4. Teil: Tunis 1863 

Tunis am 14ten Mai 1863
    /1 Juni
 Meine Theuersten!
Meinen herzlichen Dank für Euren sehr lieben Brief vom 5ten, der soeben in meine Hände gelangt ist. Ihr werdet euch wundern, Nachricht von mir aus diesem Lande zu erhalten, das zwar so nahe an Algérien gelegen, doch so weit von ihm verschieden ist. Den Grund dazu giebt mein Besuch bei dem Pastor Fenner, den ich in Bône kennengelernt hatte und der mir ausnehmend gefällt. Er ist englischer Kaplan und Judenmissionar hier, hat eine deutsche Frau und wohnt seit 3 Jahren in Tunis. Seine beiden allerliebsten Kinder sind deutschen Ursprungs, denn er hat zu dem selben Zwecke der Judenbekehrung 3 Jahre in Posen gewohnt, wo sie noch geboren sind. Er stiftet unendlich viel Gutes, belehrt die Juden in einer so jovialen Weise und ist thätig durch Einrichtung von Schulen, durch Armenunterstützung, daß er von den Juden, obgleich sie Alle den Zweck seines Aufenthaltes genau von ihm selber kennen, sehr geachtet und geschätzt wird. Seine Sprachkenntnisse, er spricht fertig arabisch und hebräisch, unterstützen ihn in diesem Amte, das bei der großen Schriftkenntnis und Schlauheit der Juden gewiß nicht leicht ist. Alle Tage kommen sie zu ihm und streiten mit ihm über Stellen im alten Testament, er besucht ihre Feste, ihre religiösen und öffentlichen, wie auch ihre Hochzeiten etc und spricht sich überall ihnen gegenüber mit der größten Offenheit und Liebenswürdigkeit aus. Für die Schulen hat er noch einen Lehrer, der Italiener ist und eine Lehrerin, welche bei ihm wohnt und aus Bern stammt. Was sein Amt als englischer Kaplan betrifft, so hat er in seiner Gemeinde die Consular-Familien für England und Amerika, für Schweden, Norwegen und Preußen und französische und deutsche Protestanten. Der Gottesdienst, dem ich letzten Sonntag beigewohnt habe, wird in englischer Sprache und nach anglikanischem Ritus abgehalten. Ich bin ihm selbst noch zu besonderem Dank verpflichet für die Sorge und Pflege, die ich in seiner Familie fand, während mich vorgestern bei ihm ganz aus heiterem Himmel, ohne irgend eine Veranlassung, ohne vorhergehendes Unwohlsein, ein kleiner Bluthusten befiel. Es ist dies ganz ohne Folgen vorübergegangen, wenn nicht noch etwas nachkommt, und hat schon nach einem Tage ganz aufgehört. Und ich war sonst mit dem erlangten Erfolge, nach dem Du Dich, lieber Onkel, auch erkundigst, so wohl zufrieden! Die katarrhalischen Erscheinungen, die zurückgebliebene Kurzathmigkeit waren bis auf ein Minimum geschwunden und ich werde erst jetzt durch den kleinen Anfall daran erinnert, daß noch nicht Alles vorüber ist. Es scheint, daß das Frühjahr, wo das Blut mehr in Gehrung ist (so auch im vorigen Jahr), solche Erscheinungen begünstigt. Doch hält der bis jetzt errungene Erfolg meine besten Hoffnungen aufrecht. Freilich werde ich dann noch hier bleiben müssen und es ist dies der Punkt, über den ich Eure Genehmigung einholen muß. Ich habe seit längerer Zeit diese Frage der Rückkehr in meinen Briefen unerwähnt gelassen, obgleich der bevorstehende Sommer die Besprechung derselben so natürlich und nothwendig machte, weil ich es mir seit einiger Zeit angelegen sein ließ, Mittel und Wege zu finden, die den Zweck des Hierbleibens ohne übergroße Kosten ermöglichen könnten und welche mir das Drückende der beschäftigungslosen Existenz zu gleicher Zeit wegnähmen. Selbst wenn ich die Autorisation practiziren zu dürfen, für Bône erlangt hätte, so würde ein längerer Aufenthalt, als ein halbes Jahr oder etwas länger dazu gehören, um eine nur einigermaßen lohnende Beschäftigung zu finden. Dazu sind der Aerzte dort zu viel und einige darunter zu instruirt, um sie so bald aus dem Felde zu schlagen.
Nach der Bekanntschaft mit dem Pastor Fenner richtete ich also meine Augen auf Tunis, correspondirte mit ihm darüber, und er selbst und der General-Consul von Schweden, Norwegen und Preußen, der sehr gut mit dem Bey steht, haben sich alle mögliche Auskunft verschafft und die Frage mit großer Freundlichkeit für mich nach allen Richtungen hin ventilirt. Besonders auch der letztere, Mr. Tulin, dessen Vater und Großvater schon dieselbe Stellung inne hatten, die sich natürlich von Stellungen der gewöhnlichen Consuln sehr unterscheidet, da sie einen mehr gesandschaftlichen Charakter hat, ist mir sehr freundlich entgegengekommen. Er ist gewiß schon 60 Jahr und sein Alter bürgt für die Besonnenheit seines Urtheils, so wie das Amt des Herrn Fenner für die des seinigen. Beide stimmen darin überein, daß, da ich selbst und die Aerzte, die ich darüber consultirte, einen etwas längeren Aufenthalt in dieser Gegend für wünschenswerth halten, Tunis der beste Ort hier herum sein möge, um die großen Kosten in kurzer Zeit einzubringen und unbezahlbare Erfahrungen in verschiedenen Krankheiten, besonders der Augenheilkunde, zu machen. Herr Tulin kennt zufällig noch etwas mehr davon, da sein Schwiegervater, der hier General-Consul für die vereinigten Staaten war, bevor er die diplomatische Carriere einschlug, selbst Arzt war und hier noch aus Vergnügen Manches in seiner Wissenschaft wirkte. – Tunis ist eine Stadt von ca 180.000 Einwohnern, unter denen ca 40.000 Juden, 15-20.000 Europäer, großentheils Italiener. Es giebt im Ganzen keine 10 Aerzte und 3, die man für wirklich einigermaßen tüchtig hält. Wenn man auch weiß und abrechnet, daß die Araber nicht allzu beeifert sind, einen Arzt anzunehmen, so kann trotzdem die Anzahl der Aerzte nicht hinreichen. Ich blieb kürzlich zufällig in einer Straße mit dem Herrn Fenner stehen, um einem Araber ein krankes Auge anzusehen, und in kurzer Zeit hatte sich ein Dutzend gesammelt, die Alle kurirt sein wollten. Das sind zunächst allerdings nur Solche, welche nicht bezahlen, doch werden sie schon Andere nachziehen, denn der Leidenden, besonders an den Augen und der Haut, sind zu viele. Sonst bezahlt man den Gang zum Arzt mit 5 Piastern (ca 1 Thl.) Und wenn die Armuth groß sein mag, so ist der Reichthum bei sehr Vielen noch viel größer. Die Juden besonders besitzen auch hier die größten Schätze. Wenn man nach den europäischen Häusern, die im Bau begriffen sind, urtheilen soll, so müssen sich die Europäer ebenfalls sehr wohl befinden, wie denn auch ihre Zahl immer steigt.
Was den sanitätlichen Werth von Tunis für meine eigene Gesundheit anbetrifft, so ist es derselbe, den Bône haben kann, wie auch die kurze Entfernung zwischen beiden schon vermuthen läßt. Tunis hat vielleicht den Vortheil, keine Fiebergegend zu besitzen, wie Bône, während es vielleicht staubiger sein kann, wegen des größeren Verkehrs. – Die Kosten des Lebens werden im Ganzen auch wohl dieselben sein, wenn allerdings auch Tunis immerhin ein Unbedeutendes (vielleicht 10-20 frcs) theurer sein mag. Nach All’ dem, lieber Onkel, habe ich die Absicht, die Zeit, welche ich noch in der Fremde bleibe, hier in Tunis zuzubringen. Habt Ihr etwas dagegen oder werden meine Hoffnungen nicht realisirt, so habe ich hinlänglich Gelegenheit, das während der Monate des Sommers zu sehen und kann dann immer noch vor dem Herbst, der ja immer bei Euch schön ist, zurückkehren. Im anderen Fall würde ich allerdings noch einen Winter daransetzen, wie es ja auch die meisten Brustleidenden zu thun gezwungen sind. Und bis dahin hoffe ich jedenfalls eine Beschäftigung zu haben, die die Kosten des Aufenthaltes sehr ermäßigt und keine großen Anstrengungen mit sich bringt. Herr Pastor Fenner geht seit längerer Zeit damit um, da ihm hinlängliche Summen von England zu Gebote stehen, ein Hospital für kranke, arme Juden zu errichten, und da die Person, der er ärztliche Funktionen anvertrauen wollte (ein Engländer, der gründliche Studien in der Medicin gemacht zu haben scheint, ohne sie beendigt zu haben), seines Vertrauens nicht würdig ist, so würde mir dies zufallen.
Die Protection unseres Consuls, der gar keine Beschäftigung hat und fast der reichste Mann in Tunis sein soll, der überdies außerordentlich thätig sein soll für die, welche er leiden mag, wird ebenfalls von großem Vortheil sein. Trotzdem solche Leute in der Fremde gewöhnlich sehr argwöhnisch und steif werden, da sie zuviel von Abenteurern angegangen werden, so hatte ich ihm kaum meinen Besuch gemacht, als er ihn auch schon erwiderte, mich seiner Frau und Tochter vorstellte, und überall selbst für mich Erkundigungen einzog. Es ist schade, daß sie nicht deutsch sprechen und auch französisch nicht zu gern; ihre Umgangssprache ist die englische, die ich auch jetzt jedenfalls zu erlernen Gelegenheit nehmen werde. In jedem Falle seht Ihr, werde ich dann wenigstens mit der Errungenschaft einiger Sprachkenntnisse und anderer reicher Erfahrungen zurückkommen.
Tunis ist die merkwürdigste Stadt, welche ich noch bis jetzt gesehen habe. Bône ist im Vergleich mit ihr die europäische Stadt von reinstem Typus. In den Straßen kann nicht gefahren werden, weil sie zu eng sind und in der That denke ich hier manchmal an das Berbergäßchen zu Coeln, das hier unzählige Schwestern findet. Eine Straße, in der ein beladenes Kameel passiren kann, ist breit zu nennen. So muß der ganze Handelsverkehr in Innern der Stadt durch Lastträger und Esel und wo es angeht, durch Kameele besorgt werden. Nur eine fahrbare Straße, welche eigentlich zwischen Stadt und Vorstädten liegt, kann dazu dienen, denjenigen, der fahren kann und will, einem entfernteren Punkte der Stadt mehr oder weniger zu nähern. Eine andere kurze fahrbare Straße ist für den Bey, um von seinem außerhalb der Stadt gelegenen Palaste (Bardo) zu dem in der Stadt befindlichen zu gelangen. Von dem Gedränge in den Straßen, welche den Detailhandel mit Stoffen u.s.w. enthalten, hat man in den größten europäischen Städten gar keine Idee.
Tunis ist wegen vielfacher Produkte renommirt. Besonders bekannt sind die feinen Burnus, welche hier gemacht und gearbeitet werden. Auch Seidenspinnereien und Webereien giebt es hier, die schöne Fabrikate liefern. Alles wird aber mit der Hand gemacht, die Maschinerieen sind sehr einfach. Daß die Fabrikate dann doch nicht theurer werden, als europäische, liegt in dem Umstande, daß der Werth der Zeit für die Araber nicht existirt und sie selbst sehr genügsam in ihren Bedürfnissen sind. Gold- und Silberstickereien sind wahrhaft prachtvoll und es ist dies eine Kunstfertigkeit, welche in den Familien geübt wird. Die jüdischen Frauen z. B. tragen hier eng anschließende Beinkleider, welche bis auf den Fuß herabgehen; darüber ein ganz kurzes Hemd in Seide oder Wolle, über diesem meist noch eine eng anliegende Jacke. Jede gut situirte Frau nun besitzt 1, 2, 3 Prachtanzüge in Seide, mit Silber oder Gold gestickt, und zwar so reich gestickt, daß der Stoff vor Metall unsichtbar wird. Diese fertigen sie großentheils selbst an. Ich bin bei Juden gewesen und habe solche Anzüge angesehen und bewundert. Ein solcher Anzug kostet wohl über 1000 Frcs. Ich habe die engen, kleinen Höschen gesehen im Werthe von 250 - 500 Frcs. – Ein ausgezeichnetes hiesiges Fabrikat sind ferner Lederstickereien, wie sie in prachtvoller Weise zu Sattlerarbeiten verwendet werden, und überhaupt die Lederarbeiten. – Jedes Handwerk wohnt für sich in besonderen Straßen; besonders zahlreich sind die Schuhmacher, welche Schuhe und Stiefel in Maroquin in allen Farben und Formen verarbeiten. Alles wird in ganz kleinen Werkstätten frei vor den Augen des Publikums gemacht. Die Werkstätten sind so klein, daß die Schmiede, welche hämmern müssen, in einem Loche in der Erde neben ihrem Ambos sitzen.
Diese Werkstätten versorgen natürlich einen großen Theil des Innern des Landes. Seit einiger Zeit sollen viele Burnus nach Europa gehen.
Der Handel ist sehr lebhaft in Wolle und Oel, die Handelshäuser gehören verschiedenen Nationalitäten an.
Gepflastert ist nur eine Straße, soviel ich bis jetzt weiß, die man die große Straße nennt, obgleich sie die Breite der unteren Johannisstraße bei weitem nicht erreicht. Zur Regenzeit giebt es in Folge dessen viel Schmutz und man ist genöthigt, auf Holzklötzen, die mit einem Lederriemen auf dem Fuße gehalten werden, herumzuwandeln. Doch hat die Enge der Straßen den guten Grund, daß man in ihnen vor Staub und Hitze im Sommer geschützt ist. Noch mehr entspricht diesem Zwecke die Bauart der maurischen Häuser, deren Beschreibung im Detail ich mir noch vorbehalte. Die Häuser sind mit Ausnahme weniger europäischer Häuser, die ihrer Zahl nach bei der Größe der Stadt gänzlich verschwinden, alle in demselben Stile erbaut, ja alle von demselben Aussehen, das, da die Straßen ebenfalls sehr ähnlich untereinander sind, leicht zu Verwechslungen Veranlassungen giebt. Straßennamen existiren ebenfalls nicht, noch viel weniger Hausnummern und es ist zu wundern, wie Jeder nach einer Beschreibung sich so leicht findet.
   Von Preußen befinden sich hier 2 Menschen aus Coeln: ein Wagenbauer Namens Schneider, der nach Allem nicht allzu achtbar zu sein scheint, und ein Münzbeamter des Bey (Auerwasser, glaube ich), der ein achtbarer Mann sein soll. Ferner ein Bierbrauer aus Kreuznach, Namens Hepp, und ein unglücklicher Diener des Bey, der aus Werben kommt und eigentlich Krüger heißt. Er ist vor langen, langen Jahren in Preußen desertirt (d. h. ohne Erfüllung seiner Militärpflicht gegangen), in Frankreich desertirt (d. h. in Algérien aus dem Heere), nach der Wüste verschlagen und nach 5jährigem Hin- und Herlaufen daselbst endlich nach Tunis gekommen, wo er schon seit einer Reihe von Jahren wohnt. Er ist Muhamedaner geworden, heißt Abdallah, ist verheirathet und in guten Verhältnissen. Doch sagt Herr Fenner, der ihn schon seit Jahren kennt, daß er sich sehr unglücklich fühlt, daß er en fond noch ein ordentlicher Mann sei, und einen Rest des Christenthums bewahrt habe. Er hat schon früher mehrfach Versuche gemacht zu entweichen. . .
 

