3. Teil: Bône 1863 


    Bône am 4ten Januar 1863

Meine herzlich geliebten Anverwandten!
Ich bedaure außerordentlich, daß mein letzter Brief acht Tage zu spät an Euch gelangt sein muß; die ärgerliche Ursache liegt in den durch den langen Regen aufgeweichten Wegen von hier nach Philippville, bis wohin die Post zu Lande besorgt wird. Das Schiff war von Philippville längst abgegangen, als der Courier von Bône ankam. Wir haben es nachher hier in der Zeitung gelesen. Soeben habe ich vom Briefträger, der ursprünglich auch Preuße ist, erfahren, daß um solchen Inconvenienzen vorzubeugen, eine Zeitlang der Courier von Bône 6 Stunden früher abgehen wird, eine Einrichtung, welche mich zwingt, meine Briefe entsprechend frühzeitiger zu expediren. Es ist nur gut, daß ich es noch erfahren habe, sonst hätte ich dieselben gar nicht mit fortschicken können. Doch werden die Wege bald wieder hergestellt sein, denn der Regen scheint für einige Zeit aufgehört zu haben. Es ist seit kurzem wahrhaft prachtvolles Wetter: zwar Abends und Morgens kalt, doch klar, heiter, wolkenlos wölbt sich der Himmel so tiefblau über uns, wie in der Heimath in den höchsten Sommermonaten. In den Mittagsstunden findet eine prächtige Temperatur statt, vielleicht wie zu Hause an schönen Maitagen; doch sobald die Sonne hinter den Bergen des L’Edough versinkt, kann man sich eines leisen Fröstelns nicht erwehren, und Morgens vor Sonnenaufgang ist es ohne Feuer im Kamin mehr wie unbehaglich. Bei Euch, scheint es, hat der strenge Anfang des Winters einer milden Witterung Platz gemacht; so wenigstens sprechen sich die Zeitungen über das mittlere und nördliche Frankreich aus. Ich will hoffen, daß ein solcher Wechsel für Niemand von Euch und den Euch nahestehenden Personen von schädlichem Einfluß gewesen ist, und daß Ihr dem entsprechend das neue Jahr in bestem Wohlsein und ungetrübter Heiterkeit im großen Kreis Aller Lieben, wie Ihr es ja so schön gewohnt seid, begonnnen habt. Nochmals Euch und Allen meine Wünsche und Euch speciell meine Danksagungen.
Auch ich habe Weihnachtsfest und Sylvester-Abend besser verbracht, als ich es zu hoffen gewagt hatte, wenn ich auch natürlich tausend Mal lieber in Eurem Kreise vergnügt gewesen wäre. Die Herren Streubel und Zircher und ich hatten sogar einen Baum aus der Heide geholt, der wenigstens eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Tannenbaum hatte, ihn fein behängt und erleuchtet, den Friedensrichter noch dazu eingeladen und zwei kleine Mädchen, Nachbarskinder der Herren Str. & Z., Italienerinnen, die nie etwas so Schönes und Glänzendes gesehen zu haben glaubten. Denn hier hat das Weihnachtsfest kaum noch einen geringen Anklang, einen unbedeutenden Abglanz von all’ der Herrlichkeit, welches wir ihm in Deutschland beigelegt haben, und die Kinder gehen auf den Straßen herum, zum großen Theile, ohne zu wissen, was eine feierliche Bescheerung besagen will, als wenn Nichts vorgefallen wäre, als wenn der Weihnachtstag ein Tag wäre, wie alle Sonn- und Festtage. Etwas mehr Leben macht sich am Neujahrstag geltend, an dem die Visitenjagd der unsrigen durchaus nicht nachsteht, die Jagd auf Geld (étrenne = Neujahrsgeld), aber in viel größerem Maaßstabe und ärgerlicherer Unverschämtheit betrieben wird, als bei uns. Es regnet förmlich Fünffrankenstücke und Briefträger, Stiefelputzer, Dienstboten befreundeter Häuser, Garçon’s in den Speisehäusern u.s.w. belagern förmlich die unglücklichen Geber, die bei reichlicher Bekanntschaft nicht selten 40 - 50 - 60 frcs los werden. Dazu werden dann feingedruckte Sachen: Kalender, Postreglements, Telegrafenstationen und -Taxen etc. überreicht. Es ist gut, daß es vorüber ist!
Das Unglück, das Heylands in Schwelm betroffen, hat mich allerdings tief erschüttert. So kommt oft bei Menschen, welche scheinbar so glücklich sind und ihr Glück mit soviel Bewußtsein genießen, das Unglück, wenn es einmal beginnt, haufenweise. Es läßt sich nicht vermuthen, oder ist wenigstens wohl möglich, daß Helene Nahel auch von dieser Lungenentzündung verschont geblieben wäre, wenn das andere Lungenleiden schon gründlich beseitigt war. Kranke gereizte Lungen unterliegen viel leichter einer Entzündung als gesunde. Hätten die Leute eigene Kinder, so würden sie sich zweifelsohne besser trösten. Daß über Bertha Brügelmann, wenn es wirklich so arg mit ihr ist, so viel Klage geführt wird, ist wirklich traurig, um so mehr, je mehr sie ihrem Vater, der so dringend der Stütze und der beständigen Gesellschaft bedarf, sein könnte. Wie kann sich da Lenchen im Besitze ihrer Kinder glücklich preisen! Was machen sie Alle? Es hat sicher eine reiche Bescheerung und endlosen Jubel gegeben? Wilhelm und Carl könnten mich eigentlich einmal mit einem Briefe, wenn er auch nur kurz ist, erfreuen? Meine herzlichsten Grüße für Alle!
Anbei folgt ein Brief an den Dr. Garthe, den Du, lieber Onkel, wohl die Güte hast zu couvertiren und an ihn zu schicken, und von dem ich hoffen will, daß er durch seine Schwere das Postgeld nicht vertheuert. Abgesehen davon, daß er früher den Wunsch aussprach, zu hören, wie es hier mit meinen meteorologischen Beobachtungen ginge, erfordert das Interesse des zoologischen Gartens in Coeln diese Correspondenz. Dr. G. trug mir allgemein dringend auf, ihn nicht zu vergessen, doch muß ich dazu bestimmte Instructionen haben, sonst bleibe ich mit den möglicherweise acquirirten Thieren sitzen. Kleinigkeiten (einen Adler, eine Zibethkatze etc.) konnte ich schon billig kaufen, doch wußte ich ja nicht, ob selbst umsonst die Thiere erwünscht waren, da der Garten schon so voll ist. Natürlich umsonst zu bekommen sind wilde Thiere hier auch nicht; die Eingeborenen fangen sie in Gruben, wenn sie sie nicht mit Pulver und Blei jagen dürfen und tödten sie meist, weil ihnen jedes Fell mit 40 oder 50 frcs von der Regierung bezahlt wird, und weil sie dann ein besonderes Lob erhalten, was ihnen sehr schmeichelt. In dem Briefe an Garthe findet Ihr einige Preise angegeben, wie sie der zoologische Garten in Marseille normirt hat und zu denen er stets ankauft. Kommen die Thiere gut und gesund an, so giebt es noch eine besondere Gratification. Am leichtesten dürfte noch eine Hyäne zu bekommen sein, welche man sogar vielleicht zum Präsent machen könnte, und ich entsinne mich nicht, welche gesehen zu haben in Coeln. Wenn ich nur genau wüßte, wie es mit dem Transporte von Marseille aus zu halten ist, bis dahin sind sie leicht zu schaffen. Hoffentlich schreibt darüber der Dr. Garthe genauer, denn manche Thiere können so lange hungern und werden einfach mit einer Adresse im luftigen Käfig als Fracht geschickt, aber wie verhält es sich mit denen, welche unterwegs gefüttert werden müssen? Es könnte leicht sein, daß der Direction selbst ein Geschenk nicht angenehm wäre, weil sie es erst von Marseille kommen lassen müßten. Unser protestantischer Pastor kam erst Weihnachten von einem Dorfe, ca 4 Meilen von hier, zurück mit der Nachricht, daß dort 4 junge Löwen gefangen seien. Diese wurden irgend einer hohen Regierungsperson oder dem Landrath (Sous-prefect) zum Geschenk gemacht. Doch wenn man in der Nähe zufällig gewesen wäre, hätte man sie gewiß billig kaufen können. Seit ich hier in Bône bin, sind wohl schon 3 oder 4 Mal todte Löwen hereintransportirt worden: ein Beweis, daß es immer noch genug giebt. Doch, wie gesagt, im Allgemeinen tödten die Araber die Thiere, teils weil Löwenfleisch und Pantherfleisch sehr wohlschmeckend ist, teils weil sie die Jagd mit Feuergewehren außerordentlich lieben. Letztere ist sehr eingeschränkt durch den Umstand, daß kein Eingeborener Pulver bekommt, der nicht einen Erlaubnißschein der Regierung aufweisen kann, und ein solcher nur an Vertrauenspersonen gegeben wird. Die Jagd der Araber auf Löwen, wie ich sie mir habe beschreiben lassen, ist höchst interessant und beweißt, daß die Leute, denen ich sonst im Allgemeinen nicht viel zutraue, durchaus keine übermäßige Furcht vor dem König der Thiere haben, wie es auch wohl sonst oft behauptet wurde. In der That ist der Löwe hier noch durch die zahlreichen Heerden der Araber auf freiem Felde so gut verproviantirt, daß er nicht nöthig hat, Menschen anzufallen, und die glaubwürdigsten Berichte beweisen mehr und mehr, daß er dem Menschen begegnend meist seines Weges zieht, ohne irgend eine Neigung zum Angriff zu bezeigen. Ich weiß nicht, ob es wahr ist oder ob ich es schon erzählt habe: man erzählt eine Menge Geschichten wie diejenige ist, in der eine arabische Frau, die nur einige Ziegen besaß, den Löwen, der ihr eine davon forttrug, mit dem Stocke und laut schimpfend verfolgte, bis dieser wirklich die Ziege fallen ließ und forttrabte. Fest steht, daß die Araber, wenn er attrappirt ward beim Raube eines Stückes Viehs, ihn verfolgen. Vor dem Panther haben sie mehr und gegründetere Furcht: er scheint auch Menschen ohne großen Hunger anzufallen. Dementsprechend wird auch das Fell eines Panthers von der Regierung höher prämiirt. Die Hyäne verachten sie gänzlich, und den Eber, deren es in einigen Gegenden noch viele giebt, hassen sie, weil sie ihn als unreines Thier nicht essen dürfen, ihn also nicht gern jagen und er doch ihre Felder verwüstet. Am Sonnabend habe ich die Herren Str. u. Z. auf die Wildschweinjagd begleitet, zu der wir von einem Proprietaire, in der Nähe des großen Sees, Lac Fetzara, einige Meilen von hier, geladen waren. Monsieur Vincent hat bedeutenden Grundbesitz in einer fruchtbaren Ebene mit flachen Hügeln, schränkt jedoch den Getreidebau mehr und mehr ein und cultivirt Wein, der einen allerliebsten, feinen Geschmack hat. Es sind südfranzösische und spanische Reben, von denen der Wein auch ein entferntes Geschmacksgepräge hat. Seine Orangen waren von außerordentlicher Süße im Garten und in den vergangenen Jahren haben sie stets 2mal Obst geerntet: Aepfel, Birnen, Pflaumen etc. Leider herrscht auch hier das Fieber noch immer. Auf den Felsen am See Fetzara herum wurde gejagt, doch von Ebern Nichts entdeckt, nur große Rebhühner und Schnepfen reichlich erlegt. Ich freute mich vorzüglich an dem Anblicke des Sees, den ich von dieser Seite und so nahe noch nicht gesehen hatte. Er ist viel größer, als ich gedacht hatte und wohl 4 bis 5 Meilen im Umkreis. Ringsherum ist ein ganz flaches Ufer, das dann erst von Bergen gefolgt wird. Nahe dem See ist es so sumpfig, daß zahlreiche Erzählungen über versunkene Jäger, über Reiter, die versanken, ohne daß man eine Spur von Roß oder Reiter wiederfand, vor dem unvorsichtigen Betreten des Ufersaums warnen. Der See ist berühmt wegen des Reichthums seiner Umgebungen an wildem Geflügel. Wichtig ist die Jagd der Grèben*, von denen man das feine Gefieder zu Müffchen, Pelzkragen etc. verwendet. Daß er übrigens von Fischen wimmelt, welche alle einer Art angehören sollen und zur Production von Leberthran verwendet werden, glaube ich schon berichtet zu haben. – Außerdem sind wir noch zur Jagd geladen worden von einem Herrn Van der Butt aus Osteende, der ca 3 - 4 Meilen nach einer anderen Gegend hin cultiviert. Er gab interessante Notizen über die hiesige Landwirthschaft und Viehzucht. Die beste Zeit zur Saat ist Ende December und durch den Januar. Auf den Bergen etwas eher, ca einen Monat. Für das Vieh ist in der That der Herbst und Wintersanfang eine schlimme Zeit. Ein Nachbar des genannten Herrn, M. Nicola, ein reicher Proprietaire, der besonders Viehzucht treibt, hat in diesem Winter ca 600 Stück Vieh verloren, ohne etwa eine verheerende Seuche, sondern wie der Belgier meint, blos in Folge der langen Sommerdürre, vielleicht dann noch in Folge des Wechsels von Dürre zu übermäßiger Nässe, bei der sie sich endlich an dem schnell aufschießenden frischen Futter überfraßen und verdarben. Gewiß würde Stallung und künstliche Fütterung in der schlimmen Zeit solchem Sterben Einhalt thun. –
Ich habe im letzten Briefe eine weitere Auseinandersetzung über Regierung und Verwaltung der Araber, über die Cheikhs und ihre Bedeutung, über einen Theil der Regierung, der die Angelegenheiten der Eingeborenen besorgt und bureau arabe heißt und andere Einrichtungen, welche von allgemeinem Interesse sein könnten (versprochen). Doch will ich dies noch bis zum nächsten Brief verschieben, da es zu viel Raum und Zeit in Anspruch nehmen würde. Ich fürchte nur, ich könnte mich leicht wiederholen, da ich begreiflicherweise nicht genau behalten kann, was ich wohl im vorigen Briefe, als was ich an meine Mutter oder Schwester geschrieben habe. Mit einer Post sende ich einen Brief an diese, mit einer folgenden an Euch und dies kann mich leicht verwirren. Dies mal war ich durch häufigere Spaziergänge und Fahrten, die das schöne Wetter begünstigte, durch den Anblick der fruchtbaren Gärten und reizenden Thäler naturgemäß auf eine derartige Schilderung hingeführt. Man kann sich wirklich des innigsten Bedauerns nicht erwehren, alle Berge nur mit dichtem Gesträuch und Gestrüpp, das aus Myrten, Dornenbüschen, Zwergpalmen, Heidekraut etc. besteht und oft völlig undurchdringlich ist, bedeckt zu sehen, während auf ihren Abhängen die reichste Fruchtbarkeit sich entfalten könnte. Hat einmal Jemand sich die Mühe genommen, das „broussailles“* zu vertilgen, so trägt auf der Stelle ohne alle weitere Cultur der Boden reichste Früchte. Vor wenigen Tagen hatten wir spazierenfahrend das Vergnügen, solche Versuche in der Nähe der Stadt zu sehen. Es war eine Pracht zu sehen, wie die Erbsen und andere Gartenfrüchte blühten und gediehen. Der Araber aber ist so träge, daß wenn ihm pflügend ein kleines Gesträuch begegnet, das er leicht ausreißen und vertilgen könnte, er ruhig darum herum pflügt, ohne es zu berühren. Die thätigeren Bergbewohner kabylischen Ursprungs aber haben wiederum die schlechtere Methode, einen Bergabhang von diesem Gestrüpp durch Feuer zu reinigen, wodurch jährlich bedeutende Brände entstehen und die wenigen ordentlichen Wälder, die es noch hier giebt, nicht selten zerstören.
Was meine Gesundheit betrifft, so bin ich zufrieden. Es scheint wirklich, als wenn eine langsame Besserung einträte.
Für heute Adieu, lieber Onkel und beste Tante! Meine herzlichsten Grüße an Euch, die Kinder, die Großmama, Lenchen, Hermann, Christiane, Julius. Möge die Letzteren reiches Glück bei der Veränderung ihres Geschäftes begleiten.
In Liebe und Dankbarkeit
   Euer Gustav

