vollkommen einrichten würde. Um nun dessen überzeugt zu werden, ließ ich mir von ihm in Zeit von einigen Wochen eine kleine zum Model dienende Hand Maschine machen und diese ist so gut ausgefallen, daß solche meiner Erwartung völliges Genügen geleistet. Dieses alles würde noch nicht hinreichend seyn, wann ich nicht solches ins große wie in Engelland durch ein Wasserradt könne treiben lassen, solchen Ends habe ich mir einen Ort bei Höchstdero Bergischen Mithauptstadt Ratingen ausersehen, daselbst auch nach beikommendem Zeugnis dortigen Magistrats diesen Sommer bereits zwei große Gebäude errichten lassen und mit welchen ich künftiges Frühjahr fortzufahren gedenke. Von welchem zu mehrerem Beweis den Plan denen Gebäuden nebst dem inneren Werk welches sechzehnhundert Spindeln auf einmal in Bewegung setzet, und welches von Höchstdero Hofbaumeister Flügel Verfertiget worden, unterthänigst anfüge.

Durch schwerste Kosten, durch unermüdlichen Fleiß und durch Treue meines Freundes bin ich endlich zu meinem Endzweck gekommen, welcher Freund nicht aus Noth sein preußisches Vatterland verlassen, sondern da er während seinem langen Aufenthalt die in Engelland herrschenden Freiheits Grundsätze eingezogen, so hat er in Höchstdero durch Freiheit und unbeschränkten Handel vorzügliches Jülich- und Bergische Land dem seinigen vorgezogen und alle in den preußischen Staaten ihm gebottenen Vorteile ausgeschlagen.

Nie ist eine nützlichere Anlage für das ganze Land, besonders aber für Ratingen Vorgenommen worden, indem die Hauptvorteile, welche aus solcher Spinn Mühle entstehen, die Folgen sovieler neuer Zweigen der Handlung und Fabriquen sind, welche bis dahin nur den Engelländer eigen und mangels des unentbehrlichen Grundstockes ihnen überlassen und die Waren aufs reuerste bezahlet werden müssen.

Ew. Kurfürstliche Durchlaucht ist gnädigst bekannt, daß der König Von Preußen alle nur zu Verlangende privilegien und sogar bis auf 25 und noch mehr Prozent sich erstreckende Baugelder oder das nötige Bauholz und andere Materialien umsonst hergeben lasse, daß diese Prämien ganz bestimmt und durch offene Zeitungen Verkündet und daß daher viele Fabricanten in preußische Staaten gelocket werden. Solcher und mehrerer Vorteile würde ich mich ebenfalls zu erfreuen haben, wenn ich nur meine neu einzurichtende Fabrique und Spinn Maschine auf die ans Bergische anstoßende märkische Grenzen und besonders zu Duisburg angeleget alle. Allein, Liebe zu meinem Vatterland und unter Höchstdero Regierung als ein Beglückter Untertan zu leben hielten mich zurück. Da nun zu dieser Unternehmung, welche nur schon bei 4000 Rthlr. zu allerhand Proben gekostet noch eine Anlage von 20000 Rthlr. für die Gebäude und dem inneren Werke gefordert werden ehe ich den geringsten Nutzen ziehen könne; dadurch diese Anlage Höchstdero Stadt Ratingen und das ganze Amt die größte Vorteile ziehet, indem eine Menge armer Einwohner und kleiner Kinder von sechs bis zehn Jahren, welche nur gar zu häufig dem Müßiggang und Betteln nachgehen, ihren täglichen Unterhalt verdienen und dadurch Von Jugend an zur Arbeit und Fleiß angehalten werden, da diese Mühlen, von welchen man den größten Nutzen in Engelland nicht allein, sondern auch in Frank- und Oesterreich eingesehen und derer Beförderer Vorzüge ausschließende Privilegien nach der Anlage erteilet, den Grund zu neuen Fabriquen von baumwollenen Mützen, Strümpfen, Manchester, Barchent, Kattun, Zitzenmacherey und Musselin legen und diese gantz frischen Zweige von Fabriquen in unserem Lande hervorbringen, welche Höchstdero Aerarium bereichern und vielen tausend Menschen eine neue quelle zum Unterhalt eröffnen - Gründe, welche da in der reinen Wahrheit beruhen, so bitte Ew. Churfürstl. Durchlaucht unterthänigst, Höchstdieselbe geruhen gütigst, wegen gemeld. Kratz-, Hand- und Wasser Maschinen mir ein ausschließliches privilegium in Höchstdero Herzogtümer Jülich und Berg auf 40 Jahre mildest zu erteilen. Diese höchste Gnad verhoffe ich umso mehr unterthänigst zu Verdienen, als gemeldte Maschine einzig in ihrer art mit dem größten Risiko verknüpfet eine viel größere und kostbare anlage erfordern als andere Fabriquen, welche Von Ew. Churfürstl. Durchlaucht mit den größten Vorzügen und ausschließlichen Privilegien und Höchsten Schutz begnadigst worden. Von welchen das der sogenannten Garnnahrung oder Kaufmannschaft in Elberfeld und Barmen erteilte ausschließliche Privilegium, sodann jene der Frankenthaler Fabrique nüldest verliehene Gerechtsamen die deutlichsten Beweise Vorlegen. Des guten Erhörs mich unterthänigst getröstend ersterbe in tiefster Erniedrigung
 
 

Ew. Churfürstlichen Durchlaucht unterthänigster

Johann Gottfried Brugelman

Elberfeld 24. 9br. 1783


Text- und Bildquelle: http://www.guelcher-chronik.de