(Der Schluß des Briefes ist nicht vorhanden. )



Tunis am 6ten Juni 1863
              /21 Juni

 Meine Theuren!
Ich beschränke mich auf einige wenige Zeilen, die ich mich, da schon 3 Wochen verflossen sind, an Euch zu richten verpflichtet halte. Ich bin erst gestern hier angekommen und bin mitten in den Schwierigkeiten der ersten Installation, die sich besonders in Hinsicht auf Wohnung schwierig erweißt. Denn wenn sie auch wohl vorhanden sein mögen, so hängen doch keine civilisirten Zettel mit Chambre à louer heraus, und bei der Abgeschlossenheit der maurischen Häuser kennt man die freien Quartiere nicht so. Das billigste scheint noch immer zu sein, unmöblirte Wohnungen zu miethen und die nothwendigen Stücke selbst anzuschaffen. Der Preis für diese Sachen bleibt bei späterem Verkaufe immer so hoch, daß man fast Nichts verliert, während sie in den möblirten Wohnungen hoch gerechnet werden. Daß dies mit mancherlei Embarras verknüpft ist, begreift Ihr; besonders da man dabei mit Menschen von allerlei Nationen und Sprachen verkehren muß.
Für meine practicirenden Pläne hier bot meine erste Entrée jetzt hier nicht die günstigsten Aussichten, wenigstens scheinbar. Denkt doch, daß während meiner Abwesenheit noch 2 Doctoren oder Quasi-Doctoren angekommen sind, die wenigstens ähnliche Pläne zu haben scheinen: ein Franzose und der andere von Malta. Sie scheinen beide allerdings nicht an Ueberfluß an Kenntnissen zu laboriren. Doch hängt ja davon der Effect bekanntlich nicht immer ab. Das ist nun gleich und kann mich in meinem Vorhaben nicht hindern. Will das Schicksal nur, daß mir einige günstige Augenfälle in die Hände kommen, und es warten schon einige auf mich (so eine Dame im Hause des Holländischen Consuls): so kann ich viel zu sehen bekommen und auch verdienen. Ich hoffe, daß Ihr vor Allem nicht unzufrieden sein werdet mit diesem Schritte, der ja übrigens, wenn ich nicht reussirte, von keinen großen störenden Folgen begleitet sein kann. Sobald ich nur installirt sein werde, werde ich auch die Correspondenz wieder mit größerer Sorgsamkeit und Pünktlichkeit aufnehmen, so wie ich sie ja doch lange genug treue gehalten habe. Aber hier ist es jetzt kaum zu verlangen. Ich sitze hier in einem kleinen Hotelzimmer eingeschlossen, in dem man kaum athmen kann, auf dem Bette und da ein verfügbarer Tisch fehlt, so schreibe ich auf dem Nachttischchen, das für die Schreibmappe keine hinlängliche Größe entwickelt.
All dies wird sich beim Abgange des nächsten Couriers, durch den Ihr wieder auf Nachricht von mir zählen dürft, hoffe ich, arrangirt haben. Dann werde ich meinen Verkehr in den Consular-Familien wieder aufnehmen oder beginnen und werde vielleicht auch in besseren arabischen Kreisen ein günstiges Vorurtheil für einen Berliner Doctor finden, da erst mit dem letzten Schiffe die Gesandschaft des Bey von Berlin zurückgekehrt ist und sehr befriedigt sein soll.
Dieser mein Brief wird Euch vermuthlich schon in Reinhardsbrunn antreffen, wo, ich hoffen will, Ihr die vielen Annehmlichkeiten und Reize dieses prächtigen Aufenthaltes in unvermindertem Maaße finden möget. Das wird für Lenchen eine angenehme Tour sein und sie wird gewiß sehr zur Unterhaltung und Munterkeit in diesem Aufenthalte, der sonst bisweilen etwas zu still werden kann, beitragen. Es wird jedenfalls dort angenehmer sein, als es hier schon ist und noch werden wird. Die Wärme ist bisweilen schon etwas unangenehm und man vermeidet es gern, von 10 Uhr Morgens bis Nachmittags 4 Uhr auszugehen. Besonders unangenehm werden die Nächte durch die Moustiquos, welche hier viel reichlicher als in Bône zu sein scheinen und die Einen wahrhaft zerfleischen, wenn man sich nicht mit äußerster Vorsicht einhüllt.
Ich bin hier mit dem Abgange der Post noch nicht vertraut; ich schließe also, um die Expedition nicht aufzuhalten, mit herzlichen, innigen Wünschen für Euer Aller Wohl. Nächste Woche mehr!
  Euer dankbarer
    Gustav !


  Tunis am 12ten Juni 1863
     /23 Juni

 Meine theuren Verwandten!
Ich schreibe schon wieder, theils weil ich das letzte Mal nur wenige Zeilen geschrieben habe, theils weil meine Correspondenz durch die kleinen Reisen in letzter Zeit überhaupt etwas unregelmäßig geworden ist. Ich befinde mich noch im Hotel und kann dasselbe erst in 8 Tagen, wo das muselmännische Jahr zu Ende geht und wo die Miethen wechseln, verlassen. Ich habe eine unmöblierte Wohnung, d. h. den billigeren Weg sich zu installiren, vorgezogen und werde während dieser Zeit ein Bett, eine Commode, einen Tisch und 3 Stühle zu erstehen suchen. Die Wohnung besteht aus 2 ganz schönen Zimmern und kostet 50 Piaster (ca 33 frcs), liegt ziemlich gut, in der Nähe des Pastor Fenner und in einem ziemlich bekannten Hause, was für einen Arzt immer etwas werth ist. Laß das nothwendigste Mobiliar noch ca 150 Frcs kosten, von denen im unglücklichsten Falle beim Wiederverkauf ein Drittheil verloren gehen könnte, so wird dies immer noch billiger, als eine möblierte Wohnung, die 50-60 Frcs per Monat kosten und sehr selten sind. Freilich ist das Alles nicht billig, wie in Tunis Nichts billig ist, doch denke ich, wird sich immerhin ein Theil ganz gut verdienen lassen. Freilich bin ich durch diesen verlängerten Aufenthalt im Hotel, die ersten Anlagen, die Reise u.s.w. des Geldes sehr bedürftig und will hoffen, daß am künftigen Donnerstag eine kleine Sendung von Dir, lieber Onkel, einlaufen wird. Andernfalls würde ich in ernstliche Verlegenheit geraten können. Im Ganzen kann ich Euch wohl versichern, habe ich mich einer rühmlichen Sparsamkeit befleißigt, die nicht geringer geworden ist, seit ich mich mehr und mehr vor Betrügereien zu hüten gelernt habe. Zu dem oben Erwähnten kommt noch, daß die Miethen pränumerando bezahlt werden und daß alle Welt in seinem Nächsten einen Betrüger wittert. Die Briefe, wie schon erwähnt, kommen ganz prompt, und pünktlich an, da die Post französisch ist und nur die Station von Bône nach Tunis noch weiter macht.
Nicht lieb war es mir, bei meiner Ankunft hier schon zwei „Doctoren“ zu selbigem Zwecke im Hotel vorzufinden: einen Franzosen und einen Malteser. Ersterer ist wohl Schwindler oder wenigstens schlecht instruirt und behauptet auch, in ca einem Monat wieder fortgehen zu wollen, letzterer ist ebenfalls, wie die meisten Süd-Italiener, nicht sehr gebildet und schon ein älterer Mann, der von Zeit zu Zeit noch nach Tunis zu kommen scheint. Man muß also eine solche Concurrenz aufnehmen und sie wird wohl zu ertragen sein. Gesund bin ich nach dem letzten kleinen Vorfall geblieben, d. h. derselbe ist in der That viel besser vorübergegangen, als jemals einer der vorhergehenden. Ich glaube noch vollständig, hier ganz und gar gesund zu werden.
Von meinem Aufenthalte in Tunis kann ich noch nicht viel Bemerkenswerthes mittheilen. Ich habe meine Zeit damit hingebracht, Wohnungen anzusehen und zu suchen und da man wegen der anfangenden Hitze nicht gern von 10 Uhr bis Nachmittags 4 Uhr ausgeht, so geht die übrigbleibende Zeit natürlich rasch hin. Meine Gesellschaft besteht aus dem Grafen von Broyer, einem alten Orleanisten, der unter Napoleon zu dienen sich geweigert und sich in eine Art Verbannung nach Algérien und hier zurückgezogen hat; einem Herrn Mason aus Nancy, der zu seinem Vergnügen schon seit Jahren reist, einem Maler aus Paris, der Zeichnungen hiesiger Sachen für ein wissenschaftliches Werk macht, einem Herrn de Sainte-Marie, der beim französischen Consulat angestellt ist, Herren, die fast alle im Hotel wohnen. In der Stadt besuche ich häufig den Pastor Fenner und habe meinen Besuch bei unserem Consul natürlich wiederholt. – Die englische Gesellschaft hält sehr zusammen und sobald ich eingezogen bin, werden meine englischen Studien auch beginnen. Im Französischen habe ich in letzter Zeit große Fortschritte gemacht, wenn ich auch durchaus nicht das Ziel erreicht habe, es wie ein Pariser oder wie ein Russe zu sprechen. – Wie reich Tunis an mannichfachen Fabrikaten ist, habe ich erst bei dem Herrn Masson aus Nancy gesehen, der gewiß schon für mehre Tausend Franken zusammengekauft hat, um es mit nach Hause zu nehmen. Waffen, Lederarbeiten und Stoffe in Wolle und Seide mit Gold- und Silberstickereien sind die Zweige, in denen Mannichfaltiges geleistet wird. Der Maler, der früher Jahre hier zugebracht hat, erzählt von einem wahrhaft feenhaften Luxus, der in den Häusern vornehmer Muhamedaner herrsche. Der Reisende sieht davon Nichts, denn die Häuser haben fast Alle dieselbe ruinenhafte, triste, langweilige Außenseite; erst in ihrem Innern entwickelt sich Alles Leben. Besonders die Landhäuser, die aber Alle ziemlich weit von Tunis selbst liegen, sollen an Pracht und Reichthum, an kostbaren Säulen, prächtigem Marmor und reichen Elfenbeinarbeiten Alles übertreffen, das man nur ahnen kann.
Gestern bin ich mit dem Herrn aus Nancy in einem arabischen Hospitale gewesen, das derselbe auf seinen Kunststreifereien (er ist auch etwas Maler) entdeckt hatte. Einen traurigeren Anblick kann sich Niemand vorstellen, als in Wirklichkeit diese Humanitätsanstalt darbot. Was an Schmutz, Finsterheit und Ärmlichkeit nur erfunden werden kann, wird hier geleistet. Man glaubt in eine Art Strafanstalt für schwere Verbrecher zu kommen, ein Gedanke, der noch Nahrung erhält durch den Anblick der ersten Etage des einen Flügels, die mit einem großen eisernen Gitter umzogen ist, hinter dem man die abgezehrten, wilden Physionomieen der tobenden Geisteskranken erblickt. Um solche, die sich nicht ihrer Beinen bedienen können, des Genusses der frischen Luft theilhaftig werden zu lassen, schleppt man sie aus ihren Höhlen (anders kann man die finsteren kleinen Krankengemächer für ein oder 2 Kranke eingerichtet, ohne Fenster, ohne Thür, ohne weiches Lager (meist nur Strohmatte) nicht bezeichnen) beim Kragen hervor und läßt sie auf den Steinen des Hofes einige Stunden liegen, nach welcher Zeit man sie in derselben Weise wieder in ihre Löcher zurückbefördert. Ihre Nahrung schien nach dem, was ich dann sah, ebenso kümmerlich zu sein, wie die übrigen Krankeneinrichtungen. Glücklicherweise waren der Unglücklichen, welche genöthigt waren, die Hülfe dieser Mordanstalt in Anspruch zu nehmen, sehr Wenige; es schienen diejenigen zu sein, welche auch gar keine Ressourcen, keine Anverwandten etc haben. Die blinden Bettler an den Straßenecken, die Krüppel, welche das Mitleid der Vorübergehenden anrufen und zahlreicher sind, als irgend wo, sind zweifelsohne viel glücklicher und zufriedener als diese. Wenn es möglich sein sollte, die Erlaubniß zu erhalten, würde ich die Unglücklichen behandeln und wenigstens ihre Qualen erleichtern.
Einen viel angenehmeren Eindruck habe ich dagegen von der kleinen Reise zu den verzauberten Bädern von Hammam-Mescoutine bewahrt, die ich, wie ich geschrieben zu haben glaube, kurz vor meiner Uebersiedlung hierher besuchte. Man hat auf dieser Tour die beste Gelegenheit, den Zustand der Colonisation und vorzüglich der deutschen Colonen zu beobachten und zu beurtheilen. Alle Dörfer zwischen Bône und Guelma, welche Städte etwa 7-8 Meilen auseinander liegen, sind sog. deutsche Colonieen, d.h. sie zählen unter den Colonen in der Mehrzahl Elsässer und auch Badenser. Anscheinend war die Prosperierung des ersten, Penthièvre, nicht allzu groß, wie auch die geringe Thätigkeit der Colonen vermuthen ließ. Caféhäuser und Schnapsverkauf äußerst lebhaft, doch Morgens um 5 Uhr Todtenstille im ganzen Dorf, Ende Mai, wo das Getreide hier zu reifen beginnt. Gegen 6 ließen sich die ersten Laute vernehmen und gegen 7 sah man einige deutsche Jungfrauen, zwar schmutzig und nachlässig, doch in Crinolinen, die Heerden zum Dorfe hinaustreiben. Etwas besser sahen aus Nechmaya (mit den meisten wirklichen Deutschen) Bou-Sbah und Heliopolis. Gleichwohl ließen Gerste und Weizen fast überall einen reichen Erndtesegen erwarten. Auch Baumwolle fand sich in der Nähe der Städte ziemlich viel und sehr gut aufgegangen, da das Jahr ein sehr erwünscht nasses ist. Man hörte überall, daß man noch viel mehr Baumwolle gepflanzt haben würde, wenn die Annoncen, die die Regierung mache, allgemeiner und frühzeitiger bekanntgemacht wären. – Heliopolis, das größte Dorf, nahe bei Guelma, baut dann noch viel Wein, der sich schon eines gewissen Rufes erfreut. Nicht weit von Guelma befindet man sich in Mitten römischer Erinnerungen. Zu beiden Seiten der jetzigen Straße erblickt man noch wohl erhaltene römische Wege und Trümmer mannichfacher Constructionen. Guelma selbst hieß früher Calama und florirte schon in den frühesten Zeiten. Die Städte standen seit der Römer-Zeit auf demselben, für den Ackerbau so günstigen Punkte, unter verschiedenen Namen, stets blühend und reich, doch immer bald zerstört. Freundlich liegt es da, ein heiteres, regelmäßiges, durchaus europäisches Ackerstädtchen, wenig dem Lande entsprechend angelegt mit riesenbreiten Straßen und dünnwandigen, mit zahlreichen Fenstern versehenen europäischen Häusern. Guelma ist ein Städtchen von ca 4000-5000 Einwohnern; doch die Reste römischer Etablissements verrathen die frühere Bedeutung. So ist das Amphitheater berechnet für eine Stadt von ca 30.000 Einwohnern. Man findet außerdem noch römische Wasserleitungen, Bäder etc.
Von Guelma sind die Bäder noch 1½ - 2 Meilen entfernt. Der Weg führt durch prachtvolle Gegenden, passirt in fortwährender Abwechslung Hügel und Thäler, üppige, bebaute Felder und wildromantische Partieen. In dieser Gegend liegen die reichsten und schönst angelegten Farmen und sah man den besten Getreidestand, den ich noch gefunden habe. Man überschreitet den Seybouse, den Fluß, der sich bei Bône ins Meer ergießt, und von da bis zu den heißen Quellen hört alle Cultur auf. Das ist schon das Land der Löwen und Panther, der Luchse etc. Schon von Ferne erblickt man endlich in weiter Ausdehnung die zahlreichen weißen Kegel, die die Phantasie der Eingeborenen mit verzauberten Zelten vergleicht, die die regelmäßige Formation grober Zuckerhüte darbieten und die ebenso viele frühere Öffnungen der Quellen repräsentiren. Das Wasser, wie ich schon früher sagte, in der Temperatur von 95° Celsius, enthält eine große Menge von Kalksalzen in Lösung, die sich zum Theil, sobald das Wasser durch die Berührung mit der äußeren Luft erkaltet, absetzen. Auf diese Weise entstehen Kegel, die endlich, wenn die Ablagerung ihren Canal verschließt, kein Wasser mehr liefern. Dafür öffnet sich auf einer anderen Stelle eine neue Quelle, so daß die Gesammt-Quantität des Wassers, seit man die Quellen beobachtet hat, sich nicht wesentlich geändert hat und für Tausende von Leidenden täglich hinreichen würde. Die Hauptquelle ist ungemein reichlich und hat einen ungemein großen Kalkberg gebildet, von dessen Höhe aus kraterförmiger Öffnung das Wasser hervorsprudelnd nach allen Seiten über seinen unregelmäßigen Rücken herabrauscht in ein kleines Thal, durchflossen vom Oued-Chedraka, einem Nebenflüßchen des obengenannten Flusses, in den sich die Quellen endlich ergießen und dessen Fluthen noch eine weite Strecke dadurch eine hohe Temperatur zeigen. Dichte Dampfwolken steigen von den herabsprudelnden, siedenden Quellen auf und hüllen das Haupt des Kalkberges in dicke Wolken. Auf der anderen Seite des Oued-Chedraka liegt auf einem Hügel das militärische Etablissement für 100 und einige Kranke berechnet, in dem auch einige Civilisten verpflegt werden. Die erhaltenen Resultate übersteigen die Hoffnungen jedes Arztes und grenzen bisweilen an das Wunderbare besonders in Gicht und chronischem Rheumatismus. Es wird gewiß eine Zeit kommen, wo das kranke Europa zu diesen von den Römern schon hoch geschätzten Bädern pilgern wird. Leider wird dies bei der großen Entfernung noch lange dauern und ich fürchte, daß mein alter Freund, der Dr. Moreau, die Früchte seiner Anstrengungen nicht mehr erleben wird. Es ist gut, daß zu dieser ihm concessionirten Besitzung der Bäder etwa 1200 Hectaren (ca 5000 Morgen) cultivirbares Land gehören, dessen Pachtzins der Araber immerhin seine 10-12.000 Frcs eintragen mag.
Auch hier in der Nähe von Tunis sind zwei ähnliche Bäder, die im Ganzen sehr besucht zu sein scheinen. Doch kenne ich sie noch nicht.
Dieser Brief trifft Euch zweifelsohne in Reinhardsbrunn. Möge es Euch dort ebenso gefallen, wie im vorigen Jahre, wie ich Euch schon gewünscht zu haben glaube, und möge es reichen Segen für Eure Gesundheit bringen. Die Nachrichten, die ich aus Uchtenhagen erhalten habe, sind leider auch nicht befriedigender Art. Marie leidet noch fortwährend an Husten, was doch noch grad bedenklich wird. Mutter scheint sich nach und nach zu erholen, auch das Bein sich etwas zu verlängern; doch geht sie noch an 2 Stöcken. In Stendal soll schon das 2te Kind ankommen und Vetter Meineke aus Uchtenhagen erholt sich nach langem Krankenlager (er ist brustkrank) allmählig wieder.
Wie geht es Klockenbring in Elberfeld und seinen vielen Kindern? Grüße ihn und Luise und die Brügelmannschen Familien von ganzem Herzen. Meinen Respect an die Großmama, die Versicherungen meiner Liebe für Euch! Sophie ist jetzt von Neu-Fahr zurück und dirigirt wohl das Stammhaus in der Mühlengasse? Dichtet sie noch oder ist diese romantische Periode schon vorüber?
Jetzt zu anderen Briefen: nach Uchtenhagen etc. Ich schließe mit den herzlichsten Grüßen für Euer Wohlbefinden in Reinhardsbrunn.
In steter Anhänglichkeit
Euer
     Neffe
    Gustav