Randschrift: Wenn Du einen Augenblick Muße hast, lieber Onkel, so halte mich ferner noch etwas au fait in der heimischen Politik. Wir erfahren hier nur brockenweis durch telegraphische Depeschen, was sich zu Hause ereignet, und doch muß es interessant werden bei der bevorstehenden Kammereröffnung. – In Frankreich ist die Stimmung eine durchaus fatale und es sollte mich nicht wundern, wenn die Expedition in Mexico und die Arbeiternoth das Grab des Kaiserreiches würden.

* Haubentaucher
* Gestrüpp 


 Bône am 19ten Januar 1863
      /3 Feb

 Mein Lieber Onkel!

Wie ich es einmal angefangen habe, so will ich auch heute, als nach dem Verlauf von 14 Tagen, nicht unterlassen, Nachricht von mir zu geben, obgleich ich unter dem drückenden Einflusse eines betrübenden, schmerzenden Briefes stehe, den ich heute von Fräulein von Kobiakoff empfing. Es mag sein, daß ich weder recht noch klug gehandelt habe, als ich das Verhältniß mit dieser durch seltene Eigenschaften hervorragenden Dame abschloß, ohne genauer nach dem Beifalle Derjenigen zu fragen, die nie Rast genommen hatten, in einer solchen Frage mitzusprechen. Ich hatte mich so in die Bewunderung ihres reichen Herzens, ihres glänzenden Geistes und ihres bewunderungswürdigen, wenn auch vielleicht zu schroffen Charakters vertieft, sie war so gänzlich frei von all’ den Fehlern, die man sonst wohl bei Frauen zum Nachtheil von Familie und Haus findet, daß ich nicht daran zweifelte, sie müsse dem unbefangenen Beurtheiler, so bald er nur Gelegenheit genommen habe, Kenntniß von ihrem etwas abgeschlossenen Charakter zu nehmen, die höchste Achtung einflößen. Trotzdem ich von dem allseitigen Mißfallen, das dies Verhältniß bei der Familie hervorrief, höchlichst betroffen und unangenehm berührt war, trotzdem es mir in der That nicht gleichgültig war, in der Zukunft einen Schatten zwischen mir und meinen nächsten Angehörigen zu sehen: so war doch meine Bewunderung zu fest verwurzelt, und so war doch der anfänglich etwas laute Widerspruch meiner Mutter nicht geeignet, besonders nicht, so lange ich unter dem reizenden und aufregenden Einflusse meiner Krankheit stand, die Sache zu beendigen. Vielmehr war ich so fest von der beglückenden Zukunft der Sache überzeugt, daß ich deren drohenden Schatten bei weitem nicht in seiner ganzen Größe würdigte, daß ich niemals mit einem Gedanken daran dachte, ein Verhältniß, das mich trotz der Inconvenienzen an und für sich so gänzlich erfüllte und beglückte, aufzugeben. Die materiellen Aussichten, wie ich sie Euch mitgetheilt habe und wie sie Euch schon nicht genügten, hatten damals wahrhaftig weniger Einfluß auf mich, als vielleicht vernünftig war: ich weiß mich in dieser Angelegenheit wahrlich und gewiß von niedrigem Speculationsgeiste frei. Mit meiner wiederkehrenden Gesundheit und dem damit verbundenen Gleichgewicht des Gemüths konnte ich mich allerdings einer richtigeren, weil ruhigeren Würdigung der Angelegenheit nicht verschließen, sondern empfand den Mißstand meiner Familie gegenüber viel lebhafter als früher und konnte die Hindernisse, welche sich der Beendigung noch entgegenstellen würden, besser nach ihrem wahren Werthe schätzen. Diese waren natürlich zumeist materieller Art. Ich hatte meiner Mutter mit lebhaftem Widerstreben versprochen, eine Heirath bis zur größeren Befestigung meiner jungen Kräfte hinauszuschieben, doch ihr das volle Jahr, das sie als Aufschub verlangte, nicht zugesagt. Der Dame hatte ich die Aussicht gelassen, nach einem halben Jahr, wenn ich in der Fremde die Verhältnisse sondirt und mich dort festgesetzt hätte, an eine Vereinigung zu denken. Mein Gott, ich dachte es mir leichter, in der Fremde zu reussiren. Mit den Mitteln, die von seiten ihrer Eltern in Aussicht gestellt waren, würde es sowohl hier als auch zu Hause nicht thunlich sein, ohne Praxis zu existiren. Ich mußte also die Begründung einer Existenz nach Wiederherstellung meiner Gesundheit mehr in den Vordergrund stellen, als ich es der Dame gegenüber, die von dem Plane ohnehin schon schmerzlich genug berührt war, während meiner Anwesenheit in Europa zu thun wagte. Es ist doch in der That keine ungewöhnliche Erscheinung, daß man mitten in der Aufregung der Liebe, der Krankheit, des Widerspruchs, die Hindernisse unterschätzt, die Arrangirung der complicirtesten Verhältnisse für leichter ausführbar hält, als sich bei ruhiger Überlegung herausstellt. Daß Fräulein Zenaide in ihrer Ungewöhnlichkeit auch natürlich Eigenschaften besaß, die wohl dem ruhigen, häuslichen Glücke und Wohlbefinden nicht gerade förderlich waren, habe ich bisweilen dunkel gefühlt, aber erst in der neuesten Zeit mir zu gestehen gewagt. Und als ich dieser gedachte, drängte die reiche, feste Liebe, die geistigen Genüsse, welche ich mir aus dem Umgange eines so hochgebildeten Geistes versprach und welche ich dagegen in die Waagschale legte, jene Gedanken stets wieder zurück. Genug, ich kann nicht leugnen, daß ich, ruhiger, wie ich geworden war, mit der Nothwendigkeit, erst eine Existenz zu haben, der fernen Aussicht dieser Erfüllung, und des fast sicheren Mißverhältnisses den nahestehenden Angehörigen gegenüber, öfters gedacht habe, es wäre wohl besser gewesen, wenn ein früherer starker Ausbruch meiner Krankheit mich an der Knüpfung dieses Verhältnisses gehindert habe. Daß meine Briefe von hier aus den Stempel des Zweifels an der baldigen und erwünschten Arrangirung unserer Pläne nicht verleugnen konnten, wird Euch erklärlich scheinen. Ich fühlte mich ihr gegenüber gedrückt und verhehlte es ihr nicht; ich sagte ihr endlich, daß ich aus den und den Gründen zweifele, daß wir in der von mir in Aussicht gestellten Zeit unsere Zukunft vereinigen könnten und daß mich dies Bewußtsein ihr gegenüber drücke. Ich bin endlich so wenig gewohnt, bloße Redensarten zu machen und Gefühle zu heucheln, daß ich den Eindruck des Entsetzens und des Schauderns, der mich noch jedesmal bei dem Gedanken an den verflossenen Sommer und die nur Wenigen bekannten Qualen und Leiden, die ich damals erduldete, überfiel, in meinen Briefen nicht ganz unterdrücken konnte. Ich schrieb regelmäßig an sie nach Kissingen und erhielt im Ganzen nur 2 Briefe von ihr, den letzten einige Wochen vor Weihnachten. Doch schrieb ich dies bis ganz zuletzt der Laune zu, mich nicht mit beständigen Klagen und Ausbrüchen der Unzufriedenheit langweilen zu wollen. Endlich erhalte ich heute einen Brief, der mich in den härtesten, furchtbarsten Ausdrücken beschuldigt, von Anfang bis zu Ende eine Comödie gespielt zu haben, der mir vorwirft, schon im Sommer, da mir die Aussicht auf ihr Geld nicht glänzend genug erschienen sei, meine Krankheit geheuchelt zu haben, der meine Reise nach Afrika, Alles, Alles für Täuschung, Berechnung, Comödie erklärt! O Gott, wie furchtbar muß ihr Schmerz sein, wenn er ihre Feder zu solchen Beschuldigungen hinreißen, ihren Kopf zu solchem Zorne bringen konnte! In einer solchen Weise, mit vollster Verachtung von dem edelsten Herzen verabschiedet zu werden, schmerzt unendlich! Ich kann sie nur bewundern und unendlich hochachten und mir bleibt doch nur das Bewußtsein, ihren Haß und ihre Verachtung geerntet zu haben. Wenn ich auch mehr und mehr damit einsehe, daß solche energischen, schroffen, exaltirten Charaktere nicht geeignet sind, friedliches Glück zu schaffen, so ist doch der Gedanke, ihre Achtung gänzlich verloren zu haben, furchtbar, niederdrückend, quälend. Und wohin mag sie ihren Schmerz und ihre Verachtung getragen haben? „Das Meer sei zwischen uns auf ewig!“ sagt sie, und Entschließen und Handeln ist eines bei ihr.
Verzeih, wenn ich heute Nichts weiter schreibe und überhaupt zu schreiben habe; doch ich muß mich zu jemand aussprechen, und ich habe doch niemand hier. –
Meinen Gruß an Euch Alle!

Eins muß ich noch erwähnen, da ich hier täglich daran erinnert werde. Ich will hoffen, daß der Dr. Garthe oder Dr. Bodinus wegen des zoologischen Gartens bis zur nächsten Post Antwort, resp. Aufträge, zu Theil werden lassen. Es sind einige hübsche Thiere hier, die noch aufgehoben werden, bis ich Nachricht habe. Was irgend hier zu haben ist, kann ich billiger liefern, als sie es irgend sonst bekommen können. Vor ca 8 Tagen hat man wieder mehrere junge Löwen in der Nähe gefangen. Doch kann ich nicht allein solche beschaffen, sondern was es hier nur in der Wüste oder in Aegypten oder sonst in Nordafrika giebt. Seid nochmal gegrüßt und erfreut mich bald mit einem Briefe, der meine Sicherheit und Ruhe befördert und der die Kammer-Session und ihre Aussichten berührt, der sorgfältigsten Familien-Nachrichten nicht zu vergessen.  Adieu!
   Euer
     Gustav.
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Von der Heimfahrt weiß ich nicht viel zu berichten. Ich könnte die wilde einsame Gegend nur noch wieder schildern, die Seeen, die man unterwegs antrifft oder ihren Reichthum an Enten, Gänsen und tausend andern Arten wilden Geflügels. Die Belebtheit der Wiesen von Kiebitzen, Ochsenhütern, Reihern etc. Die kleinen Araberdouars*, den Kampf mit Araberhunden, in dem ich einen erschlug und andere unbedeutende oder schon beschriebene Vorkommnisse. Doch bin ich vielleicht schon in der Beschreibung der Familie Robert zu weitschweifig gewesen. Ich dachte nur, es müßte interessant sein, das Leben einer auf sich selbst angewiesenen Familie, die noch dazu ihre Heimath so nah der unsrigen hatte, Euch vorzuführen.
Nun lebt aber wohl! Die Beschreibung und Auseinandersetzung des bureau arabe und der Spahis, die das vermittelnde Element in der Herrschaft der Franzosen über die Araber bildet, bleibe ich Euch noch schuldig.
Grüßt die Großmama und die Kinder, Lenchen und ihre Kinder, Hermann und Christiane und die ihrigen, Carl und seinen Vater, und erfreut mich bald durch ein Zeichen Eurer Liebe und Theilnahme, in dem Ihr Eurer allseitiges Wohlbefinden mittheilt. – Adieu, lieber Onkel, beste Tante!
Wenn ich bitten dürfte, den Dr. Garthe noch einmal zu erinnern. Es ist jetzt, wo der Winter in seiner 2ten Hälfte steht und die Nahrung nicht mehr so reichlich ist, die beste Gelegenheit, die Thiere einzufangen.

Noch einmal, adieu! und schreibt mir mit der nächsten Post, ich bedarf Eures Zuspruchs.
    Euer Gustav.
 

* Douar: Beduinendorf 


   Bône am 26sten Januar 1863

Meine Lieben!