 Tunis am 26ten Juni 1863
      /8 Juli

Es ist wesentlich, daß Tunis deutlich geschrieben werde, da sonst schon häufiger Briefe nach Turin gegangen sind.
 

 Mein lieber Onkel und theure Tante!
Ich erwartete schon bei meiner Ankunft in Tunis einen Brief von Euch vorzufinden und noch immer habe ich keine Zeile empfangen. Dein letzter Brief, mein lieber Onkel, ist vom 5ten Mai: ich fange noch gerade an, mich zu ängstigen. Jedenfalls ist Etwas nicht in Ordnung. Entweder ist Einer von Euch krank oder ein Brief ist verloren gegangen oder es ist sonst Etwas passirt. Ich will nur zufrieden sein, wenn der erste Fall nicht eingetreten ist; und Dein letzter Brief ließ doch Eure vollständige Gesundheit hoffen. Wenn Du auch kurz zuvor an einer Eiterung unter einem Hühnerauge gelitten hast, so ließ das doch keine weitere Gefahr vermuthen. Von der Tante schreibst Du auch, daß sie wieder ganz wohl sei; die Großmutter wollte ihren Geburtstag feierlich begehen, und die Jungen hatten mich durch ein kleines Briefchen erfreut. Wenn aber der zweite Fall eingetreten sein sollte, was nun im Ganzen das Wahrscheinlichste erscheint, ist es sehr fatal, daß der Brief wahrscheinlich einen Wechsel enthielt, daß Du mindestens vielerlei Schreiberei nöthig haben wirst, um einen Verlust zu vermeiden und daß ich endlich in nicht unerhebliche Verlegenheiten gerathen kann. Ich bin schon nicht mehr im Stande, die Frau Pastorin Fenner, welche mir mein Kanapee, das zu gleicher Zeit als Bett functionirt und aus einer hölzernen Bank ohne Lehnen, einem einer Matratze ähnelnden Sacke mit Werg und einem darüber gebreiteten, bunten Stoffe besteht, hat zurichten lassen, zu bezahlen. Wenn ich mit der nächsten Post keine Hülfe erhalte, werde ich in Bône ein kleines Anlehen machen müssen. Im Uebrigen wird der Aufenthalt hier nicht im Geringsten theurer werden, als in Bône, vielleicht sogar billiger. Wie viel ich werde verdienen können, kann ich natürlich noch nicht bestimmen. Es ist Mancherlei, was meine Berechnungen etwas zu Schanden macht. Mit dem letzten Schiffe ist z. B. noch ein französischer Arzt angekommen, mit Familie und Sack und Pack, der augenscheinlich seine Ankunft hier schon hinlänglich durch Bekannte vorbereitet hatte. Er hat bereits eine Wohnung, was sonst nicht etwa leicht ist, mit einem Worte, Alles arrangirt. Er ist augenscheinlich der Gefährlichste der 3 Concurrenten, die kurz vor mir, mit mir und kurz nach mir angekommen sind. Indessen was hilft es: ich war einmal da, hatte schon einige Besuche gemacht, und übrigens ist auch in Tunis Platz für viele. Von den beiden Uebrigen ist Einer schon als Industrie-Ritter erkannt, ohne irgend ein Anrecht auf einen gelehrten Titel, und wenn mich nicht Alles täuscht, verfolgt man ihn von Algier aus. Das Praktiziren unter Arabern ist keine leichte und angenehme Sache. Wenn man ihnen die Medicamente nicht gleich mit giebt, ist es durchaus unwahrscheinlich, daß sie auch nur einen Silbergroschen für den Apotheker aufwenden. Am liebsten würden sie durch einen Zauberspruch oder sonst eine wunderbare Kur von ihren Leiden befreit sein wollen. Die Mehrzahl ist ferner wirklich arm, denn das ganze Land ist in zu traurigen Verhältnissen. Die Großen Herren sind durchweg Spitzbuben der allerschlimmsten Sorte und erfreuen sich als solche eines enormen Reichthums. Doch sind diese nur Wenige: Das Volk schmachtet in einem Elend, das grenzenlos ist, und das noch ärger sein soll im Innern des Landes, als in Tunis. Die Juden sind wohlhabender doch begreiflicherweise auch nicht eben verschwenderisch mit ihrem Gelde. Im Ganzen gewinne ich nach und nach die Ansicht, daß ein Aufrichten dieses Volkes nicht mehr wahrscheinlich ist. Sie sind vollständig in Stupidität versunken: das allgemeine geistige Leben ist gleich Null. Die Gravität, die würdevolle, philosophische Ruhe verdanken mehr der Gedankenlosigkeit ihren Ursprung, als wirklicher innerer Würde und dem auf Nachdenken beruhenden Gleichgewicht des Gemüths. Von der Civilisation nehmen sie nur die Gemeinheiten an: Kartenspielen und Saufen; Liederlichkeit ist im Orient immer zu Hause gewesen. Die edleren Schätze der Civilisation sind der Allgemeinheit gänzlich verborgen geblieben.
Man kann wohl sagen: Tunis ist für den gebildeten Menschen ohne ernstliche Beschäftigung gänzlich unbewohnbar. Ich spreche nicht von Vergnügungen; Gott weiß, ich mache keine Ansprüche darauf; aber die Möglichkeit, sich einen geistigen Genuß, eine Anregung zu verschaffen, muß doch vorhanden sein. Der Mensch, stets auf sich angewiesen, endigt in Stupidität. Und in der That, hier giebt es Nichts: keine Buchhandlung, keine Zeitungen, kein Theater: Nichts, gar Nichts. Die ganze gebildete Welt freut sich jetzt schon darauf, eine kleine Kunstreiterbande für einige Zeit hier zu haben, Es giebt zwar eine Buchdruckerei hier (arabische) und es erscheint selbst ein arabisches Journal hier. Aber erstens kann die Mehrzahl es nicht lesen, und dann steht nicht das Geringste Lesenswerthe darin. Zum Glück für die gebildeten Europäer, welche hier wohnen, die Consular-Familien und die größeren Handelshäuser, sind sie reich genug, in einem Theil des Jahres sich in Frankreich oder Italien von dem vernichtenden Einfluß dieser Stadt zu erholen.
Meine Wohnung gefällt mir gut, oder würde mir ganz gut gefallen, wenn ich hinlängliche Möbel hätte. Das erwähnte Bett oder Kanapee, ein Tisch, den ich auf einer Straßen-Auction für 10 Piaster gekauft habe und 4 Stühle bilden das Ensemble meines Mobiliars. Ich habe es gestern kompletirt und bewohnbar gemacht durch den Ankauf eines Nachtgeschirrs, einer Wasserkaraffe und eines Waschapparats. Jetzt kann der Empfang der Patienten beginnen, sobald der Dolmetscher da sein wird. Alles dies macht viel Mühe und findet sich nicht auf den ersten Tag. Araber, die italienisch und französisch sprechen, sind selten; und die übrigen sind noch spitzbübischer.
Der Bey residirt noch in der Hafenstadt La Goulette und Viele der übrigen Familien haben ebenfalls Tunis verlassen, um Landhäuser zu bewohnen, die in nicht zu entfernt gelegenen Orten, womöglich an der Meeresküste, reichlich und gut, wie man sagt, in großer Kostbarkeit vorhanden sind. Auch unser Consul mit Familie wird La Goulette bewohnen für einige Monate. Er ist noch immer sehr liebenswürdig gegen mich, wenn auch das vollständige Vertrautsein in englischen Familien nicht so leicht ist. – Der französische Konsul packt seine Sachen um als ministre plénipotentiaire nach Japan zu gehen. (Am Rand: scheint, wie ich soeben höre, doch nicht sicher zu sein.) Die übrigen Consuln werden froh sein, ihn nicht mehr in ihrer Nähe zu haben. Er überragte sie Alle bedeutend an Fähigkeiten und tyrannisirte die tunesische Regierung. Sehr achtungswerth scheint er nicht zu sein. Er war Muselmann, Anhänger von Abd-el-Kader, dessen Tochter oder Nichte er sogar geheirathet hatte. Nach dem Sturze Abd-el-Kaders, den er selbst vielleicht durch Verrath herbeiführte, ging er wieder ins französische Lager über, verließ seine Frau und leistete damals, wie es scheint, wesentliche Dienste. Dem hat er wohl, nächst seinen gewiß bemerkenswerthen Fähigkeiten, diesen herrlichen Posten hier (er hat ein Gehalt von über 40.000 Franken) und seine Carriere zu verdanken.
In Preußen scheint es nach den letzten Journalen noch immer schlimm auszusehen. Der Bismark’sche Staatsstreich macht überall viel von sich sprechen, doch habe ich noch keinen Einzigen gehört, der auch nur einigermaßen milde darüber geurtheilt hätte. Das Vertrauen aber auf das preußische Volk ist im Allgemeinen groß. Wenn doch der König abdanken wollte: es würde am Ende noch die beste Lösung des ganzen traurigen Conflicts sein. Puebla ist genommen; ob sich die Franzosen jetzt mit den Polen beschäftigen werden?
Was machen die Tigerkatzen? Solcher Thiere, d. h. nicht derselben Art, hätte ich leicht noch viele und zu viel geringeren Preisen anschaffen können, wenn Dr. Bodinus sie hätte haben wollen. Jetzt lasse ich natürlich die Affen, Schildkröten, Geckos und Chamaeleons (am Rand: d. h. deren Anschaffung), bis zu meiner Rückkehr, da es vielleicht difficil ist, sie zu schicken.
Mit der Ankunft meines Briefes seid Ihr vielleicht schon wieder in Coeln. Möge Euch der Aufenthalt in Reinhardsbrunn  ebenso gefallen haben, als im vorigen Jahre und denselben wohlthuenden, stärkenden und reinigenden Einfluß auf Euch ausüben.
Vor einigen Tagen bin ich auf einer Judenhochzeit gewesen, um wenigstens einen Theil dieses merkwürdigen Schauspiels anzusehen. Eine solche Hochzeit dauert mehre Wochen ununterbrochen fort und erst nach Ablauf dieser Zeit gelangt der junge Gatte in den ungestörten Besitz seiner Frau. Ich habe niemals im Leben einen solchen Ueberfluß an Gold, Silber und edlen Steinen gesehen, als bei dieser Gelegenheit. Denn nicht allein die Braut trägt solche Kleidungen, wie ich sie Euch einmal beschrieben habe (reich gestickte Hosen, Westen etc.) mehrere übereinander, sondern alle ihre nahen weiblichen Verwandten waren fast ebenso reich gekleidet. Ihre Finger waren bis zur Hälfte braun gefärbt, ein kleiner braunschwarzer Punkt zierte die Stirn zwischen den Augenbrauen und ein ebensolcher das Kinn. Augenbrauen und Augenlider waren geschwärzt. Die Finger sämmtlich mit 3 bis 4 kostbaren Ringen geziert. Die Ceremonien sind nun sehr mannichfache und schwer zu beschreiben. Es war dies der Tag der eigentlichen Verheirathung, d. h. man wechselte die Ringe oder der Bräutigam gab ihr vielmehr einen und man führte am Abend die junge Frau in das Haus des Gatten unter großem Gefolge und Geschrei, mit Lichtern etc. Zur Erhöhung der Feierlichkeit nimmt man Heulweiber, welche auf einem Tambourin herumtrommeln und dazu das Lob der Braut singen. Allgemeines Geheul und Gesinge bei besonders festlichen Momenten, wenn man der Braut den Schleier, der ihr ganzes Haupt verhüllte, nahm oder den Gürtel entfernte etc. Festordner ist der Barbier oder Friseur des jungen Ehemannes. Der Kopf des letzteren ist ebenfalls mit einem Schleier bedeckt. Man war sehr liebenswürdig gegen die anwesenden Europäer und Christen und erquickte uns mit Mandelmilch und Kuchen. Jeder von uns begrüßte die Braut zeremoniel, wir Männer durch Händedruck, doch die Damen waren vielfach genöthigt, sie zu umarmen und zu küssen, so daß die arme Braut während des Abends unserer Anwesenheit gewiß ein Tausend Küsse bekam. Der ganze Chor der anwesenden weiblichen Verwandten und Gäste erhöhte von Zeit zu Zeit die Feierlichkeit durch ein besonders seltsames Geräusch, was sie mit der Zunge hervorbringen und was einige Aehnlichkeit mit lu lu lu lu etc. etc, in ganz hohen und hellen Tönen hervorgebracht, hat. Der Preis der Anzüge der Frau, die sie zusammen auf dem Körper hat, kann sich auf viele Tausende von Thalern belaufen. Der Bräutigam ist dagegen ziemlich einfach und ohne allzuvielen Prunk.
Nun Adieu, meine Lieben, gehabt Euch wohl und ich will noch einmal hoffen, daß keine allzu unangenehmen Verhältnisse und Umstände mich ohne Nachricht von Euch gelassen haben. Meine besten Grüße für Euch und die ganze Familie. Nochmals, lebt wohl, bleibt gesund und denkt an Euren
 Gustav.


 Tunis am 11ten July 1863
 

 Mein lieber Onkel!
Endlich nach langen Irrwegen ist Dein betreffender lieber Brief in meine Hände gelangt. Er ist ganz und gar bedeckt mit Poststempeln, aus denen ich das, was Dein zweiter Brief, den ich am Donnerstag empfangen habe, mich lehrte, schon ersehen hatte.
Es ist dies, glaube ich, eine Stupidität der Postbeamten von Marseille und es ist nicht zu verstehen, daß, wenn dies die richtige Route für nicht chargirte Briefe ist, dieselbe nicht auch für die chargirten Gültigkeit haben sollte. Der andere Weg über Wien, Triest, Genua etc. ist viel langweiliger und zeitraubender und ist gewiß nicht einmal so sicher, wie der durch Frankreich, wenn man die vielfachen Beschwerden hört, die stets gegen die oesterreichische Posten erhoben werden. Wenn also die Post in Coeln nicht das Gegentheil sagt, so würde ich die Adresse der Briefe nach Tunis stets mit dem Zusatze: via Marseille versehen. – Für den Inhalt des Briefes sage ich meinen herzlichsten Dank. – Daß Ihr in Reinhardsbrunn sein würdet, wie Dein letzter Brief beweißt, hatte ich vermuthet, wie auch die Begleitung von Lenchen dorthin. Sie schreibt ganz entzückt über die Naturschönheiten dieses idyllischen Aufenthaltsortes, über die Waldungen und ihre Bewohner, über die Hügel und Berge, die Ihr mit ihr besucht und bestiegen habt. Die wohlthuende Stille dieser Gegend, die doch durch die Nähe der Landstraße der Abwechslung nicht entbehrt, wird hoffentlich ihren heilsamen Einfluß auf die Nerven der lieben Tante geltend machen und die leichten Störungen, denen sie in ihrer Gesundheit in letzterer Zeit unterworfen gewesen ist, bald gänzlich vergessen machen. Die Schilderung Lenchens hat mich recht lüstern auf eine heimathliche Waldung gemacht. Es ist schon lange her, daß ich nicht einen ordentlichen, anständigen Baum erblickt habe, z. B. eine Eiche oder eine große Linde. Wenn in Algérien schon ½ Bäume nicht häufig waren, so fehlen sie in Tunis ganz und ich wüßte mich nicht zu erinnern, auch nur einen einzigen mittelmäßigen in der Stadt oder ihrer näheren Umgebung gesehen zu haben. Sonne und wieder Sonne, noch viel mehr Staub und die scharf reflectirenden Mauern der Häuser machen das Ausgehen am Tage durchaus nicht angenehm. Der Boden in der Umgebung der Stadt zeigt weder schöne Saaten, noch das saftige Grün unserer Wiesen, sondern ist verbrannt, unkultiviert zum größten Theil und trägt nur verkrüppelte Olivenbäume, die durch ihren dunkelgrünen, finsteren Blätterschmuck weit entfernt sind, an das frische Grün unserer Waldbäume zu erinnern. Und doch ist das Land fruchtbar: es bedarf nur regelmäßiger Cultur und Bewässerung. Die Dörfer, die nicht weit von hier existiren und in denen die Vornehmen Landgüter besitzen, sollen sich durch herrliche Gärten auszeichnen. Und irgendwo müssen doch auch die zahllosen Rosen wachsen, denen Tunis durch die Fabrikation von Rosenoel einen Theil seines Rufes verdankt. Ich gedenke nächstens dorthin zu gehen, um dem ersten Arzte des Bey, der in einem der Dörfer, Marsa seinen Landaufenthalt hat, meinen Besuch zu machen. Tunis selbst ist wirklich abscheulich. Keine Möglichkeit der Zerstreuung, sei es durch Bücher, Promenaden oder Caffeehäuser und Lesekabineten, wenig Leute, mit denen man sprechen und die man besuchen kann. Ein wahres Grab, wenn man keine Beschäftigung hat, die einem Ersatz bietet. Darum will ich von ganzem Herzen hoffen, sie bald zu finden. – Dies wird hoffentlich seinen Anfang nehmen, sobald ich im Besitz eines Dolmetschers bin, den ich in geeigneter Weise noch nicht habe finden können. Jetzt beschäftige ich mich damit, italienisch zu lernen, was doch als die herrschende europäische Sprache das unentbehrlichste ist. Jedenfalls findet man in diesen äußeren Anforderungen eine Menge Stoff zur Beschäftigung.
Der französische Doctor ist jetzt als Schwindler entlarvt und als solcher vor dem Gerichte seines Consulats gewesen. Doch hat er immerhin auf diese Weise einen Theil des Credits im Publikum ruinirt. Von dem anderen französischen Arzte, der mit Familie angekommen ist, habe ich Nichts weiter gehört.
Im Ganzen, lieber Onkel, lernt man in einem so scheußlichen Lande, wie Tunis ist, das Vaterland schätzen, wenn es auch augenblicklich von Herrn von Bismark regiert und im Auslande in Mißcredit gesetzt wird. Hat die Cölnische Zeitung noch kein Avertissement bekommen?
Wenn dieser Brief bei Euch ankommt wird man in Coeln das große Deputirtenfest schon festlich begangen haben, das man, glaube ich, auf den 18ten sich vorgenommen hat? Ihr seht, ich bin über die Vorkommnisse ganz gut unterrichtet, und ich habe stets gefunden, seit ich die Heimath verlassen habe, daß die französischen Journale gut über die Ereignisse in Preußen unterrichtet waren. Sie waren stets in vollster Uebereinstimmung mit Deinen Nachrichten und denen, die ich auf anderen Wegen empfing.
Eine Antwort auf Lenchens Brief, für den ich recht von Herzen meinen Dank sage und über den ich mich unbeschreiblich gefreut habe, behalte ich mir für nächstes Mal vor, da ich diesmal an meine Mutter, Schwester, nach Bône etc unumgänglich schreiben muß. Ich sage ihr bis dahin durch Euch meinen innigen Dank, wie auch nicht minder an Julchen, der ich auch dann einige Postmarken gesammelt haben werde. Eure Postmarken finden hier natürlich auch ihre Bewunderer und Sammler. Die meisten sind bisher nach Philippville gegangen, wo sie sich eine Dame, die ich nicht kenne, für ihre Sammlung hat erbitten lassen.
Hat Fräulein Sophie in Lenchens Abwesenheit das Haus ordentlich verwaltet? Ich freue mich recht darauf, sie als vollständig große Dame wieder zu sehen. Meine herzlichsten Grüße an Alle die übrigen Kinder der Familie, vorzüglich die Jungen im Hause. Die Großmutter, die sich nach Lenchens Brief, einer ungestörten Gesundheit erfreut, ist jedenfalls in Honnef. Wollet Ihr bei Eurem nächsten Besuch meinen Respect, meine Verehrung überbringen. Was macht der zoologische Garten? Auch ohne Deinen Rath, lieber Onkel, von weiteren Lieferungen für ihn abzusehen, würde ich dazu jetzt in Tunis selbst kaum Gelegenheit finden. Ich bitte, den Dr. Bodinus zu grüßen und ihm das mittheilen zu wollen.

Ich bin von der Hitze so aufgelöst und habe so wenig Neues gesehen und erfahren seit meinem letzten Briefe, daß ich mir erlauben muß, den Brief so mager, als er ist, abzuschicken, obgleich ich mir gewissermaßen wegen des theuren Porto’s Vorwürfe mache. Was letzteres betrifft, so erwartet man täglich eine Minderung desselben. Die Kaufleute beklagen sich schon lange über den ungeheuren Preis.
Was macht die Thürmchens-Gesellschaft? Was Thermar’s, Paas, Weegmanns und die übrigen Euch näher stehenden Familien? Ich habe lange Nichts von Ihnen gehört. – Wie steht es mit Herrmanns Badereise in diesem Sommer? Ist sie nach Pyrmont in Ausführung gekommen? Von meiner Mutter und Schwester habe ich seit einigen Wochen keine Nachricht bekommen, ich will von ganzem Herzen hoffen, nächsten Donnerstag etwas Gutes über ihr Befinden zu erfahren.
Möget Ihr endlich glücklich von Eurer Reise zurückgekommen sein und möge sie eine gute Nachwirkung zurücklassen. Meine wärmsten und liebevollsten Grüße an Euch Alle!
Euer Gustav.


 Tunis am 31sten Juli 1863
     /14 Aug

 Mein lieber Onkel und meine geliebte Tante!
Von ganzem Herzen will ich hoffen, daß Du, lieber Onkel, unmittelbar nach dem Schreiben Deines letzten Briefes in Besitz des meinigen, der den Empfang des quästionirten meldet, gekommen bist. Es sollte mir leid thun, wenn Du weitläufige Recherchen anstellen solltest, die immerhin Mühe, Schreibereien u.s.w. machen. Du wirst dann ersehen haben, daß Deine Vermuthung über die Existenz einer anderen Post eine wohlbegründete ist, nur daß der Brief trotz meiner Kenntniß dieser Thatsache nicht eingelaufen war. Der Weg über Oesterreich, durch Italien, ist nicht allein weiter, sondern gewiß unregelmäßiger und mehr Zufälligkeiten, Unterbrechungen etc ausgesetzt, weshalb ich auch im fraglichen Briefe gebeten habe, die Briefe mit der Adresse „via Marseille“ zu versehen, welchen Rath mir hier die französischen Postbeamten gegeben haben. Deinen letzten lieben Brief, für den ich Dir meinen lebhaften Dank sage, habe ich ebenfalls über Italien empfangen, doch ist er wenigstens nicht über Wien etc gegangen und also etwas schneller angekommen.
Ich habe immerhin soviel Bekanntschaft hier, daß ich nicht in unangenehme Verlegenheiten gerathen bin. Doch ist es nicht wohl möglich, wie Du wohl einsehen wirst, daß ich Monate lang in Vorrath bin, zumal nach einem Wechsel des Aufenthalts. Rechne ca 150 frcs monatlich regelmäßige Kosten, so nehmen zwei Monate schon einen großen Theil der Summe (die ich im Anfange Juni erwartete) in Anspruch. Dazu kommt, daß bei der herrschenden Hitze eine leichtere Kleidung unbedingt nothwendig ist, zumal da ich mir seit meiner Ankunft in Algérien noch Nichts hatte anfertigen lassen, und derlei Sachen sind im Ganzen hier theurer, als bei uns. Dazu Stiefel und die nothwendigsten Sachen der Einrichtung: und eine derartige Summe ist fast erschöpft. Doch bitte ich vor Allem zu glauben, daß mein Hauptbestreben stets sein wird, durch Sparsamkeit Eurer Güte die Sache nicht theurer werden zu lassen, als unbedingt nöthig ist. Noch einmal aufrichtigen Dank für diesen Brief.
Die Wärme fängt jetzt stellenweise an, etwas unangenehm zu werden und 30°, 32°, 34° des Celsius’schen Thermometers sind durchaus nicht selten. Auch bei Nacht bleiben wir immerhin auf ca 25° stehen. Ich befinde mich sehr wohl dabei, wenn ich auch ihren Einfluß verspüre und wie alle Einwohner etwas schlafsüchtig und faul werde. Es regnet natürlich niemals, der Himmel ist stets ganz klar, es sei denn, daß der Sirocco (hier anders genannt), wehe, wo die ganze Atmosphäre mit einem gelblichen Hauche, welcher allen entfernteren Gegenständen einen entsprechenden gelblichen Schleier verleiht, versehen ist, der wohl einem wirklichen feinen Staube seinen Ursprung verdankt. Die Abende zeichnen sich besonders durch ihre wunderbare Schönheit aus. Der Mond leuchtet mit einem lebhaften Lichte, fast wie das Eigenlicht der Sonne mit sich bringt, und läßt bei der Durchsichtigkeit der Atmosphäre viele Meilen weit entfernte Berge mit wunderbarer Klarheit sehen. Der bevorstehende Monat wird wohl der wärmste von Allen sein, wenn auch der September ebenfalls noch das Seinige leistet. Die Eingeborenen tragen zum Theil riesige Strohhüte, deren Rand so breit ist, daß er, um nicht seiner Schwere zu folgen und auf allen Seiten des Kopfes herunterzuklappen, mit Stricken an dem Kopfe befestigt ist.
Letzterer ist sehr hoch und das Ganze ein recht komisches Gebäude. Alles ist mit Fächern bewaffnet, wie ich wohl schon früher erwähnt habe, deren ich einige mitbringen werde, da sie sich zugleich durch billigen Preis auszeichnen. Zum Ausgehen am Tage bedient man sich wo möglich weißer Regenschirme, um die Sonne abzuhalten. Die Häuser oder Zimmer sind glücklicher weise größtentheils durch reichlichen Durchzug und ihren versteckten Bau vor den Sonnenstrahlen geschützt. – In der vergangenen Woche machte ich mit dem amerikanischen Vertreter und dem Pastor Fenner und ihren Familien eine Partie nach einem einige Stündchen entfernten, am Ufer des Meeres gelegenen Städtchen. Wir hatten im Ganzen etwa 10 Minuten in der Sonne zu gehen, welche kurze Zeit jedoch hinreichte, um Jedem an irgend einem Theil des Gesichts oder der Schultern die Haut zu verbrennen. Besonders die Damen kamen schlecht fort. In der Sonne kommen wir gewiß bis über 40° Celsius, ich werde zur Constatirung des Grades ein Thermometer der Sonne aussetzen.
Das erwähnte Städtchen, Sidi Bouzaïd, ist eine heilige Stadt und bis vor kurzem war es keinem Christen oder Israeliten erlaubt, dort einzutreten. Für die Juden besteht das Verbot fort, doch darf ein Christ ebenfalls dort keinen Wohnsitz erwerben. Es giebt noch eine Menge Ortschaften heiligen Ursprungs in der Regentschaft, in denen das ursprüngliche Verbot noch aufrecht erhalten wird.
Die Krankheiten hier sind mannigfaltige, wenigstens augenblicklich. Besonders fangen bösartige Fieber, die man sonst fast nicht kannte, an sich zu zeigen und man bringt diese Erscheinung, vielleicht nicht ohne Grund, mit der neuen Wasserleitung, die das Wasser aus einer bösen Fiebergegend herbeiführt, in Verbindung.
Doch sind augenblicklich die gewöhnlichen Sommerkrankheiten in Folge des übermäßigen Genusses von Obst, das im Allgemeinen sehr schlecht ist, nicht grade allzu zahlreich. Ich selbst bin ärztlich ziemlich beschäftigt, wenn ich auch gestehen muß, daß ich noch keinen Karus, die kleinste gangbare Kupfermünze, verdient habe. Es ist eine wahre Armenpraxis, die ich zu besorgen habe, in der ich weit mehr Elend, Noth, Bestialität zu sehen bekomme, als ich mir in Europa träumen ließ. Seit einigen Wochen bin ich unter den armen Juden etwas bekannt geworden und es ist vorzüglich in ihrem Quartier, daß ich mein Wesen treibe. Hoffentlich wird sich die Praxis auch mit der Zeit auf andere Klassen erstrecken, deren Behandlung etwas lohnender und zufriedenstellender ist, wenn ich auch die Schwierigkeiten, die sich dem entgegenstellen mehr und mehr erkenne. Die Ärzte sind ziemlich zahlreich, nach Nationalitäten etwas geschieden, so daß es nicht leicht ist, sich bei einer fremden Nationalität Geltung zu verschaffen; der Argwohn gegen Fremde, deren man weit mehr reine Spekulanten und Charlatane, als ehrliche Leute sieht, begreiflicherweise sehr rege; Vorurtheil, Aberglaube, Gleichgültigkeit, Fatalismus u.s.w. weit gewöhnlichere Uebel, als bei uns. Die Reichen hängen vom Hofe ab und bereichern sich sämmtlich unter der Aegide des Hofes. Alles dies sind Sachen, welche den Weg eines fremden, keiner der Haupt-Nationalitäten angehörenden jungen Arztes erheblich erschweren. Doch, sei dem, wie ihm wolle, ich habe immerhin eine nutzbringende praktische Thätigkeit, die meine Kenntnisse und Erfahrungen zweifelsohne auch bereichern wird. – Wenn ich nur erst geeignete Individuen zu Staaroperationen gefunden hätte! Nach gelungener Operation würde ein gewisser Erfolg gewiß nicht ausbleiben.
Doch von der Undankbarkeit, Niedrigkeit, Gleichgültigkeit der Bevölkerung könnt Ihr Euch keine Idee machen. Ich erscheine in einem Hause und erweise Jemand einen kleinen Dienst: und man betet mich an. Man küßt meine Hände, meine Beine, meinen Rock, meinen Dolmetscher. Morgen hat man mich nicht mehr nöthig oder ich habe kein Wunder gethan: und man kennt mich nicht mehr. Mit Thränen bittet mich heute eine Mutter um ein Recept für ihr krankes Kind: morgen finde ich das Recept ruhig vor, ohne daß etwas geschehen ist, oder man hat es verloren u.s.w. u.s.w. Eine entsetzliche Bevölkerung!
Von Uchtenhagen habe ich gute Nachrichten, wenn auch die Schwiegereltern meiner Schwester das Unglück gehabt haben, gänzlich abzubrennen. Irgend ein Schaden ist glücklicherweise damit nicht verbunden gewesen. Meiner Mutter und Schwester geht es ziemlich gut. Ich freue mich nicht minder, aus Eurem letzten Briefe zu ersehen, daß Euch die Thüringer Reise vortrefflich bekommen zu sein scheint. Möge sich Deine Gesundheit, meine liebe Tante, von Tag zu Tag mehr verbessern: das ist mein sehnlichster Wunsch, den ich wohl kaum einen Tag vergesse mir auszusprechen. Möge die Großmama Euch noch lange erhalten bleiben und die Kinder Euch die wohlverdiente belohnende Freude machen!
Für einige Wochen ist jetzt ein Rheinländer, aus Solingen hier, Kaufmann, der alle paar Jahr die Türkei, Klein-Asien, Egypten, Tunis und Italien in Quincaillerien zu bereisen scheint. Er heißt Putsch und scheint ein sehr ordentlicher Mann zu sein. –
Die letzten politischen Nachrichten sehen nicht sehr hoffnungsvoll aus, wenigstens was die polnische Frage anbetrifft. – Ueber Preußen habe ich Nichts mehr gelesen: Seit der Reise des Königs und Herrn von Bismarks scheint die Verfassungsfrage zu ruhen. Nur die Avertissements der Journale häufen sich in fast komischer Weise. Die Correspondenz zwischen König und Kronprinz, von der man schrieb, scheint, wie ich mir gleich dachte, nicht authentisch zu sein. Giebt es etwas Neues, so theilt es mir doch mit, wenn es Dir, lieber Onkel, nicht zu viel Mühe macht.
Herzlichste Grüße, aufrichtigsten Dank und meine wärmste Liebe!
   Euer Gustav.