. . . (16 Zeilen durchgestrichen und unleserlich gemacht)
Mit meiner Gesundheit bin ich zufrieden, der Nachlaß des Hustens ist in der letzten Zeit beständiger gewesen und ein längerer Aufenthalt in günstiger Luft, glaube ich wirklich, wird die Lungen wiederherstellen. Auch ist das gute Wetter der letzten Zeit nur selten durch Regen und Wind gestört worden.
Zwei Tage der letzten Woche habe ich zu einer kleinen Fußreise verwendet, theils um meine trüben Gedanken zu zerstreuen, theils im Interesse des zoologischen Gartens, über den ich auch heute leider Nichts gehört habe. Ich hörte, daß 6 Stunden von hier, nahe am Ausflusse der Mefrag, die sich in der angegebenen Entfernung nach Osten hin von Bône ins Meer ergießt, der Fährmann, welcher die Passage nach La Calle zu unterhalten hat, im Besitze drei schöner Tigerkatzen sei, die jedenfalls für einen Spottpreis zu kaufen seien. Ich machte mich eines Morgens früh auf, folgte dem Ufer des Meeres, um auf diese Weise sicher den Weg nicht zu verlieren und zugleich Muscheln, Schwämme und andere Seegeschöpfe suchen zu können. Ein kräftiger Hund und ein Revolver bildeten meinen Schutz, eine gute Karte der Gegend meinen Wegweiser, wenn ich später den Landweg einschlagen würde. Es ist dies sehr nothwendig, denn die Gegend ist um Bône, besonders in östlicher Richtung, vollständig wüst und europäischer Cultur fast ganz baar; der Weg wird von zahlreichen Araberpfaden nach allen Richtungen hin durchkreuzt und die Araber, welche man antrifft, sind zu gleichgültig und uninteressiert, einem Fremden, wenn sie ihn nicht gleich verstehen, den Weg zu zeigen oder sich durch Zeichen verständlich zu machen. Nicht unbedenkliche Feinde aber für den gänzlich Unbewaffneten sind die Araberhunde, deren ich wohl früher schon Erwähnung getan habe. Sie sind von der Größe und Gestalt des Schakals, gelblich weiß, furchtbar boshaft und bissig und sind die unvermeidlichen Bewacher jedes Zeltes, jedes Gonsbi. Mit so furchtbarem Geheul sie auch auf den Fremden losfahren, mit so leichter Mühe sind sie aber in die Flucht zu schlagen, wenn man bewaffnet ist. Hätten sie einen aber erst gebissen, so bin ich überzeugt, würden sie einen auch zerreißen. Von allen diesen Fährlichkeiten traf ich auf dem Hinwege Nichts an, da ich am Ufer des Meeres wandelte, das nur von einigen Möwen, Seeschwalben etc belebt war. Keine menschliche Seele traf mein Auge auf dem ganzen Wege an, selbst die Seevögel wurden seltener mit der Entfernung von Bône, die Einsamkeit wirklich vollständig, fast drückend. Stets derselbe Anblick: links das weite Meer, rechts die Sanddünen, bedeckt mit spärlichem Gestrüpp, in der Ferne, nach La Calle zu die blauen Ketten der Gebirge; stets dasselbe Geräusch der sich brechenden Wogen und meiner eigenen im Sande knirschenden Schritte. Auch dem Hunde schien diese vollständige Stille und Einsamkeit etwas drückend zu werden, er schlich von Viertelstunde zu Viertelstunde trübseliger hinter mir her. Seine Excursionen nach den Seiten hörten bald ganz auf. Von Zeit zu Zeit erstieg ich, um etwas Abwechslung zu haben, die Dünen, durchstrich die niedrigen Büsche derselben und sah dann wenigstens einige Schakale entfliehen, oder einige Aasgeier sich, von ihrem Mahle aufgeschreckt, in die Lüfte erheben. Endlich, nach Mittag, sah ich in der Ferne die Mündung der Mefrag. Die Dünen wurden höher und höher, verloren nach und nach ihren sandigen Charakter, ihre Vegetation wurde üppiger, die ganze Gegend wilder. Der Fluß hatte am Ende seines Laufes etwa die Breite des Mains, seine Tiefe soll hier beträchtlich sein. Ein schmaler Ufersaum erlaubte mir zwischen Bergen und Fluß vorzudringen und schon nach einigen hundert Schritten sah ich die Fähre, welche ich suchte, nahe vor mir. Vergebens suchte ich zwar nach einem Dorfe, von dem ich immer gehört hatte; ich passirte 2 oder 3 aus Schilf construirten Hütten, die kaum die Solidität arabischer hatten, und vor denen einige Fischernachen angebunden waren. Ihre vor der Tür sitzenden Herren trugen das unverkennbare Gepräge der Malteser. Nahe der Fähre jedoch erhob sich ein sauber geweißtes Haus, aus 2 Stockwerken bestehend, das ein durchaus cultivirtes Aussehen hatte. In der Nähe grasten ganz ruhig eine große Ziegenheerde und Schafe und Schweine harmlos durcheinander. Die Annäherung eines Menschen kümmerte sie wenig; vielmehr zeigten sie die harmlose Ursprünglichkeit im Verkehr mit den Menschen, wie man sie hier bei allen Thieren viel mehr findet, als zu Hause, und wie sie gewiß im Paradiese im allerhöchsten Maaße bestand. Einige Araber saßen neben ihren Thieren mit gekreuzten Beinen an der Erde und warteten der Ueberfahrt. Bei meiner Annäherung trat aus dem Hause ein Mann mit vollem schwarzem Barte, über mittlerer Größe, kräftigen, selbstbewußten Aussehens, eine ächte Hinterwäldlererscheinung. Statt des rechten Vorderarmes, der abgenommen war, trug er einen großen eisernen Haken, der mit Bandagen am übrigen Arme befestigt war und ihm als Hand diente. Auf meine Frage nach Mefrag, dem Dorfe etc, sah er mich scharf an und fragte dann im reinsten Coblenzer Deutsch, wo ich denn vom Meere her komme etc. etc. Seine Freude, einen wirklichen Deutschen, und zwar vom Rheine, zu treffen, war unverkennbar und erzählte gleich, daß seine Frau eine Württembergerin sei und daß alle Kinder Deutsch sprächen, und obgleich keins in der Heimath geboren sei und seine Frau Zeit ihres Lebens in Algier gewesen wäre. Und der Mann war nicht einmal ein Deutscher, sondern aus der Gegend von Forbach, ist vom 11ten Jahre an in Koblenz bei einem Onkel (wenn ich nicht irre, Tuchhändler Hahn) erzogen worden, da es seinem Vater schlecht ergangen sei. Wie er habe Soldat werden müssen, sei er nach Algier gekommen und hätte dann dort seine Frau kennen gelernt und geheirathet (sein ältester Sohn ist 16 Jahr). Noch einmal zu seiner Mutter nach Paris zurückgekehrt, habe es ihnen dort nicht gefallen und sei um 1848 herum besonders der Verdienst mangelhaft gewesen. Seit 49 ist er wieder hier, ist erst in den Minen angestellt gewesen, hat dort den Arm verloren durch eine Explosion; man hat ihm darauf diese Fähre als Posten gegeben und er unterhält dabei einen Gasthof, der ziemlich frequentirt ist durch die Reisenden von Bône nach La Calle, hat große Heerden und hofft, noch eine kleine Concession in dieser einsamen Gegend zu bekommen, um nicht blos auf Viehzucht beschränkt zu sein, sondern auch Ackerbau betreiben zu können. Er hofft sein Leben hier zu beschließen und würde mit der kleinen Concession und, wenn seine Kinder das Fieber nicht hätten, ganz zufrieden sein. Seine Kinder kamen darauf, Knaben von 11 und 9 Jahren und kleine Mädchen von 4 und 5 Jahren, allerliebste Kinder, besonders die letzten. Sie freuten sich außerordentlich über mich und mein deutsches Aussehen und über den Hund der „Waldmann“ hieß und so wenig den Araberhunden ähnlich sah. Im wunderbarsten Deutsch, in dem sie mich bald „Du“, wie die Araber, bald „Sie“, wie die Deutschen, bald „Ihr“, wie die Franzosen, anredeten, und in dem alle Augenblicke ein französisches, arabisches, maltesisches Wort zu Tage kam, suchten sie mich zu unterhalten und ihre Freude auszudrücken. Der älteste Sohn, augenscheinlich der Stolz des Vaters, denn er erzählte mir stets von seiner Größe, Stärke, Gewandheit im Fischen, Bootfahren, auf der Jagd, in der häuslichen Arbeit und von seiner Freude an lebhafter Thätigkeit, war zu Schiffe nach Bône, um eben die Tigerkatzen zu dem Director des hiesigen Acclimatisationsgartens zu transportiren. Der Vater hatte sie länger nicht behalten wollen, da eine über Nacht ausgebrochen war und eine Menge Hühner umgebracht hatte. Es war interessant und rührend, wie der Vater seine Sorge um den Sohn, der schon am vorigen Tage nach Bône gegangen war, ausdrückte. Bald äußerte er, daß der Junge doch recht gut seine Geschäfte besorgt haben könnte, bald sah er wieder den Himmel an und sprach von drohendem Wetter; dann ging er wieder hinein, um der Mutter zu beweisen, daß er eigentlich nicht über die Zeit geblieben sei; dann erzählte er wieder von den vielen Unglücksfällen, welche Jahr aus, Jahr ein nach La Calle zu passirten: doch mit keiner Silbe äußerte der rauhe Mann, daß er wirklich so besorgt sei, wie der genaue Beobachter merken konnte. Erst seine zunehmende Unruhe, das häufige nach der Uhr sehen, endlich aber das glückliche Lachen, als das Boot an der Mündung der Mefrag erschien und die freudige Stimme, mit der er die ganze Familie zusammenrief: „Der Sohn ist wieder da! Der Sohn ist wieder da!“ bewieß seine und der Seinen zärtliche Besorgniß. So einsame Leute sprechen weniger, besonders in der Mitte einer Bevölkerung, welche auch nicht übermäßig redselig ist, werden aber sinniger, nachdenkender, oft über ihren Bildungsgrad weit hinaus. Der Sohn war eine offene, heitere Natur, lebhaft, thätig, der kaum angekommen, die neuen Provisionen aus dem Boote schaffte: Mehl, Wein, Branntwein etc. etc. und unmittelbar darauf mit mir eine Stunde weit den Fluß hinauffuhr, um mir das Aufstellen der Fallen zum Einfangen der Tigerkatzen zu zeigen. Mit lebhafter Freude lehrte er mich die Spuren des Wildschweins, des Schakals, der Tigerkatze, der Manguste unterscheiden, die alle in dieser von Menschen selten betretenen Gegend unverwischt bunt durcheinander im Sandboden nahe dem Flusse zu verfolgen waren. Die Tigerkatzen fängt man am besten mit Fischen, die sie leidenschaftlich lieben. Als wir zurückkamen, war der Abend da und die Gesellschaft vermehrt durch einen Ochsenhändler und einen Araber, der sich einmal vortheilhaft von denen gewöhnlichen Schlages unterschied. Seine hohe Gestalt, sein ernstes regelmäßiges Gesicht mit dem schönen schwarzen Barte und den dunklen Augen zeigte in der That die Würde, die man dem „stolzen Sohn der Wüste“ bei uns immer zuschreibt und die ich so oft vergeblich gesucht habe. Wir hatten ein gutes Diner, zu dem der Fluß den Fisch und das Wasserhuhn geliefert hatte, dem aber der Araber nur zum allerkleinsten Theile zusprach. Er begnügte sich mit der Mäßigkeit, die seine Nation karakterisirt, mit einer Omelette und einigen Nüssen, natürlich auch unseren Wein verschmähend. Der Fluß, fällt mir noch ein, hat so viel Fische, daß die Araber mit großen Säbeln sie erschlagen, was ich selbst gesehen habe. – Den ganzen Abend hindurch erzählte der Hausherr Geschichten aus Coblenz und Bonn und von den Ufern des Rheins: der unglückliche Ochsenhändler mußte immer zuhören. Er erging sich in die größten Detailschilderungen von Straßen, Häusern, Zuständen und Leuten, hatte Nichts vergessen, keinen Namen seiner Gespielen, keinen Apfel, den er gegessen, keinen Platz, wo er gespielt, keinen Streich, den er begangen hatte. Er beschrieb mit der größten Lebhaftigkeit dem Ochsenhändler und dem Araber Ehrenbreitstein, die Karthause, die Stärke der Festung, den stolzen Rhein, den Lauf der Mosel, den Reichthum der Städte, die Heiterkeit, die Billigkeit des Landes und seiner Bewohner, die Reihe von Bergen, alle mit Wein bepflanzt: fortwährend dabei an mich appellirend, der es nicht über das Herz bringen konnte, seine öfteren Unrichtigkeiten (seit 1835 bis 1845 mag sich Manches geändert haben!) als solche zu bezeichnen. In den Herzen des Ochsenhändlers und des Arabers stieg die Idee eines glücklichen Landes auf, das solche Provinzen besitze, Preußen schien ihnen ein großes, mächtiges Land, und sein Abglanz fiel auf mich zurück. – In der Nacht hatte ich ein sehr gutes Bett, stand am Morgen um 6 Uhr auf, der Araber und der Ochsenhändler waren schon bei ihren Thieren beschäftigt, wir tranken Kaffee zusammen und dahin zog der Ochsenhändler, mit einem weißen Burnus wie ein Araber, nach Bône zu; der Araber in gemessenem Schritte seines Maulthieres bewegte sich wieder seinem Douar mit Würde entgegen, und ich pilgerte auf meinen Füßen wieder in meine momentane Heimath. Schwer trennten sich die Kinder von Waldmann, der so wenig „Ähnlichkeit mit einem Araberhunde“ hatte, und nachdem sie vergeblich versucht hatten, den Vater zu bewegen, doch in einen Handel mit mir über den Hund einzutreten.
Randschrift: Der Platz ist schon wieder zu Ende und ich habe doch so klein und so schlecht geschrieben als nur möglich. Verzeiht dies mir; ich verfalle zu leicht in diesen Fehler und nehme mir augenblicklich vor, es das nächste Mal besser zu machen. Die Fortsetzung folgt in dem Briefe von vor 8 Tagen. Ich hatte den Briefbogen auseinandergerissen, weil ich glaubte, daß das, was ich hinzufügen wollte, nur den Raum zweier Octavseiten einnehmen würde. Und nun bin ich noch nicht einmal mit meiner kleinen 2tägigen Excursion zu Ende gekommen.