 Tunis am 21sten August 1863

 Meine Lieben!
Ich weiß wirklich diesmal nicht, welchen Gegenstand des Interesses ich meinem Brief einverleiben kann, da in Tunis leben eigentlich lebendig begraben sein heißt. Keine Ereignisse frischen Einen auf, keine neuen Anschauungen regen an; man vegetirt kümmerlich fort, manche Tage, ohne einen einzigen gebildeten Menschen zu sehen. Wenn der englische Pastor nicht hier wäre, wüßte ich wirklich nicht, wie ich das Leben ertragen sollte.
Denn wenn ich auch bei ausreichender Beschäftigung mir vielerlei Entbehrungen gern gefallen lassen wollte, so ist doch meine ärztliche Thätigkeit keine allzu Freudenbringende. Zuerst habe ich nur Kranke in äußerster Armuth gesehen, bei denen man sich stets verleitet sieht, noch ein Scherflein zur Minderung ihrer Misere beizutragen; dann aber ist man, je gutmüthiger und opferwilliger man sich unentgeltlich den ärztlichen Mühen unterzieht, um so leichter der rücksichtslosesten Undankbarkeit ausgesetzt; endlich habe ich das Unglück gehabt, die erste große Augenoperation mit unglücklichem Erfolge zu machen. Ich habe einem Israeliten den Staar operirt, ihn zu der nachfolgenden nothwendigen, sorgfältigen Behandlung in meiner Wohnung gehabt, trotz seines Ungeziefers, war natürlich ihn zu ernähren gezwungen; habe auf der Erde geschlafen etc etc und eine nachfolgende Entzündung machte alle meine Mühe vergebens und den Erfolg der Operation zu nichte. Bei der natürlichen Furcht aller Israeliten vor Schmerz und Operation wird das vielleicht meiner operativen augenärztlichen Thätigkeit ein frühes Ende bereiten. Ich muß unter den Arabern mein Heil versuchen. Endlich scheint seit meiner Anwesenheit hier Tunis ein wahres Schlachtfeld für ärztliche Concurrenten geworden zu sein. Vor mir hatte der französische Charlatan das öffentliche Vertrauen wankend gemacht. Kaum fange ich an, es etwas zu befestigen, kommt ein anderer französischer Arzt und vorgestern endlich ein französischer Ophthalmologe. Die meisten verstehen, ich muß es leider zugeben, die geschäftliche Seite ihres Metiers besser, als ich. Das erste, was sie thun, sind riesige Plakate an den Straßenecken und das Aussenden von Emissären zur Zusammentreibung von Kranken etc. etc. Sachen, die mir allerdings höchst widerwärtig und unpassend erscheinen, so daß ich mich nur im Zustande äußerster Noth würde dazu entschließen können. Ich bin wirklich für die Concurrenz der Neuzeit wenig gemacht, wie sie die großen Städte erfordern, wenn man nicht wohlhabend ist, und es wird mir schließlich nichts übrig bleiben, als an einem kleinen Orte meine Kräfte und Kenntnisse zu verwerthen.
Daß mein Onkel Carl in Berlin ziemlich plötzlich an einem Halsleiden verschieden ist, wird Euch wohl durch meine Mutter mitgetheilt sein. Er war jünger, als meine Mutter und ein äußerst kräftiger, gesunder Mann, der bei seiner Gelehrsamkeit, die von Allen, die ihn kannten, wenn sie auch verschiedenen Anschauungen huldigten, geschätzt wurde, der Welt noch viel Dienste leisten konnte. Er ist mitten in seiner Thätigkeit unterbrochen worden; die letzte Lieferung eines Buches über die Freiheitskriege sollte demnächst erscheinen. Die Nachricht seines Todes hat mich sehr überrascht und sehr betrübt. Er war vorzüglich während unserer Kindheit unser sehr großer Freund, und wir verdanken ihm viele vergnügte Stunden. Er war ein braver Mann, der in der Schule eines ungetheilten Ansehens genoß.
Meine Mutter macht fortwährend Fortschritte in der Genesung und in der Verlängerung ihres Beines. Auch Marien’s Husten scheint sich gebessert zu haben. Ich will hoffen, daß es Euch Allen in Coeln nicht minder gut geht. Ich bin mit meiner Gesundheit ebenfalls zufrieden, während die Uebersiedlung hierher erst Schwankungen in derselben zur Folge hatten.
Das ist Alles, was ich von hier mittheilen kann. Ich kann nicht einmal über Politik sprechen, da die französischen Journale, welche ich nach der Abreise des Grafen von Brayer während seiner Reise durch Italien für ihn in Empfang nahm, aufgehört haben anzukommen. Jetzt weiß ich nur im Allgemeinen, daß die Stellung zwischen Frankreich und Rußland sehr gespannt und die Gefühle ersterer Macht für Preußen nicht allzu freundschaftliche sind.
Was haben denn der König von Preußen und der Kaiser von Oesterreich in ihrer Unterredung besprochen und abgemacht? Von der übrigen Welt weiß man hier ebenfalls Nichts. Der Bruder des Bey, der künftige Thronfolger, der sogenannte Bey du camp (so genannt, weil er stets auswärts im Lager bei der Armee zubringt, die immer nöthig ist, um die Steuern im Land einzutreiben) ist vor 7 Tagen plötzlich gestorben und heute glaube ich, hat es eine Festlichkeit im Bardo gegeben bei Gelegenheit der Ernennung des neuen Bey du camp, auch eines Bruders des Beys. Außerdem hat der Baschembo (so etwas wie Polizei-Präsident), der die Würde eines Generals hat, den Kutscher des Khasnadar, des Premier-Ministers, ermordet, aus Gründen, die ebenso schmutzig und scheußlich sind, als der Mord. Der Khasnadar will ihn zum Tode verurtheilt sehen, weil es sein dritter Domestik ist, der von jenem wahrscheinlicherweise ermordet wurde, und der Bey ist, glaube ich, auch disponirt, ihn geköpft zu sehen, weil der Mord am Todestage seines Bruders vollbracht wurde. Das sind die Sachen, die uns interessiren, aus Mangel an wichtigeren Ereignissen.
Mein Consul ist noch und bleibt noch in La Goulette; der Pastor Fenner wird in nächster Woche ebenfalls auf einen Monat verreisen und der amerikanische Consul geht im nächsten Monat ebenfalls auf 3 Monat nach Italien. Alsdann bin ich ganz verrathen und verkauft. Meine einzige Rettung wird dann die Arbeit sein, die ich allerdings bald werde anfangen können, da ich in Algérien und hier mancherlei beobachtet, gesehen und erfahren habe, was zur Kenntniß des hiesigen Landes und Klimas beitragen könnte. An den täglichen Verkehr mit der Familie Fenner bin ich so gewöhnt, daß ich ihn schwer vermissen werde. Denn die Einwohner sind so schlecht, so unzuverlässig, so ungebildet, so intriguant, so verleumderisch, daß man einen honetten Freund sehr hoch halten lernt. Die Europäer hier sind gewiß nicht besser, als die Eingeborenen. Der Fabrikant aus Wald bei Solingen, der hier war, hat Euch wohl schon meine Grüße überbracht und von Tunis erzählt, was ich nicht geschrieben habe, da er schon seit langer Zeit alle paar Jahre hierher kommt.
Eine Sache hat Tunis, die ganze hiesige Gegend und der Orient, die lobenswerth und vergnüglich ist: das sind die maurischen Bäder, ohne welche die Bevölkerung wahrscheinlich nicht würde leben können. Sonderbarer Weise sind es die Bewohner einer großen Oase im Sahara-Theil Algériens, welche im Rufe stehen, allein den ganzen Tag die hohe Temperatur der Bäder ertragen zu können und welche diesen Industriezweig fast ganz in Händen haben. Es sind dies die Bewohner der Oase der Beni-Mzab, von denen ich früher wohl schon gesprochen habe: die Mzabiten. Sie zeichnen sich vor allen Arabern schon äußerlich durch Gesicht und Kopfbildung aus, noch viel mehr aber durch ihren Fleiß, ihre verhältnismäßige Redlichkeit und durch ihre religiösen Anschauungen. Letztere geben ihnen eine Stellung, wie die Protestanten unter den Katholiken sie einnehmen, und ziehen ihnen im Ganzen Haß und Verachtung unter den Muselmännern zu. Ihrer Oase stehen nur geringe natürliche Existenzquellen zu Gebote, so daß sie, sich auf sie verlassend, in äußerster Armut und Noth schmachten würden; trotzdem ist dieselbe mit 7 ansehnlichen Städten geziert und erfreut sich einer lebhaften Industrie, die ihre Produkte zum größten Theil dem Sudan, dem Negerlande, durch Karawanen zuführt. Doch können die Einwohner nicht alle in der Heimath ernährt werden und sie wandern daher in der Jugend in die Städte des Nordens, um als Kaufleute und in Badeetablissements Subsistenz-Mittel für die Zukunft zu gewinnen. – Die Bäder nun sind gewöhnlich im Erdgeschoß gelegen und leidlich kenntlich, wenn sie auch kein Schild tragen, durch die komischen Darstellungen des Löwen im Hausflur, dessen Bild wohl niemals vermißt wird. Vom Hausflur gelangt man in einen großen Saal oder in ein großes Gemach, das von einer Menge liegenartiger Betten gefüllt ist, die nur einen schmalen Gang frei lassen. An den Seiten dieses großen Hauptgemaches findet man noch in besseren Etablissements kleinere Gemächer für die Vornehmen. Man kleidet sich hier aus, wo noch ungefähr die gewöhnliche Temperatur herrscht, bekommt ein Schurzfell und einen Ueberwurf um und wandelt in ein zweites Gemach mit erhöhter Temperatur, wo man sich niedersetzt, plaudert und sich an die Temperatur gewöhnt. Ein 3tes ist von sehr hoher Temperatur und gewöhnlich noch für Liebhaber mit einem Bassin heißen Wassers versehen. Darauf wird man auf ein auf dem Steinboden, der überall ist, ausgebreitetes Tuch gelegt, ein kleines Kopfkissen untergeschoben und jetzt beginnen die Badewärter ihre Thätigkeit des Waschens, Klopfens, Klatschens, Reckens und Dehnens, wie sie den ganz passiven Körper des Badenden in einen höchst angenehmen und behaglichen Zustand versetzt. Zum Frottiren ziehen diese Wärter, welche in derselben Kleidung, wie die Badenden sind, große Fausthandschuhe von Ziegenfell an. Alle ihre Proceduren gehen nach dem Tacte und nach gewissen Regeln und sind gewöhnlich von einem eintönigen, melancolischen Gesang begleitet. Dann wird man mit einigen Eimern warmen Wassers übergossen, wird gründlich abgeseift mit großer Verschwendung von Seife, wieder übergossen und wandelt nun in ein anders Gemach mit kleineren Verschlägen und Bassins, wo die Temperatur etwas niedriger ist und man die Bassins mit Wasser von beliebiger Temperatur (es sind Krahnen für warmes und kaltes Wasser da) füllen kann. Hier wäscht man sich etwas kühler ab, um allmählig sich an die gewöhnliche Temperatur zu gewöhnen und kehrt nach all’ diesem in den Hauptsaal zurück, nachdem man in große, ganz weiche, wollene Tücher gehüllt ist, deren ein Etablissement viele Tausende besitzen muß, und legt sich dort ins oder aufs Bett. Man dünstet noch enorm aus, ist jedoch durch die weichen Tücher und den wollenen Turban vor jeder Erkältung geschützt. Jetzt schläft man oder träumt behaglich oder plaudert, während man noch einmal, etwas sanfter, geknetet wird, und muntert sich endlich durch eine Tasse arabischen Kafees wieder auf. Denn die ganze Procedur, die wohl 2 Stunden dauert, ermattet etwas, doch in höchst angenehmer Weise. Das sind die maurischen Bäder!
Doch jetzt, wie geht es in Coeln? Was macht Ihr, und die Kinder und die Großmutter und die ganze Familie? Ist Dir, liebe Tante, Thüringens Aufenthalt ebenso wohl bekommen, als im vorigen Jahr? Meinen Brief, in den ich einen an Lenchen eingelegt hatte, habt Ihr doch bekommen? Ich hoffte eigentlich schon am Donnerstage einige Zeilen von Euch zu sehen, doch werde ich mich wohl noch eine Woche gedulden müssen. Ich habe lange Nichts von den bekannten Familien in Coeln gehört. Wie geht es Thermars, Paas, Weegmanns, Rudolf’s, Funke’s etc etc? Empfehlt mich denen, die meiner etwa Erwähnung thun und grüßt die sämmtlichen Glieder unserer Familie auf das Wärmste und Herzlichste. Wie geht es Carl in der Schule? Macht Wilhelm noch gute Fortschritte und denkt der kleine Albert mehr an die Schule als an dumme Streiche? Nehmt jetzt meinen dankbaren Wunsch für Euer aller Wohl und denkt und schreibt an
Euren
  Gustav.