                            Bône am 2ten Februar 1863
 Meine sehr geliebte Tante!
Ganz gegen meine frühere Gewohnheit ergreife ich schon wieder die Feder, um Euch einen Beweis meiner steten Erinnerung an Euch zu geben. Da ich keinen Augenblick Muße habe, so würde ich sicherlich heute noch nicht wieder geschrieben haben, wenn mein Gedächtniß mir nicht sagte, daß Dein Geburtstag in diese Zeit fällt. Verzeihe, daß ich wieder den Tag* nicht mehr behalten konnte, sondern sei überzeugt, daß meine Glückwünsche deswegen nicht weniger herzlich gemeint sind. Entschuldige auch deshalb, wenn ich mich diesmal auf diesen eigentlichen Zweck des Briefes beschränke, wie gesagt, ich bin außerordentlich pressirt, da mir die Administration der Brücken- und Wegebauten für 4 Tage ihre Register der gemachten meteorologischen Beobachtungen seit 3 bis 4 Jahren geliehen haben, die ich während dieser Zeit copiren oder doch gründlich excerpiren soll; eine Arbeit, die für die genannte Zeit colossal ist und mir kaum die Zeit zu den gewohnten heilsamen Spaziergängen läßt.
Mögest Du Deinen Geburtstag, liebe Tante, so vergnügt und heiter feiern, wie Dich das Gefühl des ersten seit Jahren gesund verbrachten Winters wohl berechtigt; so glücklich, wie Dich an solchen Tagen besonders die zahlreichen Beweise der Liebe und Dankbarkeit und Verehrung in und außer der Familie gewöhnlich machen. Ich möchte wohl den Tag wissen und habe ihn früher schon zur Unterstützung meines Gedächtnisses aufgeschrieben; doch hat das gar Nichts genützt, da ich nun den Ort vergessen habe, an dem diese Notiz aufbewahrt ist. Indessen ist es besser, mein aufrichtiger, herzlicher Wunsch für Dein Wohlergehen in dankbarer Liebe kommt etwas zu früh, als umgekehrt. – Auch der Geburtstag von Fräulein Sophie fällt in diese Zeit, und solltet ihr schreiben, so bitte ich, ihr auf diese Weise meine Gratulationen zukommen zu lassen.
Eigentlich erwartete ich heute, als am Tage der Post von Frankreich einen Brief von Coeln, und ich werde mit der Zeit, wie meine Mutter, d. h. ich denke sofort, wenn ein erwarteter Brief auf sich warten läßt, daß Krankheit die Ursache des Aufschubes sei. Ich hoffe bestimmt am nächsten Montage günstige Nachricht von Euch zu erhalten und betreffs des zoologischen Gartens ebenfalls etwas zu hören.
Was mich anbetrifft, so kann ich nicht gerade klagen; die Witterung ist prachtvoll, wenn auch bei diesem schönen Winterwetter die Temperatur Nachts zu tief herunter steigt. So hatten wir heute Morgen 5° und heute Mittag 12½° R, das macht eine Differenz von 7° und mehr und erfordert schon Vorsicht. In Folge dessen habe ich mich auch vor einigen Tagen erkältet und mir einen unbedeutenden Katarrh zugezogen, welcher noch nicht verschwunden ist.
Ueber die ganze Krankheit bin ich in eine mich sehr interessirende Correspondenz getreten mit meinem Lehrer, Prof. Niemeyer, in Tübingen. Derselbe hat schon eine Reihe von Fällen gesammelt, die durch ihre Abweichung von einer anderen Reihe, und zwar der gewöhnlichen, von Schwindsuchtfällen den Beweis liefern sollen, daß den Verschiedenheiten verschiedene Krankheitszustände zum Grunde liegen, daß nur der einen Reihe die gefürchtete Tuberkulose zur Ursache dient, daß zwar beide zur Schwindsucht führen können, daß aber die eine Art (die nicht auf Tuberkulose beruht) in ihren früheren Stadien gewiß heilbar sei. Dies erklärt auch eine große Reihe von verschiedenen Beobachtungen, die ich gemacht und die mir viel Kopfbrechens gemacht haben, und den so sonderbar verschiedenen Verlauf, den bei verschiedenen Individuen die genannte Lungenkrankheit nimmt. Ich würde zur günstigeren Art gehören, die durch Clima und verständige Lebensweise zur dauernden Gesundheit gebracht werden können. Ich hatte, ohne seine Ideen zu kennen, meine Bedenken über den Krankheitsverlauf ihm mitgetheilt, und, da er sich gerade mit dieser Frage beschäftigt, so kam ihm dies äußerst erwünscht, und er hat als Beleg für seine Ansichten schon öfters meine Briefe in der Klinik vorgelesen.
Von meiner Mutter habe ich heute einen Brief bekommen. Sie hat einen Fieber-Anfall gehabt und in Folge dessen ein geschwollenes Bein, sonst geht es Allen gut. Doch ist der Vater meines Schwagers noch immer sehr weit von seiner Herstellung entfernt.
Adieu, für dies Mal, verehrte Tante! Ich will diesen Brief als einfachen Gratulationsbrief nicht rechnen und, da/wenn es Euch Vergnügen macht, von Land und Leute zu hören, in 8 Tagen wieder schreiben. Grüße den Onkel und versichere ihn meiner Liebe, vergiß der Großmama nicht meinen Respect zu melden und grüße die ganze Familie in ihren einzelnen Gliedern herzlich von mir. Empfiehl mich bekannten Familien!
    Dein
      Gustav.

Welchen Unterschied macht man wohl in Coeln im Handel zwischen Apfelsinen und Orangen? Ich möchte wohl darüber Etwas hören.
  Euer G.

* 19.03.1806


Bône am 10ten Februar 1863
    /17.
  Meine Lieben!
      Meinem Versprechen gemäß, den Gratulationsbrief nicht rechnen zu wollen und veranlaßt durch Deinen lieben Brief vom 3ten d. M. will ich die kurze Zeit heute vor Abgang des Couriers noch benutzen, um Euch einige Zeilen zu senden, wenn ich auch seit meinem Spaziergange nach der Mefrag weder eine Excursion gemacht noch überhaupt Etwas erlebt habe, was der Beschreibung würdig wäre. Ich habe vielmehr sehr energisch in der Bewältigung des meteorologischen Materials, das ich mir, wie ich glaube geschrieben zu haben, verschafft hatte, zu thun gehabt und bin froh, daß ich mit all’ den Zahlen fertig bin, wenigstens für die Stadt Bône. Es handelt sich jetzt darum, dasselbe noch für andere Städte der Provinz, für Constantine, die Hauptstadt, und Guelma und Philippville zu erlangen, von denen die ersteren beiden eine viel höhere Lage haben und als mehr von der See entfernt zweifelsohne viele Abweichungen von den hiesigen Resultaten bieten werden, die für die Bestimmung des Klimas in sanitätlicher Hinsicht nicht unwichtig sind. Es macht alles viel mehr Mühe, als man glaubt, nicht sowohl die Arbeit selbst, als die Beschaffung des Materials. Man macht Visiten über Visiten zu diesem Zwecke und stößt meistens auf solche Gleichgültigkeit in allen wichtigen Dingen, daß man gleich an der passenden Beihülfe verzweifelt. Die Ingenieure des Brücken- und Wege-Baues, wie gesagt, scheinen die einzigen Beamten zu sein, die nicht allein gut unterrichtet sind, sondern, die auch den guten Willen und die Redlichkeit haben, ihr Amt energisch und pflichtgetreu zu verwalten. Es ist dies erklärlich, denn man nimmt zu diesen Ingenieuren die besten Eleven der polytechnischen Schule, welche in den Prüfungen etc. die ersten Nummern erhalten, die übrigen werden dann Officiere etc. Auch leisten sie praktisch, wie ich vielleicht schon erwähnt habe, noch am meisten. Die Straßen sind im Allgemeinen gut und wenn ich bedenke, wie noch vor 2 Jahrzehnten die Hauptlandstraßen von Magdeburg aussahen, so muß ich die Chausséen bewundern, die man sofort erbaut, wo nur immer einige Ansiedlungen sind. Freilich erfordert die leichtere Verwaltung des Landes, besonders früher, einen regen Telegraphendienst und gute Militairstraßen und ein Haupttheil der anerkennenswerthen Zustände beider kommt vielleicht auf diese Nothwendigkeit. Doch sind sie immerhin da.
Was die Verwaltung des Landes anbetrifft, die Herrschaft über die Eingeborenen, die Verhandlungen mit ihnen, die Kenntniß ihres Wohnorts etc., so wird Alles vermittelt durch das „bureau arabe“, welches ich schon oft erwähnt habe und über das ich endlich noch einige Erklärungen geben muß. Das Bureau arabe ist eine halb militärische, halb civile Behörde, ursprünglich und noch vorherrschend ist das militärische Element. Das Bureau arabe allein kennt die Douars (Dörfer), die Tribus (Stämme), ihre Seelenzahl, ihre Ortslage, ihre Gesinnung etc. etc. Das Bureau allein ist das verbindende Element zwischen den Eingeborenen und den Eroberern. Es ist zusammengesetzt aus Officieren und einigen civilen Elementen und genießt das relative Vertrauen der Eingeborenen dadurch, daß es eingeborene Beamte ebenfalls hat. Durch das Bureau arabe werden die Kaïds und Cheikhs ernannt [von denen Ihr Euch erinnern werdet, daß die ersteren die Befehlshaber der Tribus, letztere die von Theilen der Tribus sind, und sich amtlich durch die Farbe ihres Burnus (scharlach und purpur) unterscheiden], wenn auch unter Mitwirkung der wählenden Eingeborenen. Doch letzteres macht keinen Eindruck, da bei der ganzen ursprünglichen aristocratischen Verfassung der Araber derartige Würden fast erblich sind bei ihnen. Das Bureau arabe hat also Nichts zu thun, als sich die „Söhne der großen Zelte“, die Anspruch auf der artige Würden haben, zu sich zu ziehen, sich zu verpflichten und später dieselben unter Zustimmung ihrer Tribus und Douars als Kaïds etc. zu installiren. Das Bureau hat eine außerordentlich große Zahl von Arabern sich zur Dienstvermittlung attachirt, die meist einigen Einfluß zu Hause haben und wohl vertheilt aus allen Gegenden des Bezirks des betreffenden Bureau zusammengesucht werden. Sie heißen Spahis und tragen blaue Burnus zum Unterschiede von den militärischen Spahis, von denen ich gleich reden werde und welche rothe Mäntel tragen. Die Araber unterziehen sich gern einem solchen Dienste, weil sie vor allem etwas kriegerisches Aussehen sehr lieben und eine gewisse äußere Wichtigkeit. Sie sind außerordentlich brauchbar für ihren Dienst und ersetzen in vielen Fällen den Telegraphendienst, da sie mit einer unglaublichen Geschwindigkeit die riesigsten Entfernungen zurücklegen. Bei seiner Ehrfurcht vor Geschriebenem und vor Leuten, welche der Kunst des Lesens und Schreibens kundig sind, ruht ein Spahis nicht eher, verläßt er den hochlehnigen Sattel und die sonderbar geformten Steigbügel seines Rosses nicht eher, bis die Besorgung gemacht ist; und man erzählt die abenteuerlichsten Vorkommnisse, wie ein Spahis weder Löwen noch Panther noch übergetretene, reißende Flüsse scheute, um an den Ort seiner Bestimmung zu kommen und einen Brief abzugeben. Man sieht sie nur Galopp reiten und es ist eine interessante Erscheinung, auf einem stillen Felde einem dahinsprengenden Spahis zu begegnen mit seinem weit hinflatternden blauen Mantel, schön contrastirend mit dem weißen Haïk auf seinem Kopfe und seiner weißen Umhüllung, seine geliebte Mukala (Gewehr) quer vor sich auf der hohen vorderen Sattellehne liegen. Ihre Beine stecken stets in langen, bis zum Knie reichenden, rothen Marocain-Stiefeln, die Füße tragen über diesen noch die gewöhnlichen, weiten Schuhe.
Die rothen Spahis sind militärisch organisirt und bilden wirkliche einheimische Reiterregimente, die außerordentlich schön aussehen. Die Eingeborenen lieben allen Prunk, besonders kriegerischer Art, so sehr, sind solche Freunde des „sprechenden Pulvers“, daß Viele aus diesem Grunde Dienste nehmen. Es sind lauter vornehmere Leute, welche in diesen Regimentern dienen, die auch verpflichtet sind, sich selbst zu equipiren und zu unterhalten. Die ärmeren und gewöhnlicheren Eingeborenen treten bisweilen, wenn sie ihre Neigung zu Schießgewehren nicht mehr zügeln können, in Turco-Regimenter, die zwar aus lauter Eingeborenen bestehen, doch kaum aus Arabern, sondern mehr aus europäischen Abkömmlingen, aus Mischvölkern, aus Negern und Halbnegern etc. etc.
Die Eingeborenen werden auch Officiere in ihren Spahis-Regimentern, doch ist das Avancement selten, weil sie selten instruirt genug sind. In Algier wohnt General Yonfront, welcher ein seltenes Beispiel solchen Avancements bildet und stets angeführt wird.
Dies ist ein Überblick über die Thätigkeit oder Organisation des bureau arabe, das der Araber, glücklicherweise für die Franzosen, noch als seine Behörde reclamirt.– Liegt ihm etwas auf dem Herzen, bedarf er der Unterstützung und des Rathes, so eilt er zum bureau arabe, weil die Söhne seiner angesehendsten Familien bei demsselben angestellt sind. An das bureau arabe oder durch seine Vermittlung bezahlt er seine Steuern, empfängt er alle Befehle etc. etc. Dem Bureau arabe endlich gelingt es bisweilen, die Persönlichkeit einzelner Individuen festzustellen, z. B. vor Gericht. Ein Araber weiß niemals, selbst der den besseren Classen angehörende nicht, wie alt er ist, sondern gewöhnlich rechnen die älteren nach den Vorkommnissen während ihrer Kämpfe mit den Franzosen. Also hier um Bône bildet die Einnahme von Bône einen passenden Anhaltspunkt. „Die Franzosen waren noch nicht in Bône, oder als die Franzosen nach Bône kamen, wurde ich geboren oder war ich so oder so groß“ etc. etc. Eben so wenig verständlich geben sie auf Befragen ihren Wohnort an: „O dahinten (nach der Richtung deutend) Ak“! „Weit“ u.s.w. u.s.w. Dann wird das bureau arabe in Thätigkeit gesetzt, recherchirt den Namen des Stammes, sucht ihren Douar etc. etc.
Ich schließe diese Uebersicht, um noch einmal auf den zoologischen Garten zurückzukommen. Voraussichtlich wird die Antwort einlaufen, wenn die Zeit, sich in den Besitz von Thieren zu setzen, vorüber ist. Wenn es nicht aus Interesse für Cöln wäre, würde ich mich darum nicht mehr kümmern. Ich kann mir ihre Bedenklichkeiten wohl ausmalen. Sie überlegen also: „Ja, kaut noch der Dr. N. genug daran, um nicht fortwährend Täuschungen, Betrügereien etc. ausgesetzt zu sein. Ferner: „Wenn die Thiere auf dem Transport sterben, wen sollen wir dafür verantwortlich machen?“ u. dergl. mehr u. dergl. mehr. Auf diese Weise werden sie auch anderswo mancherlei Gelegenheiten verabsäumen. Ich habe mich in den Besitz einer Tigerkatze gesetzt, eines sehr schönen Exemplars, dessen Erhaltung mir, da ich den Vorsteher des Schlachthauses kenne und ihm ärztlichen Rath ertheilt habe, sehr erleichtert ist. Dies muß ihnen, damit sie nur Muth bekommen, als Geschenk offerirt werden. Aber, wie gesagt, die Antwort, die wohlüberlegte, wird noch einlaufen, wenn es zu spät ist. Wenn sie nur einen Menschen in Marseille haben, der ihnen schon öfters Sendungen gemacht hat, dann ist es ja kinderleicht, von hier zu schicken.
Mache Dir nicht zu viel Mühe damit, lieber Onkel. Wenn sie nicht wollen, lassen sie es bleiben zu ihrem eigenen Schaden. Ebenso ist es mit meinen in Deutschland eingezogenen Nachrichten über Blutegel. Diese sind hier gut und billig und ich kenne die Art und Weise ihres Transportes. Wahrscheinlich sind noch vortheilhafte Geschäfte in diesem Artikel zu machen. Doch glaubst Du, daß ich eine Antwort erlangen kann oder nur erfahren kann, wer Großhändler in Blutegeln ist?
Was mein Geldbedürfniß betrifft, so sind meine Fonds allerdings erschöpft und ich werde Ende des Monats die laufenden Mieths- und Tischrechnungen nicht bezahlen können. Wohnung, Tisch, Kaffee, Stiefelputzer, Wäscherin, Ausbesserung von Schuhen und Kleidern macht monatlich ca. 50 Thaler. 175 habe ich hierher mitgebracht und, obgleich ich wenig extraordinäre Ausgaben habe, so ist der Überschuß in 3 - 4 Monaten leicht erschöpft. – Einige 100 Frcs. in Wechseln auf Marseille würden demgemäß wohl am Platze sein, da Du so gütig warest, es anzubieten. Wahrscheinlich wird mir meine Mutter durch den Bruder meines Schwagers ebenfalls schicken, doch weiß ich weder wie viel, noch wann.
Die günstigen Nachrichten über die ganze Familie haben mich mit lebhafter Freude erfüllt. Grüßt sie alle herzlich von mir und seid meiner Anhänglichkeit gewiß. Es ist doch schön, daß Du liebe Tante, so lange nun schon von Deinem Uebel befreit gewesen bist? Nimmst Du bisweilen noch Pillen? Empfehlt mich der Großmutter, wenn ich bitten darf, grüßt die Uebrigen und die Kinder von
Eurem
   Gustav.