 Tunis am 6ten September 1863
      /11 Oct

Ich habe so lange, mein lieber Onkel und verehrte Tante, keine Nachricht von Euch erhalten, daß ich doch anfange, mich zu beunruhigen. Möge der Grund kein solcher sein, der Eure Gesundheit, Euer Wohl etc etc in Frage stellen könnte! Doch welche Ursache hat es? Nach Eurem letzten Briefe genosset Ihr einer ungetrübten Gesundheit, und vorzüglich auch Du, liebe Tante, schienst mit der Deinigen ganz zufrieden zu sein. Es ist wahr, meine gewöhnliche, pünktliche 14tägige Correspondenz ist in der letzten Zeit öfters nicht so ganz regelmäßig geblieben. Statt 14 Tagen lagen einige Male 3 Wochen dazwischen. Doch müßt Ihr bedenken, daß Tunis ein Land ist, in dem Wenig oder Nichts passiert, wo man keine frischen Anschauungen aufnimmt, keine neue Anregungen empfängt. Die Stabilität der Muhamedaner, ihrer Religion und ihrer ganzen Lebensweise bringt keine Abwechslung mit sich, sondern ist vielmehr von ertödtender Einförmigkeit. Ein großer Theil der Einwohner von Tunis, Europäer mit inbegriffen, lebt in der That nicht, sondern vegetirt nur. Dem entsprechend spinnt sich mein Leben hier mit einschläfernder Gleichförmigkeit ab. Doch glücklicherweise ist diese Gleichförmigkeit keine Ruhe. Ich erhebe mich des Morgens um 6 Uhr, lerne bis 8 Uhr etwas italienisch, oder lese über die Krankheiten meiner Patienten und denke über sie nach, beginne dann meine Runde zu machen, was bis 10 Uhr dauert und beschließe meinen Morgen mit dem Frühstück. Darauf plaudere ich mit einem Maltesischen Arzte, der im Hotel wohnt, oder lese mit ihm ein Stück italienisch, um mich alsdann durch einen energischen Mittagsschlaf, allgemein Siesta genannt, für den Rest des Tages vorzubereiten. Darauf studiere ich Etwas, um 4-4½ Uhr kommen die Patienten, die mich oft bis 7 Uhr aufhalten, wo ich meine 2te Mahlzeit einnehme, um nach Tische die einzig mögliche Promenade, von der Stadt zur Marina, etwa 10 Minuten weit, zu machen. Um 10 Uhr lege ich mich zu Bett. Ihr werdet finden, das im Ganzen das Capitel des Schlafes reichlich bedacht ist; doch dies ist nothwendig in diesem Lande, wenigstens in der heißen Jahreszeit. Meine Praxis nimmt, wie Ihr seht, ebenfalls schon eine beträchtliche Zeit in Anspruch, doch leider ohne bis jetzt lohnend geworden zu sein. Im Ganzen habe ich etwa 30 Piaster eingenommen und habe noch etwa ebenso viel ausstehen. Ein Anderer, als ich, würde allerdings mehr herauszuziehen gewußt haben; doch das wird wohl leider stets mein Fehler bleiben, die geschäftliche Seite nicht energisch genug zu betreiben, eine Sache, die hier vorzüglich außerordentlich am Platze sein dürfte. Daß es die letzten Wochen waren, in denen ich diese geringen Summen eingenommen habe, läßt in mir noch immer die Hoffnung aufkeimen, daß sich die Sache noch arrangiren werde. Der unglückliche Erfolg der ersten großen Operation hat mir natürlich sehr geschadet. – In der Person des genannten maltesischen Arztes, der sich allerdings sehr geringer Kenntnisse rühmen zu können scheint, habe ich freilich das traurige Beispiel des Nichtgelingens vor Augen. Der arme Mann ist sehr pflichteifrig und brav und hat seit ca 9 Tagen keinen Patienten, was ihn begreiflicherweise in nicht geringe Verzweiflung versetzt.
In der verflossenen Woche war ich in Marsa, ein aus Landhäusern bestehendes Dorf, 2 Stunden von Tunis, um dort den Dr. Lumbroso, den ersten Leibarzt des Bey, zu besuchen, der dort den Sommer verbringt. Der Empfang war ein außerordentlich liebenswürdiger und der ganze Besuch erleichtert dadurch, daß er mit Leichtigkeit französisch spricht. Er hat ein prächtiges Haus dort, mit ebenfalls prächtigem Garten, welcher freilich noch etwas im Entstehen ist. Das sind Alles Geschenke des Bey, die er auf einmal macht, vielleicht nachdem er von einer geringen Indisposition geheilt war. Für den Intriguanten ist dies Land eine günstige Gelegenheit, sich von der allgemeinen Beute, um die die Großen des Landes ringen, einen erklecklichen Antheil zu verschaffen. – In der Marsa sieht man in den Gärten dort, was das Land hervorzubringen vermag, wenn es durch sorgfältige Bewässerung dazu angeregt wird. Das Land ringsum ist eine Wüste, die Gärten Oasen darin. Kein Grashalm, der noch seine grüne Farbe bewahrt hätte, kein Baum, als der Olivenbaum mit seinem finsteren Grün, keine Kräuter, die auch nur einem bescheidenen Esel zur Nahrung dienen könnten, zieren das Land: Alles ist von den brennenden Strahlen der Sonne getödtet, gelähmt, ausgedörrt. In den Gärten dagegen, die mit einiger Sorgfalt gepflegt sind, wachsen Rosen, vorzüglich der geliebte Jasmin, (der sich im Arabischen ebenfalls Jasmin nennt), Granatäpfel, eine köstliche, erfrischende Frucht, welche jetzt anfängt zu reifen, u.s.w. Doch eine große Mannigfaltigkeit von Blumen kennt man hier nicht. Jasmin, Rosen und Nelken sind der ganze Reichthum. Die Rosen zur Fabrikation von Rosenwasser und Rosenoel, die Nelken und Jasmin werden zu 3 oder 4 als kleine Bouquets zusammengebunden, in der Stadt herumgetragen und verkauft und von den jugendlichen Muselmännern über dem rechten Ohre, von der rothen, tunesischen Mütze gehalten, getragen. Vom Jasmin macht man natürlich ebenfalls Parfümerien. Rosen werden zum Behuf der Fabrikation von Oel und Wasser in großen Feldern cultivirt. Sonst ist die ganze Gegend voller Olivenbäume, die im Norden und im Osten den ganzen Reichthum des Landes ausmachen. Der Olivenbaum wird außerordentlich alt und wenn es auch übertrieben sein mag, daß die in der Umgegend von Tunis schon in der Römerzeit da waren, so scheint es doch sicher zu sein, daß er im Alter von ca 500 Jahren anfängt, auseinanderzubersten und daß es in ganz Tunis Niemand giebt, der die Oelbäume der Gegend anders als mit getheilter Krone gesehen hätte. – Im Süden des Landes ist es die Dattelpalme, die den Reichthum der Bewohner ausmacht. El-Gerid, das Dattelland, bringt in der That die besten Datteln der Welt hervor und selbst die Datteln von Mekka, die eines so hohen Rufes genießen, stehen weit hinter ihnen zurück. Menschen und Vieh leben von ihnen (die Gerichte, welche man mit ihrer Hilfe präparirt, sind außerordentlich mannigfaltig), und riesige Ladungen nehmen alljährlich mit Karawanen ihren Weg in alle möglichen Länder.
Ich bin jetzt außerordentlich viel allein, da der Pastor Fenner, zu dem ich sonst alle Tage zu gehen gewohnt war, für einen Monat nach Constantine in Algérien verreist ist. Wenn der mexikanische Consul am 16ten dieses Monats nach Italien mit seiner Familie abgereist sein wird, werde ich ganz allein sein. Unser Consul wohnt noch immer in dem Euch wohl jetzt bekannten Städtchen Gouletta, so daß ich, wenn ich nicht meine ärztliche Beschäftigung hätte und im Wirthshause äße, wirklich mich allzu vereinsamt fühlen müßte.
Das einzige Ereigniß, welches hier für einige Tage die Aufmerksamkeit fesselte, war der kürzlich erfolgte Tod des Thronfolgers, des sogenannten Bey du camp (des Bey vom Lager, so genannt, weil er stets die Armee dirigirt und sein Hauptgeschäft ist, die Steuern einzutreiben, eine Sache, die immer eine Art Kriegszug erfordert). Er soll ein sehr braver Mann gewesen sein. Bei der Gelegenheit muß ich die Art der Thronfolge erwähnen, die höchst merkwürdig ist, doch ganz dem patriarchalischen Charakter, den alle Einrichtungen der Araber tragen, entspricht. Die regierende Familie theilt sich in zwei Branchen, die in so weit auf die Regierung gleiche Ansprüche haben, als der jedesmalige Aelteste in der Familie, mag er der älteren oder der jüngeren Linie angehören, als der Chef der ganzen Familie betrachtet wird und die Regierung übernimmt. Außerdem spricht man noch von dem Morde, oder der mehrfachen Mordthaten, die der bisherige Chef der gesammten Polizei, ein hoher Würdenträger, an dem Domestiken des allmächtigen Premier-Ministers, Khasnadar, eigenhändig vollbracht hat, aus Motiven, die noch nicht hinlänglich aufgeklärt sind, doch der schmutzigsten Sorte angehören. Seine Familie, sagt man, hat 500.000 Piaster gegeben, um ihm die Todesstrafe zu ersparen. Das Urtheil ist noch nicht gefällt. Solche Canaillen sind alle höheren Beamten, mit wenigen Ausnahmen, und es ist dadurch begreiflicher, daß ein Land, früher ausgezeichnet durch Reichthum und fähig, eine Bevölkerung von ca 12 Millionen gut zu ernähren, unter einer solchen Verwaltung zu Grunde geht und seine Bevölkerung von ca 1 Million im größten Elend schmachten läßt.
Kürzlich, am Geburtstage Muhameds, habe ich den Bey mit seinem ganzen Gefolge zu betrachten Gelegenheit gehabt. Er geht an diesem Tage mit seinem ganzen Hofstaate von seinem Palaste in der Stadt in eine Mosquee, um seine Andacht zu verrichten. Alle Beamten sind europäisch gekleidet, haben dadurch außerordentlich verloren, denn Turban und Burnus ist eine kleidsame Tracht, und bieten Nichts Bemerkenswerthes dar. Viel sehenswerther sind bei solchen Gelegenheiten die Maulthiergespanne, die gewöhnlich in der Anzahl von Dreien vor dem Wagen sind, und deren sehr schöne existiren. Die Wagen sind gemein, veraltet, plump; elegante Equipagen existiren nicht.
Doch genug; der Courier wartet nicht und ich kann hier, wo ich die Medicin ausübe, nicht so frei über meine Zeit disponiren, als in Bône.
Hoffentlich bin ich bei der Ankunft meines Briefes in Cöln schon aus meiner Unruhe über Euer Schweigen gerissen; sollte es unglücklicherweise noch nicht der Fall sein, so bitte ich dringend um einige, wenige Zeilen. Deine Gesundheit, liebe Tante, vorzüglich ist nicht derart befestigt, daß man nicht Grund hätte, von Zeit zu Zeit eine kleine Wiederkehr zu fürchten. – Auch von den übrigen Angelegenheiten möchte ich wohl einmal wieder hören, sowohl den städtischen, gesellschaftlichen, als den politischen. Was macht der Dom, der Zoologische Garten, das Sommertheater, Eure Kaffeegesellschaft im Prinz Carl, das Museum und andere öffentliche Institute? Wie geht es Euren Bekannten, die ja auch zum größten Theil die meinigen sind, was machen Thermar’s, Paas, Weegmann, mit Frl. Tochter, Rudolf’s, Herr Bofgen mit Gemahlin, Aragon’s, Stelzmanns usw. usw. Gar nicht zu sprechen von der Familie in der Altenbergerstraße und der Mühlengasse, von der ich die detaillirtesten Nachrichten immer am liebsten entgegennehme. Was lernt Carl in der Schule am liebsten und fängt er an, ein Talent oder eine Fähigkeit in einer bestimmten Richtung zu entwickeln? Bildet auch Wilhelm seine Neigung zum Zeichnen weiter aus? Und erwirkt sich Albert Eure und seiner Lehrer Zufriedenheit?
Was sagt man in Preußen zum Fürsten-Congreß und zu König Wilhelms standhafter Nichtbetheiligung? Oder hat er sich endlich zuletzt doch zur Theilnahme entschlossen? Wie hält sich die Cölnische Zeitung den Bismark’schen Preß-Verwarnungen gegenüber? Was denkt man zu Rußland’s Stellung zu den Westmächten usw. usw.
Verzeihe die vielen Fragen auf einmal, aber das Bedürfniß, Genaueres über Alles zu hören, macht sich bei dem hiesigen Mangel an Journalen und Zeitungen sehr fühlbar. Beantworte so viel es Dir eben paßt und Dir Deine rastlose Thätigkeit gestattet? A propos Thätigkeit: wie verhält sich das Geschäft?
Hast Du es eingeschränkt oder die alten Dimensionen behalten? Und wie habt Ihr es mit der Instandsetzung der oberen Etagen des Geschäftshauses gemacht?
Noch einmal Verzeihung für alle meine Fragen! Möget Ihr Euch einer vollkommenen Gesundheit und einer heiteren, zufriedenen Stimmung erfreuen! Das ist mein täglicher, aufrichtiger Wunsch!
Adieu! Schreibt bald an
 Euren
  Gustav.


 Tunis am 26sten September 1863
     /11 Oct

 Mein lieber Onkel und meine theure Tante!

Ich weiß in der That nicht, was ich davon denken soll, seit ca 2 Monaten ohne alle und jede Nachricht von Euch geblieben zu sein. Bald nach Eurer Rückkehr von Thüringen hast Du, lieber Onkel, geschrieben und seitdem ist Alles ausgeblieben. Jeden Donnerstag kehre ich betrübt von der Post zurück, denn, während ich Alle mit Briefen beschwert sehe, gehe ich seit längeren Wochen gänzlich leer aus. Auch von meiner Mutter und Schwester hörte ich auffallend lange Nichts, was mich nicht minder beunruhigt. Je mehr man allein ist, je weniger die Praxis an Ausdehnung gewinnt, desto lebhafter ist das Bedürfniß nach Briefen. Möge es keinen üblen Grund für Euch haben, dann will ich schon zufrieden sein!
Gleichwohl war die letztere Zeit nicht ohne Abwechslung hier in Tunis, wenn auch nicht immer der angenehmsten Art. Morgen werden es 14 Tage, daß die Einwohner von Tunis durch ein Erdbeben in den heftigsten Schrecken versetzt wurden. Um 8 Uhr Abends, nachdem die Luft gegen Abend auffallend schwül und windstill geworden war, erfolgte plötzlich unter lautem unterirdischem Donner eine heftige, gewiß 3-4 Sekunden dauernde Erschütterung, die die Wände schwanken, die Gegenstände von den Wänden abrücken und die Teller auf den Tischen klappern machte. Die Fenster klirrten, als wollten sie herausfallen und die Bewohner verließen voll Angst die Häuser, um im Freien Sicherheit zu suchen. Um 9 Uhr und um 9½ Uhr fanden noch 2 Erschütterungen, wenn auch etwas minder heftig, Statt und am Morgen um 3 Uhr wurde ich durch einen anständigen Satz, den ich mit dem Bette machte, aus dem Schlafe erweckt. Seitdem beobachtet man noch von Zeit zu Zeit leichte Schwankungen und dumpfere, unterirdische Geräusche, die jedoch meist so unbedeutend waren, daß man sie am Tage über den gewöhnlichen Beschäftigungen und in der Nacht im Schlafe nicht bemerkte. Die beiden ersten Nächte war die Umgegend der Stadt in ein wahres Heerlager verwandelt und Mancher holte sich dort, auf einer einfachen, dünnen Matratze schlafend, eine ordentliche Erkältung. Dies war besonders leicht, da in der ersten Nacht ein heftiges Gewitter, wie langjährige Einwohner dieses Landes sich nicht erinnern erlebt zu haben und wie es mir neu war, mit einem mächtigen Regen statt fand und die draußen Campirenden überschwemmte. Ich selbst blieb zwar im Hause, legte mich jedoch angekleidet, mit dem Rest meines Geldes und meinen Papieren versehen, auf’s Bett, um bei erneuten und heftigeren Stößen schnell das Weite suchen zu können. Weit näher trat mir jedoch diese Nacht die Gefahr des Gewitters, indem ein Blitz seinen Weg zu mir durch ein schlecht schließendes Fenster ins Zimmer nahm, lebhafte Zickzackbewegungen in demselben machte, jedoch, ohne Schaden anzurichten, erlosch. Es war ein furchtbarer Schlag, an den ich noch lange denken werde, der unmittelbar über dem Haus sich entladend, letzteres zerschmettern zu wollen schien. Ein lebhafter Geruch nach Schwefel blieb noch etwa eine Stunde lang nach dem Blitze als Zeuge seines Besuches in dem Zimmer.
Wunderbar und beängstigend war die Erscheinung, daß das Erdbeben nirgends in der Umgegend von Tunis trotz seiner Heftigkeit verspürt wurde. Es hat sich nicht viel über eine Stunde von der Stadt bemerkbar gemacht. Gleichwohl kann man kaum denken, daß ein Vulkan unter Tunis schlummern könnte, da seit dem hohen Alterthum höchstens von Zeit zu Zeit Erschütterungen doch nie mehr, beobachtet wurden. Nicht mit Unrecht sucht man es mit den starken Eruptionen des Ätna auf Sicilien, die derselbe seit Wochen macht, und mit etwaigen Unterbrechungen derselben in Verbindung zu bringen. Dem sei, wie ihm wolle, ein Erdbeben ist eine höchst ungemüthliche, wenn nicht Furcht, so doch eine unendliche Unsicherheit hervorrufende Naturerscheinung. Den Feind gar nicht sehen, seine Stärke gar nicht abschätzen und den Ausgang nicht vermuthen zu können, erhöht in Verbindung mit der Plötzlichkeit des Auftretens das Unheimliche des Unterirdischen. – Unter den Furchtsamen zeichneten sich vor Allem wieder die Israeliten aus. Sie waren gerade bei der Feier ihres Neujahres begriffen, wo sie einen ganzen Tag in den Synagogen zubringen, um Gott um die Sendung des Messias zu bitten, den sie selbst mit Trompetenblasen herbeizulocken trachten. Einige Rabbiner benutzten das Naturereignis, um das Erscheinen des Messias wahrscheinlich zu machen, was jedoch die Juden nicht vermochte, denselben in Tunis selbst erwarten zu wollen. Nach ihnen fürchteten die enragirtesten Katholiken, die Malteser und Süd-Italiener, sich am meisten. Die Muselmänner zeigten zweifellos die geringste Besorgniß, die wohl theilweise aus ihrem Stumpfsinn hervorgeht, doch zum Theil auch dem lebhaften Gottvertrauen ihren Ursprung verdankt. Ich habe viele, sehr viele Muhamedaner an den folgenden Tagen gefragt, ob sie Furcht gehabt hätten; doch mit würdevollem, verächtlichem Lächeln deuteten sie nur gen Himmel mit dem Worte: Robbi! (Gott!)
Die andern Abwechslungen, von denen ich sprach, waren angenehmerer Art. Am Donnerstag kam mit dem Schiffe von Algérien der Geheimrath Lischke, Oberbürgermeister von Elberfeld und ich habe die 3 Tage seiner Anwesenheit in sehr vergnügter Weise mit ihm zugebracht. Es war das dritte Mal, daß er Algérien bereiste, wenn er auch noch nicht in Tunis gewesen war; diesmal war er bis zur Wüste gewesen. Er hatte 2 Jahr in Amerika gereist, kannte den ganzen Orient bis auf die kleinsten Inseln, den Norden, wie den Süden, den Osten, wie den Westen, und hatte seine Reisen offenbar mit dem größten Nutzen gemacht. Ein sehr unterrichteter, liebenswürdiger Mann, der, wenn er gemäß den Grundsätzen handelt, die er mir gegenüber ausgesprochen hat, gewiß die Achtung aller Parteien in seiner Stadt gewinnen wird. Ich habe auch von ihm einige politische Nachrichten eingenommen, deren ich gänzlich baar war, mit ihm über politische Sachen, wie über Waisenhaus-Angelegenheit gesprochen und mit ihm den Zwiespalt von Bachem in Coeln mit seinen Stadtverordneten gehört. Schreibe doch darüber, lieber Onkel, und über das Dombau-Fest und die sonstigen, öffentlichen Vorkommnisse in Coeln. Nicht genug mit ihm, liefen am Freitag einige preußische Kriegsboote in den Hafen der Goulette, um hier Kohlen einzunehmen zur Weiterreise nach Constantinopel, wo sie den künftigen Winter, der dortigen Gesandtschaft zur Disposition gestellt, bleiben werden. Ich habe versucht, ihnen die Stadt zu zeigen, doch ähneln sie schon zu sehr den Officieren des Landheeres, um lebhaftes Interesse für merkwürdige Sachen zu zeigen. Es erklärt dies auch, warum von unserer kleinen Marine, die verhältnismäßig viel herumgereist ist, gar keine Bereicherungen irgend welcher Wissenschaft ausgegangen sind, während sich dadurch die Seeleute anderer Nationen auszeichnen. Unsere Marine ist freilich sehr klein und man muß Geduld haben. Die meisten der Officiere, die an Land waren, hatten Japan besucht, kannten Westindien u.s.w. Wenn sie noch wenige Tage bleiben werden, denke ich ihnen einen Besuch an Bord zu machen. – Eine italienische Fregatte liegt ebenfalls im Hafen, so daß ein außergewöhnliches Leben in Tunis herrscht.
Meine Gesellschaft ist dieselbe, hat jedoch durch den Dr. Ferrini, unstreitig dem instruirtesten Arzt hier, der eine bedeutende Praxis unter den Italienern besitzt, sehr gewonnen. Ich mache fast täglich eine kleine Promenade mit ihm, wo wir über Medicin sprechen; er konsultirt mich, wenn er schwerere Kranke hat u.s.w. Auch den ersten Arzt des Bey, den Dr. Lumbroso, sehe ich öfters, wie auch einen maltesischen Arzt, der in England und Frankreich studiert hat, sehr brav ist und eine Anstellung vom Gouvernement hat.
Am Donnerstag kehrt der Pastor Fenner glücklicherweise zurück, so daß ich meinen Haupt-Anhalt wieder haben werde.
Mit meiner Gesundheit bin ich im Ganzen sehr zufrieden, wenn auch die linke Lunge, als schwache Partie geneigt ist, sich katarrhalische Entzündungen zuzuziehen. Doch dauern diese so kurze Zeit, daß diese Erscheinung allein schon für die bedeutende Besserung spricht. Meine Praxis bewegt sich ungefähr in denselben Grenzen, trotzdem man, wie ich sicher gehört habe, gut von mir in der Stadt spricht. Es giebt viele Umstände, die es sehr erschweren. Zuerst das Unterlaufen mit veralteten und unheilbaren Krankheiten, deren Inhaber stets, nachdem sie alle vorhandenen Aerzte gebraucht haben, auf die neuen Aerzte fallen. Bei der ersten Consultation fragen sie aber vor der Erbittung von Rathschlägen: bist du im Stande, diese Krankheit zu heilen? Antwortet man der Wahrheit gemäß, sagt, daß die Krankheit zu veraltet sei, spricht von wesentlicher Verbesserung, so ziehen sie sich schleunigst zurück. Ehe die Leute den fremden Arzt zu ihren acuten Krankheiten nehmen, soll er an den alten, verjährten Leiden beweisen, was er kann. 2/3 aller Eingeborenen stirbt, ohne einen Arzt zu sehen. Kürzlich behandelte ich einen Beduinen, der nach eingezogenen Erkundigungen sicher bezahlen würde. Er war sehr schwer krank und ich fürchtete für sein Leben. Kaum war das Bedenken ausgesprochen und ich habe das Haus verlassen, so hängt ihn seine Familie auf einen Esel und strebt munter seiner Heimath zu, die 3 Tagereisen von hier ist. Ich bekomme kein Geld und der Mann kommt todt zu Hause an. Und das Verlangen, einen bestimmten Preis für eine Krankheit im Voraus zu machen, ist wirklich abscheulich und ich gehe dadurch viel verlustig, da ich, wenn die Wiederherstellung zweifelhaft und die Dauer unberechenbar ist, mich auf die Sache nicht einlasse. Auf die Praxis bei den Eingeborenen rechnet auch wohl nur ein Arzt hier, ein Spanier, der schon 40 Jahre hier ist. Ferrini weist sie, wenn er sie nicht genau kennt, zurück. Es ist eben eine Unmöglichkeit, hier, wie zu Hause, Vertrauen und Renommée‚ im Sturme zu gewinnen. Selbst Ferrini, obgleich er unter günstigen Verhältnissen herkam, hat 4-5 Jahre und eine Cholera-Epidemie gebraucht, um festen Fuß zu fassen. – Die Aerzte, die ungefähr mit mir zu gleicher Zeit gekommen sind, haben wo möglich noch weniger zu thun.
Der Herr Lischke hat mir erzählt, daß der Dr. Graef, der Schwager des Herrn Diel, seinen Aufenthalt von Elberfeld nach Coeln verlegt habe? Wie geht es ihm?
Jetzt weiß ich Nichts mehr zu schreiben, als noch einmal die dringende Bitte zu wiederholen, mir doch dies räthselhafte Schweigen erklären und es bald durch einen lieben, langen Brief gut machen zu wollen.
Ich kann kaum denken, daß Krankheit Eines von Euch Schuld sein könne, da doch dann gerade mein Interesse an Eurem Wohlergehen erst recht dringende Nachrichten verlangen würde. Ich hoffe, daß der Verlust eines Briefes auf der Post das Ganze erklären wird.
Alle Fragen, die ich in den vorigen Briefen über Euch und die ganze Familie gethan habe, kann ich nur wiederholen. Wenn Du, lieber Onkel, einige politische und städtische Nachrichten hinzufügen würdest, würdest du mich sehr erfreuen.
Daß Du Dich einer ungetrübten Gesundheit erfreust, wage ich voraussetzen zu dürfen, darum schließe ich mit den lebhaftesten, dringendsten Wünschen für Dein Wohl, liebe Tante und hoffe bald das allgemeine Wohlbefinden der Familie Brügelmann-Nachtigal durch einen freundlichen Brief constatirt zu sehen. Meine Grüße an Familienglieder und Bekannte bitte ich allseitig zu überbringen.
Euer
  treuer Neffe
   Dr. G. Nachtigal


 Tunis am 2ten November 1863

 Meine Lieben!
Ich habe diesmal eine Woche länger als gewöhnlich verstreichen lassen, da ich eine kleine Reise mit dem Pastor Fenner ins Innere gemacht habe, die mir, da sie zum Theil eine Amtsreise desselben war, sehr billig zu stehen kam. Wir waren in dem Gebirge und in der Stadt Zaoughwan, die, obgleich nur 6 deutsche Meilen von Tunis entfernt, doch selten Gegenstand eines Besuches der Europäer sind. Es ist eine Gegend, die schon dem alten Carthago und den Römern sehr bekannt und berühmt durch ihren Wasserreichthum war. Von hier aus führt die alte carthaginiensische oder römische (man weiß nicht genau, aus welcher Zeit sie stammt) Wasserleitung nach Carthago, von hier hat man auch jetzt wieder das schöne frische Bergwasser nach Tunis geleitet. Jener ein stolzer Riesenbau, der in wunderbarer Weise dem verwüstenden Einflusse der Zeit, der Vandalen, der Türken u.s.w. getrotzt hat, der so recht beweißt, welche Wichtigkeit die Römer dem Wasser für eine Stadt beilegten, der in großartigem Maßstabe die herrliche, geschmackvolle und solide Bauart jener Zeit repräsentirt. Man folgt ihm oft stundenweit und kann sich nicht losreißen von dem imponirenden Anblicke des Riesenwerkes. Noch jetzt findet man stellenweise Hunderte von großen, haushohen Bögen, die von denselben Riesensteinen erbaut wurden und in derselben Weise, wie Ihr sie an der Porta Nigra in Trier bewundern gelernt habt, aufrecht stehen, auf ihrer Höhe den weiten, sorgfältig gemauerten Canal, in dem das Wasser strömte, tragend und mit Stolz herabsehend auf seinen mesquinen* Bruder, die Wasserleitung, mit der französische Ingenieure noch jetzt beschäftigt sind. Sind ja einige Bögen eingestürzt, so imponiren die Riesenblöcke, die die stolzen Trümmer bilden, fast noch mehr als das Werk in seiner Vollendung. Stein hält sich am Stein und sträubt sich gegen den Zerfall, in einer Weise, dessen Geheimniß nur die Römer gehabt zu haben scheinen. Wie jammervoll, wie kümmerlich nimmt sich das französische Werk dieses Jahres dagegen aus, das an seiner Seite hinläuft und die Vergleichung jedes denkenden Menschen provozirt? Noch nicht fertig, muß es stellenweise reparirt werden und mit Leichtigkeit bohren die Araber Löcher, um sich Wasser zu verschaffen. Viele Menschen haben wie Blutegel sich Reichthum aus dieser Unternehmung gesogen, Millionen sind bei dieser Gelegenheit gestohlen worden, um vielleicht nach 20 Jahren das Werk wieder zerfallen zu sehen. Auf dem ersten Drittheil des Weges stoßen wir auf die Trümmer einer muhamedanischen kleinen Stadt, die sich unter dem drittletzten Bey um seinen großen Palast, der seinen Lieblingsaufenthalt bildete, formte. Der Bey ist darin gestorben, Grund genug für seine Nachfolger, und die Muselmänner im Allgemeinen, das Ganze zerfallen zu lassen. Zwischen den Trümmern wohnen vielleicht noch 50 Menschen, eine einzige Familie (des Kastellans) in den weiten Räumen des großen Palastes. In 50 Jahren richtet die Nachlässigkeit der Muhamedaner größere Verwüstungen an, als die Zeit an römischen Städten in 500 Jahren zerstören kann. Die großen Marmorplatten des Fußbodens und der Wände sind weggenommen worden, um den Palast eines Großen zu zieren, die Marmorsäulen, deren Hinwegnahme nicht zu mühevoll war, ebenfalls; die Fenster verschwunden oder zertrümmert, die Decken im Einsturze begriffen: das Ganze mit der umgebenden Stadt ein wahres Bild des Muhamedanismus! Mit Trauer durchwandelt man die verlassenen Straßen und Häuser, die nur von Ratten, Mäusen, Salamandern und Scorpionen bewohnt sind und folgt dem Wege oder vielmehr der Richtung, um wahrlich im freien Felde nicht an Vertrauen auf die Zukunft des Landes unter dem Islam zu gewinnen. Alles wüst und leer; und wenn man je einmal eine gepflügte Stelle trifft, so ist diese in einer Weise bearbeitet, daß jede Distel, jeder kleine Strauch stolz dem Einflusse des Pfluges trotzen konnte. Im Ganzen haben wir vielleicht 20 Menschen auf dieser Strecke von 6 Meilen angetroffen, die auf dem Wege wohnten oder aus der Nähe zur Stadt Tunis oder Zaoughwan zogen. Wahrlich traurig, dieses herrliche Land, das den Römern die fabelhaftesten Reichthümer lieferte, unter dem erlahmenden Einflusse des Islam langsam verkommen zu sehen. Ein wenig weiter, als Mahamedeya (so heißt das verlassene muhamedanische Städtchen) finden wir die riesigen Trümmer einer großen römischen Stadt, die auf mehren Hügeln erbaut, nicht so gut erhalten ist, als andere antike Reste in der Tunisie, doch immerhin viel mehr bietet, als Carthago und als wir in Deutschland zu finden gewohnt sind. Noch findet man die großen Gerichtssäle oder Theater oder Tempel erhalten, noch erkennt man die Hauptgebäude der Stadt, große Brückenbögen vollständig erhalten, noch bewundert man die großen Waserreservoirs der privaten und öffentlichen Gebäude. Oudenah (ich weiß nicht, welchen römischen Namen die Stadt führte) war wenigstens eine Stadt von 50-80.000 Einwohnern.
In der Nähe der Stadt Zaoughwan wird die Vegetation üppiger, der ganze Charakter der Landschaft ändert sich durch das belebende Grün, das sonst den unbebauten Gegenden der Regentschaft sehr mangelt. Die Stadt selbst ist von den köstlichsten Gärten umgeben, schlecht unterhalten und gepflegt, doch voller riesiger Feigenbäume, Nußbäume, Citronen- und Orangenbäume u.s.w., die natürlich durch Pflege und weise Benutzung des reichen Wasservorrathes noch wesentlich verbessert werden könnten. Am Ursprung der Hauptquellen findet sich ein großer römischer Tempel, der gut erhalten ist, wenn man auch die Bildsäulen, die vorhanden waren, weggenommen hat. Leider findet sich keine Inschrift; doch das Bassin zur Fassung der Quellen in admirabler Weise erhalten. Das Hauptthor der Stadt ist ebenfalls römisch und trägt über einem Widderkopf die Inschrift: AUXILIS! (der Hülfe!)
Trotzdem die Franzosen in der Nähe gearbeitet hatten, schienen sie doch sehr selten zur Stadt gekommen zu sein, wenn man nach der Aufregung, die unsere Ankunft verursachte, urtheilen soll. Der Anblick eines „Carussa“ ist für die provincielle tunesische Bevölkerung eine seltene Sache, und die Jugend der Straße schien sich nicht minder über den Anblick der Christen aufzuregen. Aus weiser Entfernung schrieen die Kinder lebhaft schimpfend: Christen (Roumi!), seht die Rumi, die Söhne des Hundes! und warfen auch wohl aus großer Entfernung einige Steine. Sonst ist das Benehmen des Arabers gegen Fremde würdig. Man sah wohl, daß sie uns Eindringlinge nicht liebten; sie waren also noch schweigsamer als gewöhnlich, doch nicht allzu unfreundlich und gar nicht feindlich. Der Cheikh nur wünschte nicht, uns zu empfangen, als wir ihn besuchen wollten (er ist der Erste einer Stadt), doch ich glaube wohl, daß er sich geschämt hat, denn wir erzählten nachher auf den Straßen, wo wir uns durch den Tact des Pastor Fenner und seine Fertigkeit der arabischen Sprache sehr viele Freunde machten, wozu mein Titel als Arzt ebenfalls wesentlich beitrug, in spottender Weise sein Benehmen, ihn vergleichend mit den Vornehmen von Tunis u.s.w. Wir logirten bei Israeliten, da begreiflicherweise Hotels oder Herbergen nicht existiren, um so dem Pastor Fenner zugleich Gelegenheit zur Unterhaltung mit ihnen zu geben. Ein wahrer Missionar, durchaus abweichend von unseren jungen Eiferern, die wir nach Afrika senden und die ihrem Predigen und ihrem Eiferen gewiß einen großen Theil ihres Nichterfolges zuzuschreiben haben! Er geht ganz in den Geist der Israeliten, zu disputiren ein und ohne den Anschein des Belehrenwollens, in zwangloser Unterhaltung bei Kaffee und Pfeife spricht er mit ihnen, über Talmud und altes Testament und schon am 2ten Abende war unser ganzes Zimmer voll Zuhörer, die mit Lächeln ihren gelehrten Rabbiner aus Jerusalem aus dem Felde geschlagen sahen! Seine Erfolge in Tunis und überall sind viel größer, als ich anfangs gedacht habe.
Die jüdische Familie, die uns logirte, bestand aus sehr braven Leuten, und besonders die Kinder Benjamin und Smeecha (Freude), Cousin und Cousine, schlossen sich besonders an uns an. Ersterer etwa 12 Jahr, letztere 9 Jahr; sie sind durch elterliche Uebereinkunft mit einander verlobt und mit großer Befriedigung über sein Gefühl für Anstand und Schicklichkeit erzählte uns der Vater des Mädchens, daß er dem Neffen nächstens den Besuch seines Hauses verbieten werde. – Das Gebirge ist in seinen Formen viel wilder und romantischer, als sonst wohl hier und schweizähnlich. Nicht sehr hoch, vielleicht 4-5000 Fuß hoch, doch steil und mühsam zu erklimmen. Es besteht aus Granit und Kalk; hat jedoch fast auf seiner höchsten Höhe, von der aus man eine weite Aussicht hat, eine große Fläche mit Moschee, einigen Häusern, Bäumen und Weide. Die Leute beschäftigen sich mit Bienenzucht und bleiben fast den ganzen Winter oben, ohne herunterzusteigen.
In der Stadt hatten wir genug zu thun: Herr Fenner zu disputiren und ich Medicin zu machen und Kranke zu untersuchen. Als wir abreisten, hatten wir schon viele Freunde gewonnen. Ein bedeutender Theil der Einwohner hat sich in den Straßen und am Thore aufgepflanzt, um unsere Abreise wenigstens zu sehen, manche auch, um Adieu zu sagen.
Doch genug davon; wenn es Euch interessirt, werde ich suchen, bei Gelegenheit wieder eine Excursion zu machen, um Euch davon erzählen zu können. Im Uebrigen geht es mir gut. Mit meiner Gesundheit bin ich zufrieden; mit der Praxis scheint es sich ebenfalls besser machen zu wollen, so daß ich glaube, wenn ich lange genug bleiben könnte, gewiß eine hinlängliche Praxis zu bekommen.
Auch von meiner Mutter und Schwester habe ich kürzlich Nachricht erhalten. Meine Mutter ist in wunderbarer Weise in ihrer Genesung fortgeschritten; wie ich jetzt höre, hatte der Arzt sehr an ihrem Aufkommen gezweifelt. Auch Marie befindet sich wohl, und die Kinder gesund. Ich wollte, dies hörte ich bald einmal von Euch auch wieder. Seit alle Briefe durch Italien gehen, ist alle Regelmäßigkeit dahin.
Ein Schwager des Onkel Fritz in Stendal, Huth in der Weberstraße, hat sich der Brandstiftung schuldig gemacht.
Hat man die Schlacht bei Leipzig großartig gefeiert? Wie sind die Wahlen ausgefallen? Schreibe doch etwas über den Wahlkampf und die dahin schlagenden Ereignisse. Wenn die Erfolge, wie das letzte Mal, sind was soll dann aus dem Conflikte werden? Volksvertretung und Gouvernement, beide werden gleich unnachgiebig sich gegenüberstehen. Es scheint, der Ministerpräsident ist in Pommern auf einem Bahnhofe insultirt* worden?
Schreibe etwas über Eure Stadt und Land und vor Allem über Eure Familie. Möge Euch Gesundheit für den bevorstehenden Winter verliehen werden und wir uns gesund und vergnügt wiedersehen.
Adieu, lieber Onkel, lebe wohl, beste Tante! Grüßt die Großmama, die Kinder, Lenchen und ihre Familie, und Herrmann und Christiane und Carl’s Vater; seid aber selbst zumeist gegrüßt von
  Eurem Gustav.