 Randschrift: Den Brief vom 12. Januar habe ich nicht erwähnt, weil ich ihn in der That nicht erhalten habe. Ich glaubte erst, ich könnte mich täuschen, doch ich finde die früheren Brief alle und pflege doch die letzteren am allerwenigsten zu zerstören.
Mein dummer Katarrh will gar nicht wieder weichen und ist ein Zeichen, daß der Feind immer nur schlummert, nicht getödtet ist. Gleichwohl ist er doch jetzt ziemlich gefesselt gewesen und im Uebrigen befinde ich mich wohl.


 Bône am 24sten Februar 1863
      /16 März
 Mein lieber Onkel, meine geliebte Tante!
Soviel mir der bald abgehende Curier und die Unregelmäßigkeit, welche diesmal in der ganzen Expedition herrscht durch einen 2tägigen Sturm, erlauben wird, will ich noch schreiben und wäre es auch nur, um Euch meinen herzlichen, tiefen Dank für den klingenden Beweis Eurer fortwährenden Liebe zu sagen. Ich habe den Wechsel richtig empfangen, obgleich es vorgestern nicht unwahrscheinlich war, daß ihn das ... Meer verschlingen würde. Es cirkulirten schon bedenkliche Gerüchte über verschiedene Schiffe, bis gestern doch die glückliche Ankunft des französischen gemeldet wurde.
Es ist doch wirklich ärgerlich, daß es mir jedesmal mit den Geburtstagen in Coeln so geht. Ich habe es nun schon vielleicht zum 4ten 5ten Male aufgeschrieben und will hoffen, daß ich nicht im nächsten Jahre, wenn die Zeit herankommen wird, vergessen habe, wo ich die Notiz gemacht habe. Letzteres hat bis jetzt meine Gratulationsbemühungen immer zu Schanden gemacht. Nun jedenfalls wird wenigstens das Gedächtnis bis zum Geburtstage der Großmama hinreichen. Der meinige war in der That gestern und ich bin glücklich, Eure liebevollen Wünsche dazu empfangen zu haben. Nicht minder erfreut war ich über den letzten Brief, den der gelehrte Herr Doctor so reichlich beschwert hatte. Es ist eigentlich spaßhaft, sein Brief, wie ihr gesehen haben werdet, beginnt in Eifer mit einem Apparate über die Analyse durch das Licht etc. etc. Im Uebrigen bin ich erfreut über die wohlwollende Aufnahme, die sie meinem Anerbieten haben zu Theil werden lassen. Der Transport ist in der That leichter, als der Dr. Bodinus denkt, da man ja nicht nöthig hat, die Thiere nach Algier zu bringen, wie der College zu meinen scheint nach seiner Anfrage, ob Eisenbahn von Bône nach Algier bestehe. Letztere wird es freilich wohl noch lange nicht geben, direct wegen der Gebirge wohl überhaupt kaum. Die einzige Eisenbahn, welche in Algérien existirt, ist die von Algier nach Blidah, höchstens 5 Meilen lang. Doch dies in Paranthese.
Es gehen oft genug direct Dampfboote nach Marseille, welche kaum länger Zeit brauchen als die Passagierboote; also in längstens 3 Tagen sind die Thiere drüben im zoologischen Garten von Marseille, wo sie gefüttert und weiter besorgt werden. Es ist mir unangenehm, daß ich, trotz meiner Vorsicht, durch die günstige Gelegenheit mich verleiten ließ, die beiden Tigerkatzen zu erzielen. Doch ist es ohne Geldopfer, wenn nur eine davon verkauft wird und eine wird ja nach dem Briefe des Dr. Bodinus benöthigt. Jetzt werde ich mich natürlich ganz strict an die Wünsche der Herren halten. Die meisten Thiere, welche Herr Dr. Garthe bezeichnet hat, wohnen in der That viel südlicher, auch die Antilopen; doch werde ich letztere, glaube ich, bekommen können und zwar zu civilen Preisen. Ein Paar wird keine 50 Thaler kosten. Das Böse ist der Landtransport. Der Director des hiesigen Acclimatisationsgartens wird das Weitere mir belehrend sagen. Den gewünschten Affen weiß ich ebenfalls zu finden und einige Amphibien ebenfalls, die ich selbst der Sicherheit wegen mitbringen kann. Ueber die größeren Sumpfvögel und den Bartgeier bin ich noch unklar, Ich weiß noch nicht, wie man ihrer habhaft werden kann.
Die Bedenken, die die Herren ausgesprochen haben, was Preise und Risico betrifft, finde ich natürlich und habe sie mir selbst vorher gemacht.
Mit meiner Gesundheit bin ich nicht ganz zufrieden, lange nicht so, als vor 4 Wochen; indessen solche kleinen scheinbaren Rückschritte können wohl vorkommen und brauchen Einen nicht zu ängstigen. Etwas trägt wohl das Wetter, das in der letzten Zeit nicht besonders günstig war, so daß ich eigentlich schon an große Kälte in Europa, besonders bei der Herrschaft des Nordwindes hier, glaubte, mit die Schuld. Und mehr und mehr lerne ich den bösen Einfluß von veränderten Gemüthsstimmungen schätzen, denen ich früher nicht genug Einwirkung zugetraut habe.
Daß es Euch Allen sonst wohl geht, freut mich von ganzem Herzen. Wenn die Zeit da sein wird, werde ich die heißesten Wünsche für Dein Wohlergehen, liebe Tante, wiederholen. – Die Erwähnungen der Vorkommnisse in Coeln, des Ergehens der bekannten Familien interessiren mich außerordentlich. Von Thermars habe ich kaum eine andere Nachricht erwartet. Der „geheime Hofrath“ belustigt mich ungemein; der Carneval erweckt muntere Erinnerungen. Ich bitte mich denjenigen Familien, die sich meiner freundlich erinnern, ja empfehlen zu wollen und sie meiner aufrichtigen Anhänglichkeit zu versichern.
Da Du, lieber Onkel, diesmal keine politischen Nachrichten mittheilst, so vermuthe ich, daß Nichts von besonderem Interesse passirt ist, besonders da auch meine Schwester, die mich zu meinem Geburtstage mit einem Briefe erfreute, Nichts der Art erwähnt. Leider sind sie in Uchtenhagen nicht ganz wohl. Meine arme Mutter liegt schon lange im Bette, weil sie ihr geschwollenes Bein nicht hinlänglich brauchen kann, und Marie wird von einem hartnäckigen Katarrh gequält.
Hoffentlich wird der milde Winter, dessen ihr genießt, dazu beitragen, die Gesunden in ihrem Wohlsein zu erhalten und die Kranken dieses kostbaren Gutes theilhaftig zu machen.
Du bewunderst mit Recht, lieber Onkel, die Vortrefflichkeit und Weisheit, von der die Institution des bureau arabe zeugt. Leider muß ich aber gestehen, daß sich darin die ganze Staatsweisheit erschöpft zu haben scheint und daß diese Einrichtung auch nicht einmal immer das leistet, was es soll und will. Trotz seines Bestehens kommen genug Verletzungen und Beeinträchtigungen der Araber vor und sind früher noch unendlich viel mehr vorgekommen. Das Bureau arabe, selbst wenn es sich stets wirklich als väterlichen Vormund und als Beschützer der Araber fühlte und gerirte, wird natürlich befehligt und beeinflußt vom Militaircommando und in seiner Wirksamkeit ohne Zweifel sehr beeinträchtigt durch die Civil-Verwaltung ebenfalls. Das System zweier Verwaltungsbehörden hat überhaupt viel Unklarheit und Wirr-warr in die ganze Frage gebracht. An manchen Orten ist die Militärbehörde die oberste Verwalterin und Regiererin, an anderen wieder die Civil-Behörde, ja, an manchen collidiren sie sehr unangenehm, weil die Grenzen ihrer Districte unendlich vielfache sind und oft schwer genau zu präcisiren.
Doch die Hauptfrage, der Knotenpunkt für die ganze algerische Lage, ist die Regelung des Besitzthums. Wie ich schon früher auseinandergesetzt habe, erhalten die Europäer sogenannte Concessionen, d.h. sie verpflichten sich, eine bestimmte Fläche in einen durch Gesetz bestimmten Culturzustand zu versetzen und haben dazu den Nießbrauch dieser Fläche. Sie werden durch die Regierung in ihrer Cultivirung beaufsichtigt und durch Rathschläge unterstützt, zu welchem Zwecke die Colonisationsinspectoren da sind.
In welcher Weise diese Concessionen als Speculation benutzt werden, habe ich schon erwähnt; wie man scheinbar den Verpflichtungen nachkommt und wie leicht es ist, sie zu umgehen; welcher Art Menschen zum Theile die Inspectoren sind; wie man das auf diese Weise, zum Theil wenigstens, entrissene Land wieder an die Araber verpachtet und sie dadurch in den ursprünglichen Zustand der Culturlosigkeit setzt: Alles dies habe ich schon öfters beschrieben und werde noch öfter darauf zurückkommen. Eigenthümer von Land zu werden, ist für den kleineren Colonen, der nur mit beschränkten Mitteln herkommt, nicht leicht, weil man das Land nicht billig genug verkauft, sondern lieber das Geld der Concessionen einzieht und das Land behält. Er bekommt eine Concession, und wie schwer, den Großen gegenüber! In der Geschichte der Colonieen steht der Beweis deutlich geschrieben, daß eine uncultivirte Colonie nur dadurch prosperiren kann, daß arbeitsfähigen Europäern das Land um einen Spottpreis verkauft werde. Das ganze hiesige System hat sich ja seit lange gerichtet. Die Entwicklung der reichen fruchtbaren Länder geht mit außerordentlicher Langsamkeit voran. Die Einwanderung nimmt in nur kläglichen Ziffern zu und die Leute befinden sich nicht einmal im Wohlstand.
Es ist aber im Ganzen nicht leicht, die Sache zu regeln, wenigstens nicht diejenige Seite, welche die Araber angeht. Die nomadisirenden Araber haben niemals persönliches Eigenthum gehabt, sondern jeder Tribus hatte ein gewisses Territorium, was er durchwanderte, hier weidend, hier beackernd, das aber nicht dem Einzelnen, sondern dem Staate, dem Gemeinwesen gehörte oder unter der Türken-Herrschaft den Staatsoberhäuptern oder Chefs. Jedes Jahr theilt der Kaïd noch heutzutage die von dem Einzelnen zu beackernden Ländereien aus. Der Einzelne hat die Nutznießung, aber nicht die freie Verfügung, nicht wirkliches Besitzthum. Die ganze Kunst würde darin bestehen, diese Nomaden zu Leuten zu machen, die sich an feste Wohnsitze gewöhnen, wie die Kabylen, ob dies jemals gelingen wird? Schon bis jetzt sind häufig Araber nach Tunis, wo die ursprünglichen Verhältnisse bestehen, gewandert. Viele haben sich nach der Wüste zurückgezogen; denn der Araber liebt die freie Beweglichkeit, sein ungebundenes Leben über Alles. Der General Daumas, der am längsten und besten arabisches Leben studirt hat, führt in dieser Beziehung sogar an, daß er glaube, die Araber sträubten sich, unsere europäischen Werkzeuge des Ackerbaus, deren Vorzüge sie wohl erkennten, bei sich einzuführen, nur, weil sie zu plump, zu groß, ihre Beweglichkeit hindern und schlecht durch ihre engen Wege zu transportiren sein würden. Jetzt nun hat der Kaiser einen Brief an den Herzog von Malakoff, General-Gouverneur von Algérien, erlassen, um diese Frage, über der seit Jahren conseil d’etat, Senat und besondere Commissionen schwitzen, etwas zu fördern, in dem er seine Intention ausspricht, den Arabern Alles als Eigenthum zu geben, was sie irgend, unter welchem Rechtstitel es nur immer sei, besessen hatten. Allgemeine Bestürzung ist auf diesen Ausspruch erfolgt. Jeder hier hat Angst, sein Eigenthum zu verlieren oder das gehoffte nicht zu erlangen. Jeder legt den Brief in seiner Weise aus: Der Eine glaubt, man wolle ihm seine Concession, die ursprünglich vielleicht von Arabern bewohnt war, wieder nehmen; der Andere meint, die Araber sollten Alles Ackerland in Algérien haben und also privilegirte Ackerbauern sein, während für die Franzosen Handel und Industrie blieben: im Allgemeinen ist man unzufrieden, sich die endlichen Zinsen eines nicht immer angenehmen Aufenthalts hierselbst in so weite Ferne gerückt zu sehen. In Oran soll es förmlich unruhig sein. Ueberall wählt man Deputirte nach Paris, um die prompte Ausführung solcher Ansichten zu verhindern, die übrigens immer noch von der Meinung der Commission abhängt. Ich freue mich dabei aber, daß der Krebsschaden der Concessionen ausgeschnitten werden wird. –
Die Zeit ist verronnen, der Courier will in einer Viertelstunde fort, ich schließe also mit meinem wiederholten Danke und der Bitte um Eure fernere Liebe und freundlichen Grüßen an alle Familienmitglieder und Bekannte.
  Adieu!
Euer dankbarer Gustav


Bône am 10ten Maerz 1863
  Meine Lieben!
Gewohntermaßen erlaube ich mir Euch Nachrichten von mir zu geben, wenn ich auch keine besondere Veranlassung dazu habe und nicht gerade besonders neue Sachen von Interesse mitzutheilen habe. Das allgemeine Interesse wird hier zu sehr absorbirt von den polnischen Ereignissen und der ganzen politischen Lage; erst in zweiter Linie kommt die Lebensfrage für Algérien, das arabische Königreich, das der Kaiser in Algérien sehen möchte und das reiche Besitzthum, das er den Eingeborenen sichern will.
Die Franzosen sind im Allgemeinen etwas abgekühlt, da sich ihre Aussicht an den Rhein ziehen zu dürfen, durch die Haltung Englands und Oesterreichs etwas hinausschiebt. Doch bleiben die Sympathien für die polnische Insurrection noch sehr lebhaft und die Mißachtung Preußens wegen der Haltung seiner Regierung in dieser Frage hat nicht im Geringsten abgenommen. Zweifels ohne würde eine Occupation des linken Rheinufers einen populäreren Feldzug abgeben als die mexicanische Unternehmung, deren Kosten immer höher anschwellen, deren Resultate immer zweifelhafter werden, deren Ende in immer weitere Ferne rückt und welche eine immer allgemeiner werdende Unzufriedenheit und Mißbilligung hervorruft.
Die wörtliche Ausführung der im kaiserlichen Briefe ausgesprochenen Projecte halte ich für unmöglich, sie würde jeder Entwicklung Algériens den Lebensfaden abschneiden. Wer die patriarchalische Verfassung der Araber kennt, weiß, daß ein wirkliches „arabisches Königreich“ (als was der Kaiser Algérien betrachtet wissen will) unmöglich ist und unvereinbar mit aller Civilisation und allen Fortschritten derselben; wer weiß, welch’ Nomadenleben sie führen und daß sie keinen persönlichen Grundbesitz haben, kann unmöglich verkennen, daß dies ein Haupthinderniß der Ausbeutung des Bodenreichthums darstellt, als dessen anderer Factor endlich die gänzliche Indolenz, die unbeschreibliche Sorglosigkeit und Faulheit, wenn diese auch zum Theil aus den patriarchalisch-feudalen Institutionen resultiren, mitwirkt. Es ärgert mich sehr, zu bemerken, daß sich an die Spitze dieser im Ganzen berechtigten Bewegung (wenn auch bei vielen nur persönliche Habsucht vorliegt), die Geistlichkeit stellt, die der Bischof von Algier durch einen energischen Hirtenbrief zu außergewöhnlicher Thätigkeit angespornt hat. Der Herzog von Malakoff (Marschall Pélifier) ist wieder in dieser Angelegenheit in Paris citirt und gleichermaßen sind die zahlreichen Deputationen und Adressen aus allen Provinzen dorthin unterwegs. Die Araber aber wittern oder wissen jetzt, daß Etwas zu ihren Gunsten im Werke ist; die Chefs haben den Blick freier und tragen den Kopf höher.
Jetzt ist übrigens hier diese Fastenzeit, deren Anfang diesmal mit dem der christlichen zusammenfiel. Sie dauert einen Monat, der Rhamadan heißt und dessen strenge Innehaltung ein Haupterforderniß für den gläubigen Muselmann bildet. Er ist verpflichtet, Morgens von Tagesanbruch, d. h. von dem Augenblicke an, wo man einen weißen Faden von einem schwarzen unterscheiden kann, zu fasten, bis Abends der letzte Sonnenstrahl hinter den Bergen verschwunden ist, ein Moment, der von Marabouts, welche auf dem Thurme der Moschee Wache halten, durch Aufhissen einer Fahne der Besatzung der Kasbah angezeigt wird. Von ihr donnert dann ein Kanonenschuß und verkündet der Menge der Gläubigen die Erlaubniß, zu essen, zu trinken, zu rauchen. Auf dem Platze erwartet man in Menge diesen Augenblick, den die fröhliche muselmännische Jugend (obgleich sie bis zum 14ten bis 16ten Jahre noch keinen Rhamadan hält) mit lautem Jubel begrüßt. Die bereit gehaltenen Cigaretten und Pfeifen werden in Brand gesteckt und von den arabischen Cafés wird der geliebte Trank von Mokka herumgereicht. Habe ich schon erwähnt, daß dieser von Kaffee, aromatischen andern Vegetabilien und Zucker (alles in pulverisirtem Zustande) zusammen gehörig gekocht wird und dann mit dem Satze genossen? Er schmeckt sehr angenehm und außerordentlich süß. Während dieses ganzen Fastenmonats wird auch strenge nicht gearbeitet, ein Verbot, das jedenfalls ihrer angeborenen Faulheit außerordentlich zusagt. Am Tage wird vielfach geschlafen, weil man die ganze Nacht aufbleibt, und wenn auch nicht zu unmäßigen Gastmählern und Gelagen (die ein unbestrittenes Recht der Christenheit bleiben), so doch zu würdigen Plaudereien, zu stillem Rauchen und zum Kaffeetrinken.
In der That, niemals sieht man einen trunkenen Araber, er müßte denn als Soldat bei den Turko’s gestanden haben oder sonst in eine allzu häufige Berührung mit Europäern gekommen sein.
Weniger eifrig sind sie, fürchte ich, in der präcisen Befolgung der meisten Vorschriften des Propheten in Bezug auf die häufigen Abwaschungen, die sie vorzunehmen haben. Mit bewunderungswürdiger Sorgfalt und Weisheit giebt er genau an, wie oft sie über das Gesicht zu fahren haben, wie sorgfältig sie die Winkel der Augen und die Ohren zu reinigen und wie sie Wasser durch die Nase zu ziehen und endlich die Zwischenräume zwischen den Zehen zu säubern haben. Wenn dies vielleicht auch oft etwas oberflächlich geschieht, so reicht es doch hin, sie vor dem Schmutz zu bewahren, in den sie bei ihrer Gleichgültigkeit und ihrer Gewohnheit, nacktfüßig zu gehen, unrettbar verfallen würden. Ihre Hände, selbst wenn die Inhaber den unteren Klassen angehören, sind immer noch sauberer und sorgfältiger gehalten, als man sie bei unseren niederen Gesellschaftsklassen findet. Nur um die Aufmerksamkeit auf diese Organe zu lenken, empfiehlt wahrscheinlich der Prophet, die Nägel mit Henna‚ gelb zu färben (was wirklich nicht übel aussieht) und die Augenbrauen und Augenlidränder mit Koheul (Schwefel-Spießglanz) zu schwärzen, was zu gleicher Zeit etwas vor den sonst so häufigen Augenentzündungen bewahrt. – Letztere sind durch Staub, grelles Licht, Nachlässigkeit in den Häusern bedauernswert häufig und so Unglückliche, wie der Onkel Julius, sieht man täglich zu Dutzenden und meist bis zu gänzlicher Blindheit gekommen. Noch viel mehr zwar verlieren ihr Augenlicht durch die Syphilis, eine Krankheit, welche um so zügelloser unter den Arabern wüthet, als sie nicht häufig einen Arzt fragen, sondern mehr auf Amulette und Talismane halten. Sie ist es auch, welche einen großen Theil der neugeborenen Kinder im zarten Alter wieder hinrafft. Für die Verbreitung der Krankheit sorgt der bekannte Hang zur Liederlichkeit der Araber.
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Mit tiefer Betrübniß habe ich gestern von meiner Schwester die Nachricht erhalten, daß meine Mutter immer noch im Bette zu liegen genöthigt ist, also schon seit ca 4 Wochen, da die schmerzhafte Geschwulst der Kniegegend, die nach einem Wechselfieberanfall sich eingestellt hatte, noch immer fortbesteht. Das lange Krankenlager hat sie sehr geschwächt, und da Marie selbst noch an einem Lungenkatarrh leidet, so ist die Sache doppelt bedauerlich. Wenn nur Nichts Bedenkliches an der Sache ist, will ich schon zufrieden sein; ich erwarte in dieser Beziehung Nachricht vom behandelnden Arzte.
Der Schwiegervater Marien’s scheint wieder, wenn nicht hergestellt, so doch in der Besserung begriffen zu sein und die Uebrigen Glieder der Familie scheinen ja ebenfalls sich einer leidlichen Gesundheit zu erfreuen. Ich will von ganzem Herzen hoffen, daß die nächste Nachricht von Euch ebenfalls eine günstige sein möge.
Was mich selbst betrifft, so bin ich ebenfalls mit der günstigeren Witterung, welche wieder eintrat, wieder zufriedener geworden und hoffe bald den erreichten günstigen Standpunkt wieder zu erlangen.
Soeben habe ich einen Besuch erhalten von Jemand, den ich, da es sich um eine Erkrankung handelte, unmöglich zurückweisen konnte; ich bin, lange aufgehalten, genöthigt zu schließen, um die Post nicht zu versäumen. Ich bitte tausend mal um Entschuldigung und schließe mit dem herzlichen Wunsche Eures allseitigen Wohlergehens und der Bitte alle Verwandten herzlich zu grüßen und allen Bekannten mich empfehlen zu wollen.
   Euer Gustav.