* kleinlichen
* beleidigt


 Tunis am 27sten November 1863

 Meine Theuersten!
Meinen herzlichen Dank für Deinen lieben Brief, lieber Onkel, der mir wenigstens beweißt, daß Ihr Alle Euch in zufriedenstellendem Gesundheits-Zustande befindet. Mit Bedauern habe ich gelesen, daß Du den Herrn Schiede, der Dir jetzt in der aufregenden und schwierigen Zeit so sehr nöthig gewesen wäre, durch den Tod verloren hast. Leider fürchtete ich ein solches Ende nach den letzten Nachrichten, die Du mir über sein Befinden gegeben hast, wenn ich es auch nicht so schnell erwartete. So ist wieder ein braver Mann durch die so zahlreiche Opfer fordernde Krankheit des Nordens hingerafft worden. Die Schwankungen und Widerwärtigkeiten des Geschäftes in dieser Saison, vorzüglich in diesem Jahre, hast Du also doppelt zu tragen. Es ist ein großes Glück, dessen ich auch oft dankbar gedenke, daß Du Dich dabei wohl zu befinden scheinst, wenn Du auch zweifelsohne manche unruhige Nacht und gedankenschwere Tage genug durchmachst. Mögen die unangenehmsten Conjecturen bereits vorüber sein und einem günstigeren Geschäftshimmel Platz gemacht haben. Daß Du während längerer Abwesenheit Herrn Guerike und Carl Brügelmann die Geschäftslast und Verantwortung schon auf die Schultern laden könntest, kann ich mir auch kaum denken. So lieb ich meine Kunst habe, so denke ich doch oft mit Bedauern daran, wie nützlich ich mich Dir und der Familie hätte machen können, wenn ich mich Deiner Carriere gewidmet hätte. Das wäre vielleicht für Euren Carl und Albert auch nutzbringend gewesen.
Laß Dich nur durch Deine Verluste nicht in Deiner Stimmung zu sehr derangiren. Ich weiß zwar sehr wohl, daß Niemand Verluste ganz gleichmüthig erträgt, zumal wenn sie die Errungenschaften langjährigen Fleißes betreffen, doch werden sie wohl kaum über Deine Kräfte gehen. Es freut mich, daß Ihr mit dem Ankaufe des Lavalette’schen Hauses und Gartens ein so gutes Geschäft gemacht habt und ich will hoffen, daß sich der Verkauf des Hauses auch ebenso gut arrangirt, als Eure Häuser an Annehmlichkeit und Werth gewonnen haben. Das Geschäftshaus wird wirklich mit der Zeit ein Musterhaus mit allen denkbaren Vorzügen und Annehmlichkeiten.
Wenn ich damit die hiesigen Häuser vergleiche, die im Rufe stehen, die besten zu sein; wenn ich an das denke, das der Pastor Fenner gestern für 2500 Frcs gemiethet hat, und welches gerade hinreicht für seine kleine Familie (er hat nur 2 Kinder)! Die Pilze wachsen in den feuchteren Zimmern auf der Erde; kein Fenster, keine Thür schließt ordentlich; ein Abtritt, mit Respect zu sagen, existirt noch nicht, verschiedene Zimmer empfangen ihr Licht nur durch die Thür u.s.w. u.s.w. Durch die Feuchtigkeit der Häuser friert man selbst bei erträglicher Temperatur unendlich, zumal, wenn man keine Teppiche besitzt, um sie auf den Marmorboden zu legen. Um in meinem, allerdings etwas dürftigen Bette nicht allzusehr zu frieren, habe ich Strohmatten kaufen müssen, und rings um das Bett die Wände damit ausschlagen. Am Tische sitzend und lesend oder schreibend, muß ich mir die Beine in Decken wickeln. Um die Mittagszeit ist es dagegen draußen, wenn nicht Regentage sind, wunderbar schön und noch vor wenigen Tagen konnte ich in weißen Beinkleidern ein Picknick auf dem Lande, das verschiedene Familien veranstaltet hatten und zu dem ich eingeladen war, mitmachen. Das würde Dir freilich wohl nicht einmal für die Stunde des Kaffees am Thürmchen möglich sein. Das besagte Landvergnügen fand eine Stunde von hier, in der Manouba, ebenfalls einem Dorfe nur aus Landhäusern und Pallästen der Reichen gebildet, statt in dem Pallaste und Garten des Si Mohammed Khasnadar, der Gouverneur von Susa, einer der größten Städte im Districte von Tunesien. Wenn man irgendwo ein solches Vergnügen veranstalten will in einem Orte, wo die Betheiligten selbst keine Häuser und Gärten besitzen, so bittet man einen vornehmen Muselmann darum, welcher mit großer Höflichkeit, besonders natürlich Consulats-Familien gegenüber, dann sein Eigenthum zur Disposition stellt. Die reichen Muselmänner, welche fast stets hochgestellte Beamte sind, sind, wie ich glaube schon geschrieben zu haben, dann auch gleich sehr reich und gebieten über viele Millionen. Da kann man dann auch wirklich in den Häusern oder vielmehr Pallästen eine kaum geahnte Pracht schauen. Riesige Säle mit köstlichen Plafonds, wunderbar feiner und eleganter Stukkatur, getragen von kostbaren Marmorsäulen, und schöne Springbrunnen bilden mit dem schönen Marmor des Fußbodens und der Wände die Hauptzierden dieser Behausungen. Kleine angenehm eingerichtete Zimmer, zierliche Boudoirs und geschmackvolles Ameublement findet man niemals. Doch oft dafür eine Verschwändung von Gold, die wahrhaft erschreckend sind. Die höchste Kunst und Zierlichkeit entfalten sie stets in der Stukkatur der Plafonds und Wände, in Elfenbein- und Holzschnitzereien. Die Gärten sind gewöhnlich nach unseren europäischen Begriffen nicht geschmackvoll arrangirt und etwas kahl durch den Mangel an ordentlichen Bäumen. Doch zeichnet sich in dieser Beziehung der Garten des Generals Khéreddin, der zugleich von einem europäischen Gartenkünstler dirigirt wird, aus. Mit waren bei dieser Gelegenheit der englische Consul, Herr Wood, mit Familie, der englische Vizeconsul mit seinen schönen Töchtern, die Frau Gambarotta, italienische Consulesse, die Familie des spanischen Consuls, Romeo, der Pastor Fenner, der amerikanische Consul und unter einigen einzelnen jungen Leuten unser Landsmann Schmidt aus Kassel, Repräsentant des Hauses Erlanger in Paris und ich. Von letzterem habe ich gewiß schon geschrieben, er ist ein sehr verständiger und liebenswürdiger junger Mann, der mir zum genaueren Umgang nur leider durch die ihm zu Gebote stehenden reichlichen Geldmittel zu große Ansprüche macht. Sein Mitarbeiter hierselbst (denn das Haus Erlanger gründet eine Banque hier) ist ebenfalls angekommen und ein Herr Plock aus Frankfurt, noch jünger, sehr intelligent, körperlich sehr hübsch und ein wahrer Dandy aus Paris. Sie scheinen den Auftrag zu haben, hier durch Aufwand u.s.w. den Bewohnern zu imponiren. Der französische Consul ist als ministre plenipotentiaire nach Japan abgereist und setzt also sein abenteuerliches Leben fort. Sein interimistischer Stellvertreter, M. Beauval, ist angekommen und entzückt durch sein reiferes honettes Wesen und durch die Energie, mit welcher er auftritt, Alle, wer mit ihm zu thun. Der Ruf großer Rechtschaffenheit und Willenskraft geht ihm von Alexandrien voraus, wo er ebenfalls die Mission hatte, verwirrte und vernachlässigte Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. – Dies ist, mit der Nachricht, daß der Polizeipräsident, General etc. vor kurzem wegen Mordes erschossen ist, in der That Alles, was sich von Tunis mittheilen läßt. Ich könnte noch hinzufügen, daß kürzlich ein Dilettanten-Concert zum Besten eines hier zu errichtenden Gymnasiums veranstaltet wurde, zu dem ich, da Madame Gambarotta dazu einlud, auch gehen mußte. Große allgemeine Heiterkeit erregte auf ihm die Frau des Kaïd Nicim, Großen Schatzmeisters des Bey, welche in der Ungewohnheit, in europäischer Tracht einherzugehen und civilisirte Gesellschaften zu besuchen, lauter komische Dummheiten beging. Vorzüglich die Kleidung, die zum Ueberfluß mit Steinen, die gewiß Millionen an Werth hatten, besäet war, genirte sie außerordentlich. Die Israelitinnen hier tragen sich zu Hause immer tunesisch, weßhalb es viele Commercanten hier giebt, die niemals Fremde mit nach Hause nehmen, weil die Frau nicht die Honneurs machen kann.
Diese Landpartie und dieses Concert brauchen nicht die Idee in Euch hervorzubringen, als wenn Tunis reich sei an gesellschaftlichen Vergnügungen. Dies waren die beiden einzigen Vorkommnisse der Art und werden auch wohl noch längere Zeit die einzigen bleiben. In mancher Beziehung ist dies auch gut, denn die geringste Sache hier kostet gleich so viel, daß ich ihnen sehr bald würde entsagen müssen. Der Wagen, den ich mit Herrn Schmidt zusammen genommen hatte, kostete z.B. ein Pfund Sterling, eine Summe, die ich nicht bezahlen würde, wenn es nicht ein einziges Mal wäre. Wohnung und Nahrung kosten mich 200 Frcs und jetzt, wo ich schon lange aus der Heimath bin, kostet es mich viel Mühe, meine kleine Garderobe in präsentablem Zustande zu erhalten. Ich ziehe mich des Tages 2-3 mal um, um nur die jedesmalige Kleidung, die ich nicht genöthigt war, anzulegen, zu schonen. Doch No 3 ist fast unmöglich, öffentlich zu zeigen. An dies einmal angeregte Capitel schließt sich am natürlichsten mein Dank für Dein Geldanerbieten, das ich leider immer wieder anzunehmen genöthigt bin. Zu Neujahr, hoffe ich, wird man mir einige hundert Piaster bezahlen, doch ist in einem Land der Diebe das Geld, das man noch bekommen soll, niemals sicher. Wenn du mir also wieder einen Wechsel zukommen lassen willst, lieber Onkel, werde ich ihn mit aufrichtigem Danke empfangen.
Die politischen Zustände, wie sie zu Hause herrschen und wie Du sie schilderst, sind sehr traurig. Auch auswärtige Journale beschäftigen sich seit dem Zusammentritt der Kammern viel mit der Frage, was daraus werden solle und was der König jetzt tun werde. Er scheint schon öffentlich von Wiederauflösen gesprochen zu haben. – In welcher Weise mag der Tod des Königs von Dänemark die dänisch-deutsche Frage compliciren? Eigentlich wäre sie dadurch gelöst, denn er war, soviel ich weiß, der letzte König, der zugleich Herzog von Holstein und Lauenburg war. – Die Greuel in Polen sind wirklich unmenschlich und nach 50 Jahren wird man kaum glauben, daß so etwas sich zutragen konnte. In Amerika nicht viel besser, also überall Mangel an Vertrauen in die Zukunft etc. – Der Congreß scheint wohl nicht zu Stande zu kommen.
Der Zustand des Herrn Paas hat meine höchste Theilnahme erregt; ich bitte mich der Familie empfehlen zu wollen. Daß Elisabeth Weegmann eine Krankheit, wie die Schwindsucht, in ihrem Alter und ihrem übrigen Zustande, bekommen sollte kann ich mir kaum denken. Meine aufrichtigsten Wünsche für ihre baldige Genesung. An Eugenie Thermar denke ich oft mit tiefem Bedauern. Was machen jetzt unsere jungen Damen aus der Mühlengasse?
Nun vor Allem freue ich mich, daß Ihr Euch so ziemlich wohl befindet, mit den Kindern und der Großmutter. Möchtet Ihr noch lange, lange so bleiben und Euch der Früchte Eurer Aussaat erfreuen.
Mit meiner Gesundheit bin ich zufrieden, wenn man auch in dieser Übergangs-Saison den Schnupfen gar nicht los wird. Die Praxis nimmt eher ab, als zu, weil die Jahreszeit weniger Krankheiten hervorbringt, und ich selbst friere unendlich.
Adieu, mein lieber Onkel, gehab’ Dich wohl, beste Tante!
Grüßt die ganze Familie herzlich von Eurem
   Euch treu ergebenen
   Gustav. 


FORTSETZUNG IM 5. TEIL