   Bône am 23. Maerz 1863
      /14 April
 Meine Theuren!
Die Witterung ist hier in den letzten Wochen derartig gewesen, daß ich nicht weiß, ob Euch mein jetziger Brief pünktlich erreichen wird. Es hat seit Wochen mit kurzen Unterbrechungen fortdauernd geregnet: die Wege sind augenblicklich unbrauchbar für Diligencen; die Gräben sind zu großen Flüssen, diese zu reißenden Strömen geworden, und wo sonst Ebenen waren, sieht man nur noch Sümpfe und Seeen. Der Fluß, welcher sich hier ins Meer ergießt, die Seybouse, nicht ganz so groß, als die Mosel, hat in dieser Zeit ihre Mündung um mehr als das Doppelte verbreitert, und das Sandufer des Meeres, welches in der Gegend ihrer Mündung befindlich ist, kennt man nicht wieder. Es ist nur gut, daß 3tägiger Sonnenschein alle Erscheinungen dieser Art verschwinden macht. Das angesammelte Wasser hält sich in den Bergen, um von dort aus einen Theil des Sommers die Ebenen mit Wasser zu versorgen; doch auf den Ebenen wird es aufgesogen oder verdunstet und nach 8 Tagen ziert sie die üppigste Vegetation. Doch augenblicklich ist es unangenehm, da man nur selten ausgehen kann und es immerhin ziemlich kalt bei dem Mangel an Sonne wird. Das Meer hat sich daran betheiligt, denn der Courier von Frankreich ist über eine Woche auf dem Meere herumgeschleudert und erst gestern hier angelangt, während er schon vor 8 Tagen hätte ankommen müssen. Seit länger als 20 Jahren ist dies nicht passirt. Man verspricht sich eine sehr gute Erndte in Folge dieses reichlichen Regens, der absolut nöthig ist, da es fast 6 Monate oft keinen Tropfen regnet.
Man hat die Post von Europa natürlich mit Ungeduld erwartet, sowohl wegen der polnischen, als wegen der algerischen Frage. Erstere spielt noch immer eine große Rolle im Interesse der Franzosen und Adressen aus vielen Theilen des Landes gehen an Kaiser und Deputirte, um die Theilnahme und das Interesse der Bürger auszudrücken. Jener wird sich gewiß ärgern, daß das verhängnisvolle Mexico ihn hindert, thätigen Antheil zu nehmen und sich und sein Land zu befestigen, während er so von Tage zu Tage an Popularität verliert. Die schlechten Finanzen von Mexico rütteln mit aller Gewalt an seinem Throne und während die Presse in den Banden der „discretionären Gewalt“ schweigt, sprechen sich allmählich alle Theile der Bevölkerung im freien Gespräch rückhaltlos aus. Man beginnt das Andenken der Orléans aus dem Grabe hervorzuholen und selbst das Heer, das ihn erhoben hat, zählt nicht besonders viele Verehrer. Beim Charakter der Franzosen können einige fördernde Elemente mehr machen, als bei uns die zwingendsten Ereignisse.
Besetzung des linken Rheinufers, Befreiung der Polen, Krieg mit Preußen hätte die Sympathien der ganzen Bevölkerung gewonnen: doch so Menschen und Geld in der Ferne ohne Erfolg verschlingen zu sehen, ist den Franzosen zu viel.
In der algerischen Frage hat man sich zunächst mit der Organisation der Araber beschäftigt und ziemlich entsprechend den Intentionen des Kaisers im Senate sich ausgesprochen. In der Nähe der Städte soll persönlicher Grundbesitz eingeführt werden, doch weiter südlich sollen die Tribus ihre ungeheuren Landstrecken behalten und zwar als Eigenthum der Tribus, die gegeneinander abgegrenzt werden. Es wird dies, vermuthe ich, zur Folge haben, daß die Araber in der Nähe der Städte ihr Eigenthum in Geld verwandeln und weiter südlich ziehen, wo es Land und Freiheit genug giebt. Allerdings wird so Platz für die Europäer, die vielleicht billig Land kaufen werden, doch den Intentionen der kaiserlichen Humanität eigentlich nicht entsprochen.
Mein Leben geht übrigens mit großer Einförmigkeit hin, zumal zur Zeit des schlechten Wetters. Meine Gesellschaft beschränkt sich auf die früher erwähnten Herren. Doch habe ich dazu die Bekanntschaft des hier angesehensten Arztes gemacht, der mir sehr freundlich entgegengekommen ist. Er ist schon seit 1830 hier in Bône, mit sehr kurzen Unterbrechungen, die seine militärische Laufbahn (er war Militärarzt früher) veranlaßten. Als er als médecin en chef des Hospitals zu Lyon commandirt wurde, nahm er seinen Abschied, weil er sich nicht von seinem geliebten Afrika trennen wollte. Auch seine Frau hängt sehr an ihrem Aufenthalte. Er ist hier der Arzt des Civil-Hospitals und besitzt etwas Grundeigenthum in der Nähe von Bône; zugleich ist er der beschäftigteste Arzt. Doch ist er kürzlich der Eigenthümer heißer Quellen geworden, welche schon bei den Römern als „aquae Tibilitenae“ eines großen Ansehens und einer großen Frequenz sich erfreuten. Es besteht jetzt dort eine Anstalt für Militairs; die besuchenden Civilisten, Engländer und Franzosen, müssen sich, wenn die wenigen ihnen eingeräumten Betten besetzt sind, in kleinen improvisirten Hütten behelfen. Demnächst wird Moreau (so heißt der Dr.) ein großes Hotel erbauen und ich glaube gewiß, daß er mit der Zeit glänzenden Erfolg haben wird. Der Besitzer der Quellen von Vichy besichtigte sie kürzlich und äußerte sich dahin, daß die Bäder nicht Hunderttausende, sondern Millionen werth wären, auf dem europäischen Continente. Sie übertreffen an Reichlichkeit des gelieferten Wassers, an Dampf in Folge dessen und an Höhe der Temperatur alle bisher bekannten Bäder. Auch ihre chemische Zusammensetzung hat große Vorzüge für viele Krankheiten vor den europäischen heißen Quellen. Es sind die Bäder von Hammam-Meskoutine („verzauberte Bäder“), die etwa 10 Meilen von hier gelegen sind. Sie stehen in großem Ansehen auch bei den Eingeborenen, die in ihrer phantastischen Auffassung sonderbare Legenden über ihre Entstehung erzählen. So z. B. erzählen sie mit reicher Ausschmückung, wie Salomon auf der ganzen Erde Bäder eingerichtet und daß er die Gegend von Hammam-Meskoutine ebenfalls dazu gewählt habe. Die Pflege und Bewachung habe er Genien anvertraut, welche blind und taubstumm gewesen seien, damit dieselben nicht wiedererzählen könnten, was dort geschähe. Als Salomon starb, ohne seine Diener ihrer Verpflichtung zu entbinden, so konnte von den anderen Sterblichen Niemand sich ihnen verständlich machen, und die Armen sitzen nun da und kochen fortwährend Badewasser für den Salomo, der niemals kommt. Die jetzigen Erfahrungen über die Quellen, die ich nach ihrem Werthe geprüft habe, sprechen für eine außergewöhnliche Heilkraft und wenn die Communication noch etwas erleichtert ist, werden sie bald reichen europäischen Zuspruch haben.
Eine weitläufigere Beschreibung behalte ich mir noch vor, sobald ich sie genauer kenne, denn ich möchte sie selber gerne gebrauchen, wenigstens zur Einathmung heißer Dämpfe.
Der Fastenmonat der Gläubigen ist vor einigen Tagen zu Ende gegangen. Eine Reihe von Kanonenschüssen verkündete den sehnlich erwarteten Schluß der Enthaltsamkeit und dem ernsten Rhamadan-Ausdruck machte eine festliche Stimmung Platz. Mehrere Tage haben sie gefeiert, das heißt, sie sind in ihren besten Kleidern in gewohnter Würde umhergewandelt und haben eine entsetzliche Menge Kuchen gebacken.
Die Knaben und Mädchen nahmen sich in ihren glänzenden Kleidern wirklich allerliebst aus. Jene tragen eine rothe Cherhia (fezartige Kopfbedeckung) mit Goldstickerei und goldener Quaste, Jäckchen von Sammt, Seide oder Wolle in roth oder schwarz oder gelb oder Isabellenfarben ebenfalls mit reicher Goldstickerei. Die Schühchen sind von rothem, gelben etc. Maroquin, die ebenfalls geschmackvoll gestickt sind. Die Hände und Füße sind einige Zoll weiter hinauf, als gewöhnlich, mit Henna‚ gelb gefärbt und die Nägel mit besonderer Sorgfalt gepflegt.
Die Mädchen und Frauen tragen seidene farbige Gewänder (gelb besonders), einen feinen, spinnwebartigen Überwurf von dünner, durchsichtiger (Flor-)Seide (Haïk), der vom Kopf, den er einhüllt, bis zum Gürtel geht und haben die Finger ebenfalls mit Henna‚ die Augenbrauen mit Koheul (Schwefel-Spiesglanz) schwarz gefärbt und duften reichlich von Parfumerien aller Art. Man sieht sie natürlich wenig, wie stets, doch etwas mehr, als gewöhnlich, da sie am Schluß des Rhamadan auf den Kirchhof wallen, um die Gräber ihrer Angehörigen zu besuchen und zu schmücken. Die Männer, innig bedauernd, daß sie ihrem gewöhnlichen Hange zu öffentlichen Schaustellungen mit Geräusch wegen des schlechten Wetters nicht folgen können, zeigen sich wenigstens öffentlich so viel als möglich. Bei besserer Witterung wird eine ordentliche sogenannte „Fantasia“ veranstaltet, d. h. Jeder, der ein ordentliches Pferd besitzt, schmückt es mit den buntesten Decken und dem sauberst geflickten Sattelzeug, ziert sich selbst mit den besten Kleidern und kostbaren Waffen und dann werden auf öffentlichem Platze Wettrennen, Geschrei, blinde Schüsse so viel als möglich losgelassen. Die Begrüßungen, welche immer sehr höflich und unterwürfig gegen Höherstehende und sehr zärtlich gegen Gleichgestellte gemacht werden, nehmen an Häufigkeit und Wärme zu. Freunde küssen sich begegnend stets ins Gesicht; steht man sich etwas ferner, doch immer noch befreundet genug, so reicht man sich die Hände und führt die das Anderen an die Lippen. Einem blos Bekannten giebt man die Hand und Jeder führt die seinige demnächst an die Lippen. Einem Kaïd oder überhaupt hochstehenden Manne begegnend, eilt der gewöhnliche Araber auf ihn zu und küßt ihm die rechte Schulter und die Hand. Alle diese Begrüßungen werden mit großer Würde, Wärme und Anmuth gemacht. Begegnen sich Leute aus verschiedenen Orten, die durch irgend welche Freundschaft oder Bekanntschaft verbunden sind, so ist wirklich der Begrüßungen und Fragen kein Ende. Wie geht es zu Hause, wie den Kindern, wie dem Vater, der Mutter, dem Großvater, der Großmutter, dem Zelte, u.s.w. Nur nach dem Befinden der Frau erkundigt man sich bei einem Bekannten nicht, weil es die Eifersucht und den Argwohn desselben erregen würde, sondern umschreibt das durch endlose Fragen nach dem Befinden der Personen, die ihr nahestehen.
An diesen Tagen, wie gesagt, war das Alles recht auffallend, weil das sonst schon so öffentliche Leben an Frequenz noch zugenommen hatte. Selbst die Beni Mzab (Söhne Mzab), welche alle Detailhandel mit Zeugen treiben, hatten sich aus ihren Boutiquen hervorgemacht, die sie sonst niemals verlassen. Es sind dies sehr biedere, sparsame und auch thätige Leute, die in ihrer Jugend ihre Oase verlassen, um in den Städten des Nordens durch den genannten Handel mit Zeugstoffen ein kleines Capital zu erwerben, mit dem sie dann glücklich in ihr Vaterland zurückkehren. Man kann sie an ihrem Gesichtsausdrucke gleich kennen (sie sind aus Berberischem Blute) und sie genießen eines sehr guten Rufes.  Ihre Läden sind so klein, daß sie kaum darin sich umdrehen können. Sie sitzen dort auf einem Teppich mit gekreuzten Beinen und haben so Alles fast im Bereiche ihrer Hand, wenn ein Käufer kommt. Diese suchen sie durchaus nicht anzulocken, sondern sitzen schweigend, mit apathischem Gesichtsausdrucke da oder schreiben oder lesen den Koran (sie zeichnen sich fast alle durch Bildung aus, denn der gewöhnliche Araber kann niemals lesen oder schreiben) und scheinen wirklich dem Käufer einen besonderen Gefallen zu erweisen durch die Präsentation ihrer Waaren. So sind übrigens alle arabischen Kaufleute.
Ich habe dies vielleicht schon, wenigstens theilweise, früher mitgetheilt. Für solche Wiederholungen muß ich immer wieder um Entschuldigung bitten, doch sind sie natürlich, da ich keine bestimmte Reihenfolge eingehalten habe und verschiedenen Personen Verschiedenes berichtet habe.

     24. 3. 63
Soeben empfange ich Deinen lieben Brief, bester Onkel, und sage dafür meinen Dank. Daß mein Brief vom 9ten oder 10ten d. M.  noch nicht in Euren Händen war bei der Absendung des Deinigen, wundert mich nicht allzusehr, da, wie oben erwähnt, durch die Witterung große Unregelmäßigkeit im Postverkehr herrscht. Derselbe ist ohne Zweifel über Algier gegangen und dies dauert einige Tage länger. Aus anderer Ursache erklärt sich auf dem vorletzten Briefe der Poststempel Philippville. Man hat an der Diligence hier einen Briefkasten angebracht, dessen Inhalt erst in Philippville visitirt wird.
Die politischen Nachrichten, die Du so freundlich bist mitzutheilen, sind uns hier ebenfalls schon bekannt geworden; denn wie ich schon oben gesagt habe, es giebt nur eine Sache von allgemeinem Interesse in Frankreich und das ist die polnische Frage. Die Hälfte aller Depeschen und aller Leitartikel, ja die Hälfte des ganzen Journals ist gewöhnlich dieser Sache und der Haltung Preußens gewidmet. Trotzdem sie gern genug an den Rhein gezogen wären, wie es die Zeitungen deutlich genug aussprechen, so muß ich doch gestehen, daß die einigermaßen cultivirten Franzosen wohl zu unterscheiden wissen zwischen dem preußischen Gouvernement und der preußischen Volksvertretung, der sie volle Gerechtigkeit widerfahren lassen. Außer Mexico und den schlechten Finanzen, als hindernden Momenten ist allerdings Englands Haltung ein großer Hemmschuh für ihre rheinischen Gelüste. Jetzt spielen sie die Verwunderten und belächeln höhnisch das patriotische Kriegsgeschrei der Kölnischen Zeitung.
Von Deinen Familien- und Local-Nachrichten habe ich mit großem Vergnügen vernommen, daß die Gesundheit der lieben Tante noch von Dauer ist und daß Ihr Euch überhaupt wohl befindet. Mögest Du, liebe Tante, meine verfrühten Geburtstagsgratulationen jetzt noch einmal auch nachträglich annehmen und überzeugt sein, daß mein innigster Wunsch Euer Wohlsein, Euer Glück betrifft.
Daß Dorchen W. doch auf Herrn Klouth zurückgekommen ist, thut mir leid; ich wünschte ihr einen würdigeren Gatten. Möge sie zufrieden und glücklich sein.
Von Thermars höre ich stets nur mit einem gewissen Bedauern reden, denn die Hoffnung auf die Aenderung seiner Stimmung wird eine immer geringere. Was macht Frl. Eugenie?
Allen Bekannten meine Empfehlungen, Herrn Geheimrath Weegmann meinen Glückwunsch, den Verwandten meine besten Grüße. Vor allem bitte ich meine Glückwünsche bei Gelegenheit der Elberfelder Familien-Vermählung an die Adressen der glücklichen Eltern mitzutheilen.
Für meine Gesundheit, die sich wieder trotz des scheußlichen Wetters gehoben hat, hoffe ich jetzt (gestern hat gutes Wetter begonnen und wird hoffentlich und wahrscheinlich lange anhalten) das Beste.
Was machen die Jungen? Und die andern Kinder der Familie? Allen meinen Gruß, nicht zu vergessen die großen Kinder der Mühlengasse.
Mit dankbarer Anhänglichkeit
   Euer Gustav.

Wegen des lange anhaltenden Wetters habe ich mich nicht weiter um Bestien kümmern können. Jedenfalls werden die Vögel, für die Dr. Bodinus größte Vorliebe hat, schwer zu bekommen sein. Die meisten wohnen ja überdies südlicher, doch kann sie natürlich ein Zufall in meine Hände spielen. – Gestern hätte ich gern das Fell eines Panthers gekauft für Dich zum Teppich, die man hier sehr geschmackvoll zu arbeiten versteht. Ich traf die Araber, die 2 große, schöne, frisch erlegte Panther nach der Stadt brachten, um die Prämie von 50 frcs per Stück zu erheben. Doch forderten sie nicht weniger als 200 frcs für die Haut; dies schien mir doch etwas zu unverschämt und würde Deinen Intentionen wenig entsprochen haben. So sind die Araber immer, sie überschätzen den Werth aller Dinge, die sie zu verkaufen haben, in ihrer Habsucht. Wer weiß, zuletzt hat sie gewiß Jemand für 50 - 60 frcs das Stück gekauft! Vielleicht ist die Gelegenheit ein andermal günstiger, denn fern von der Stadt ist natürlich so etwas viel billiger.
Noch mals, Adieu und gute Gesundheit!
    Euer G.


Bône am 13ten April 1863

 Mein lieber Onkel, theuerste Tante!
Jetzt wird sicher die Unordnung der Briefsendung aufhören, denn wenn auch die Wege noch etwas grundlos sind, so sind sie doch zu passiren. Einmal hätte können ein Brief 8 Tage eher abgeschickt werden, doch, wenn die gewöhnliche Post unterbrochen ist, macht man die anderen Hülfsmittel nicht öffentlich genug bekannt, und so kam es, daß ich eine gute Gelegenheit mit einem algerischen Schiffe kürzlich einmal versäumt habe. Dies ist der letzte Monat, in dem es regnet, später muß das Land von dem winterlichen Wasservorrathe zehren. Oft fällt in den sechs Monaten vom May zum October kein Tropfen, je mehr es also im Winter regnet, desto bessere Aussichten sind für eine gute Ernte. So kann man in diesem Jahr sehr zufrieden sein und einen reichen Ertrag erwarten. Dies ist um so besser, als die allgemeine Aufmerksamkeit in Frankreich etc. auf Algérien und seine Produkte gerichtet ist, seitdem die Frage seiner ganzen Administration durch den kaiserlichen Brief angeregt wurde. Zur selben Zeit erscheinen eine Menge Broschüren und Ausstellungsberichte, welche den Werth der hiesigen Produkte in’s Licht zu setzen bestrebt sind. So verdrängt das algerische Getreide (harter Weizen) mehr und mehr das sicilische und südrussische in der Fabrikation der Maccaroni u.s.w. und soll große Vorzüge vor denselben haben.
Dies blé dur und die Gerste sind die hauptsächlich cultivirten Getreidearten. Von anderen Früchten scheinen noch eine Rolle im Handel zu spielen die großen Bohnen (Saubohnen), die vielfach gebaut werden. – Die Baumwollfrage ist von Neuem in Angriff genommen worden. Ein Fabrikant in Mühlhausen (Elsaß) macht eine Aufforderung zum Baumwollanbau bekannt, in der er sehr bedeutende Vorschüsse den Cultivateuren Gewähr leistet, und alle Baumwolle, die geerntet wird, zu kaufen verspricht. Er wird Agenten in die verschiedenen Küstenstädte setzen, Reinigungsmaschinen aufstellen und die Baumwolle zu Preisen kaufen, die von gebildeten Jury’s festgesetzt sein werden. Dies ist langhaarige Baumwolle, die ausgezeichnet gedeiht und auf vielen Ausstellungen die höchsten Preise gewonnen hat. Die Regierung fordert ihrerseits zum Baue von Courte-soie auf und setzt zur Ermuthigung für die kleinen Colonen, besonders für sie, Preise darauf. Auch von diesen wird der Fabrikant aus Mühlhausen (Dolfuß) wahrscheinlich den größten Theil kaufen. Es bilden sich Vereine zur Beschaffung guten Saamens, und die Regierung ist ebenfalls behülflich dazu. – Mit einem Worte, die ganze Angelegenheit betreffs der algerischen Angelegenheiten in Paris haben wenigstens den Vortheil, die allgemeine Thätigkeit anzuspornen und die etwas entmuthigten Colonen wieder neu zu beleben. Ich schrieb das so ausführlich, was die Baumwolle angeht, weil ich dachte, es würde für Herrmann vielleicht von Interesse sein. Dasjenige, was noch ein großes Hinderniß für die Verwerthung der Landesprodukte ist, ist die Mangelhaftigkeit in der Communication und der ungeheure Preis des Transportes. Denn wenn ich auch früher schon die Thätigkeit der Ingenieure des Wegebaus lobend anerkannt habe, so genügt sie doch nicht, um den kleinen Ackerbauern zu Hülfe zu kommen. Die Transportkosten sind so ungeheuer, daß sie bei den besten Preisen in Algier, in Bougie, in Philippeville, in Oran, in Bône (den Ausschiffungsorten) nicht zu ihrer Rechnung kommen können. Nach Algier z. B. muß alles Getreide aus der fruchtbaren Flußebene des Chelif gebracht werden. Die dortigen Märkte Orléansansville, Milianah. Letztere Stadt ist 14 Meilen von Algier entfernt, und der Transport des Centners kostet 6 bis 7 frcs. Sétif von Philippville ca 19 Meilen: der Transport kostet zuweilen bis über 20 frcs der Centner (Kilo-Centner). Dies sind Alles amtliche Zahlen. Jedenfalls ist daraus zu entnehmen, daß er für die Colonen, solange keine Eisenbahnen sind, ein schweres Stück Arbeit ist, vorwärts zu kommen. Doch ist jetzt große Hoffnung, die Eisenbahnfrage gefördert zu sehen. Die Gesellschaft von Paris nach Lyon und dem Mittelmeere wird die Angelegenheit in die Hand nehmen und bauen. – Der Tabacksbau ist endlich enorm, wenn auch noch Monopol des Staates. –
In den Gegenden nach der Wüste hin wird natürlich nicht so viel Getreide gebaut. Vor dem Wüstentheile Algériens kommen die Steppen, wo sich nur schöne Weiden finden und die demnach das Hauptland der Nomaden und Heerden sind. Hier sind die Araber nach der Stückzahl ihrer Heerden besteuert. Von jedem Ochsen bezahlen sie ca 2½ frcs, vom Hammel ca 3 sgr (7 Sous) und vom Kameel fast 5 frcs. Wenn man bedenkt, daß sie weiter nichts haben, so scheint mir der Steuersatz ein ungeheurer. In dem eigentlichen Wüstentheil sind die Oasenbewohner, die feste Wohnsitze haben und nicht nomadisiren, nach der Zahl ihrer Dattelbäume besteuert. Jede Dattelpalme bringt etwa 40 Centimes ein. Die Nomaden zahlen dann wieder nach der Stückzahl der Heerden jedes Tribus.
Die Engländer würden gewiß alles praktischer und besser einrichten und nicht allein größeren Nutzen aus einer so schönen Colonie ziehen, sondern derselben auch zu größerem Reichthum und sicherer Blüte verhelfen.
In Mexico scheint der Stand der französischen Angelegenheiten noch immer derselbe zu sein. Die Zufriedenheit im Lande ist dem gemäß in entsprechender Abnahme begriffen, und der Kaiser wird froh sein, wenn Puebla genommen ist und er einen scheinbar ehrenvollen Frieden schließen kann.
Weitere Nachrichten aus Europa hat die gestrige Post nicht gebracht. Langiewicz in Oesterreich, Mieroslawsky wieder auf der Rückreise nach Polen, wie auch Rochebrun. Das ist so ziemlich Alles, was wir wissen. Die Revolution scheint trotz vieler ungünstiger Momente noch immer fortzudauern und Rußland immer entschiedener entschlossen, sie niederzuschmettern. Frankreich und Oesterreich scheinen sich intim zu sein, und Herr von Bismark in geschickter Weise das Geheimniß der preußisch-russischen Convention zu bewahren und den dringendsten Fragen darüber auszuweichen. Meine letzten Nachrichten von Uchtenhagen theilen mir immer noch einen traurigen Stand von meiner Mutter Leiden mit. Ich kann zwar keine große Gefahr in dem Uebel selbst sehen, aber doch ist ein sehr langes Betthüten, bei so schwacher Constitution immerhin gefährlich genug. Ich bin nur froh, daß die Geschwulst aufgekommen ist; doch muß ich den Arzt tadeln, daß er sie nicht früher eröffnet hat, um die schlafraubenden und kräftezehrenden Schmerzen zu beenden. Ich möchte wohl alle 8 Tage, statt alle 14 Tage oder 3 Wochen, Nachricht haben; doch hat wohl Marie, die ja glücklicherweise wiederhergestellt scheint, mit Mutters Pflege und der Haushaltung zu viel zu thun.
Ich selbst bin zufrieden mit meiner Gesundheit und habe, wenn auch von Zeit zu Zeit bei dem schlechten Wetter kleine Rückfälle den guten Weg in Frage stellen, im Ganzen große Fortschritte gemacht. Beständige Witterung und die Bäder in Hammam-Meskoutine werden das Uebrige, hoffe ich, besorgen. Was letztere und meinen Besuch dort, betrifft, so erwarte ich den Entschluß des Herrn Dr. Moreau, von dem ich Euch geschrieben habe, dem Eigenthümer der Bäder. Es ist angenehmer, mit ihm dort hin zu gehen, weil schwer ein Unterkommen zu finden sein wird, zumal da außerordentlich viele Besucher dorthin gegangen zu sein scheinen. Der Mann hat ungeheuer viel damit zu thun und meint oft selbst, daß es wohl ein zu großes Unternehmen für seine Jahre (er ist über 60 Jahre, wenn auch sehr rüstig) sei. Doch thut er es für seinen Sohn und um nicht genöthigt zu sein, bis an sein Lebensende der Praxis nachzujagen. Der Sohn ist 18 Jahre alt und im Begriffe, sein Abitur-Examen zu machen, um ebenfalls sich der Medicin zu widmen. Es kostet natürlich ein großes Capital, dessen Beschaffung, obgleich er Theilhaber in Frankreich hat, ihm doch manchmal Sorgen zu machen scheint. Es ist ein ungeheurer Land-Complex dabei, der cultivirt werden soll; es soll sofort ein Etablissement, wenn auch noch nicht im großartigen Maaßstabe, errichtet werden etc. etc. Ich verkehre viel bei ihm oder, da er sehr beschäftigt ist, bei seiner Frau, die eine sehr liebenswürdige Dame ist, wenn auch etwas zu gesprächig, wie man es nicht selten bei Französinnen trifft. Ich behandle sie jetzt an einem Augenleiden, und will hoffen, Ehre dabei einzulegen.
Jetzt zu Euch und Eurem Befinden, meine Lieben! Ich habe das Bedürfniß, von jedem Einzelnen detaillirte Nachrichten zu haben und jetzt, wenn ich in der Familie des Dr. Moreau in der Mitte aller Kinder und er hat deren bis zu 3 Jahren herunter, bin, versetze ich mich mehr, als je, im Geiste in den zahlreichen Kreis der Brügelmann’schen Familien-Zweige. Die Großmama hat wohl ihren Geburtstag gestern schon gefeiert (ich spreche vom Tage der Ankunft meines Briefes), oder sollte mein Brief das Glück haben, am Tage selbst noch einzulaufen? Jetzt habt Ihr vermuthlich kein gutes Wetter, denn je günstiger der Winter, desto unangenehmer pflegt das Frühjahr zu sein. Möget Ihr nur von Krankheiten bewahrt bleiben: Es ist mein täglicher, aufrichtiger Wunsch. Wie habt Ihr das Osterfest zugebracht? Was machen Karl und Wilhelm und Albert? Und wie macht sich der erstere auf dem Gymnasium? Er könnte mir wohl nächstens einmal einen kleinen Brief schreiben. Frl. Sophie kehrt nächstens aus Neu-Fahr und Frl. Marie wird ihren Platz einnehmen, wie sie schon so lange dringend gewünscht hat? Und Lenchen und die übrige kleine Schaar? Kann sie den kleinen „Dirk“ noch bändigen? Was macht der Mann ihrer Schwägerin in Rotterdam? Und das Geschäft und Herrmann und Christiane und die Kinder? Das sind genug Fragen, die im lebhaften Interesse natürlich sind, ohne daß man auf jede einzelne eine Antwort erwarten kann. Wie hat sich das mit Dorchen Wahlenberg wieder angeknüpft und was sagen die Eltern dazu? Allen meine freundlichsten Grüße und den Freunden der Familie und der Thürmchensgesellschaft, die sich meiner wohlwollend erinnern, die Versicherung meines Respectes. Meine Nachrichten über Land und Leute werden wahrscheinlich allmählig dürftiger, doch ist dies wohl natürlich, da das in die Augen springende Neue und Interessante erschöpft ist, da ich aus Mangel an Ausflügen keine neuen Sachen schöpfen konnte und mich noch mehr der Bibliothek des Dr. Moreau zugewandt habe, um meine klimatologischen Studien zu fördern. Hammam-Meskoutine wird gewiß neuen Stoff und neue Anregungen geben und zu interessanteren Mittheilungen führen. Es thut mir leid, daß meine erste Sendung von Thieren vielleicht nicht nach Wunsch des zoologischen Gartens ausfällt. Denn erstens ist die eine Tigerkatze weiblichen Geschlechts (sie kam während ihres Aufenthaltes in meiner Gefangenschaft frühzeitig nieder) und wenn mich auch Beamte des hiesigen Acclimatisationsgartens der Männlichkeit der anderen Bestie versichert haben, so habe ich doch meine Zweifel. In jedem Falle wenigstens sind wohl kaum solche im Garten vorhanden gewesen und werden sie als neu vielleicht nicht ganz unerwünscht sein. Meine Empfehlung an Herrn Dr. Bodinus und Herrn Dr. Garthe, an den ich nächstens über die Bodenbeschaffenheit hierselbst schreiben werde. Ins Künftige werde ich mich natürlich auf ausdrücklich ausgesprochene Wünsche beschränken.
   Euer Gustav. 


FORTSETZUNG IM 4. TEIL