Mit Bangen vom 1. August 1936 bis 1. Juli 1937
Mit Bangen vom 1. Juli 1937 bis 3. Juni 1938
Schluß bis 17. November 1938
Wenn ich die Jahre 1936, 1937 und 1938 an Hand meiner Notizen verfolge,
so kommt es mir vor, als ob der scheinbar unentwirrbare Teppich des Lebens
in diesen drei Jahren besonders lebhafte Farben aufweist. Trotzdem ich mich
erinnere, daß ich vielerlei Aufregungen und quälende Abwartungen
durchzumachen hatte. Dennoch aber erscheint rückwärts gesehen die
ganze Zeit dieser drei Jahre voller lebendigsten Lebens. Im unmittelbaren
Zusammenhang mit dem Beginn der Steuersache fiel die Geburt unseres ersten
Enkelkindes Ursula Beyer, das in der Frauenklinik in Bonn am 6. August 1937
das Licht der Welt erblickte. Bei einem Besuch von Schönberg in Hersel
hatten wir überlegt, den Präsidenten der Reichsnotarkammer, den
Schönberg von Bernkastel her kannte, aufzusuchen und seine Vermittlung
für das Justizministerium in Anspruch zu nehmen. Ich fand bei Notar Wolpers
in Lennep freundliche Aufnahme, und er versprach, alles Mögliche zu
tun. Ich sah aber bald ein, daß er wenig Einfluß auf die Sache
haben konnte.
Im Herseler Fabrikgebäude hatten wir der HJ in Hersel einen großen
Raum eingeräumt, der am 25.8.1937 bezogen wurde. Wir sollten dies noch
sehr bereuen, das Benehmen der Herseler HJ war allzu flegelhaft.
Mit meiner Frau und Marianne fuhr ich am 13. September 1937 über München
nach Tegernsee. Wir hatten dort einen herrlichen Aufenthalt in dem schönen
Haus des verstorbenen Ludwig Thoma auf den Tuften. Das Haus nahm durch seine
Eigentümerin, Frau Maidi Laufermann, zahlende Gäste auf, und wir
waren dort ausgezeichnet aufgehoben. Der ganze Aufenthalt war natürlich
stark mitgenommen durch die fortwährende Sorge um das noch ausstehende
Verfahren. Gegen den guten Rat von Marianne war ich dafür, an Frau Konsul
Wessel zu schreiben, um zu versuchen, den Schwiegervater Kierdorf für
eine Fürsprache für mich zu gewinnen. Es erwies sich dieser Versuch
als vollständig fehl, und Marianne behielt recht. Die Folge war, keine
Intervention von Kierdorf und der Verlust der Wessel AG für das Büro.
Es war ein unvergleichlich bunter und schöner Herbst, den wir in Tegernsee
verlebten und von dem wir noch mancherlei in der Erinnerung hatten. Wir besuchten
häufig Tegernsee und das alte Klostergebäude mit der Brauerei. In
Wiessee trafen wir mit Fräulein Schönberg zusammen, die dort Kur
machte. Zum Schlusse besuchte uns Eugen, der auch noch einige Tage dort blieb
und sich von seinem Staatsexamen, das er gut bestanden hatte, etwas erholte.
Noch bevor er mit Marianne und Helene zurückkehrte, mußte ich
etwas vorher abreisen, weil am 12.10.1937 meine Vernehmung in Köln vor
dem beauftragten Richter begann. Ich machte mir hierbei Notizen und diktierte
sofort danach bei Schönberg den ganzen Inhalt meiner Vernehmung zu den
Akten. Es waren wenig erfreuliche Tage. Mit Ende Oktober bezogen wir wieder
die Bonner Wohnung.
In die Zeit vom 24. November bis 1. Dezember 1937 fällt mein einziger
Besuch bei Professor Sonnenburg in Münster; bei dieser Gelegenheit lernte
ich auch Eugens Onkel Wilhelm, den Generalstaatsanwalt Storp kennen, der ein
eifriger Wanderer war und zweimal wöchentlich größere Wanderungen
mit zwei verschiedenen Wanderclubs unternahm. Ich habe mit ihm den gesamten
Stadtwald von Münster abgeschritten, war bei ihm und seiner liebenswürdigen
Frau zum Tee eingeladen und hatte Gelegenheit, alle schwebenden Fragen in
der Familie Storp mit ihm zu besprechen.
Anfangs 1938 waren Helene und ich zur Fußbehandlung bei einem Orthopäden
Dr. Arnold in Bonn. Beide mit gutem Erfolg. Nachzuholen ist noch, daß
wir im März 1937 mit Helene und Marianne eine Italienreise nach Rom und
Siena gemacht haben, welche uns eine Unmenge Eindrücke brachte, die
ich in einem besonderen Schriftstück niedergelegt habe. Von Januar 1938
vertrat mich im Büro ein Assessor Hilderscheidt, um dieselbe Zeit nahm
Albert Butz in Köln Photoaufnahmen von meinen Handzeichnungen.
Unmittelbar nach der am 3.6.1938 in Düsseldorf stattgehabten Verhandlung
reiste ich mit Helene am 4.6. nach Kassel, wo wir einige schöne Tage
verlebten. Ich lernte dabei Dr. Vogts vom graphischen Kabinett kennen, dem
ich später bei Kriegsausbruch einen Teil meiner Handzeichnungen in Verwahrung
gab. Außer einem Besuche des reizenden Schlosses Wilhelmstal sind mir
noch in guter Erinnerung geblieben mehrere Flußbäder in der Fulda,
wiederholte Besuche der Gemäldegalerie, Besichtigung des einigartigen
Tapetenmuseums und der häufige Besuch eines ausgezeichneten Bierrestaurants.
Erst am 18. Juni 1938 zogen wir nach Hersel von Bonn, und ich bat um Verlängerung
eines Vertreters für mich. In dem darauffolgenden Juli hatten Waldemar
und Hertha eine schöne Sommerfrische am Bodensee in Unteruhldingen. Gegen
Ende des Monats hatten wir das vorzügliche Ferienkind Rita aus München.
Im September 1938 war Sonnenburg hier, und ich besuchte mit ihm und Herrn
von Claer den Pützchens Markt. Am 1. Oktober zogen wir wieder nach Bonn
und fuhren am 5. bereits zu dritt nach Oberstdorf, wo wir im Geldernhaus
wohnten. Ein Ausflug zur Jagdausstellung in Sonthofen mit den Eheleuten Mirbach-Geldern
und ein besonders schöner Besuch der Burg Schöllang ist mir noch
in guter Erinnerung. Am 21. Oktober besuchten wir zusammen Spielmannsau,
und ich kletterte mit Marianne in das einsame Traufachtal. Am 29. Oktober
war dann bei Schneefall die Rückfahrt nach Bonn. Am 17. November 1938
erfolgte das Reichsgerichtsurteil. Vom 5. bis 13. war ich in Behandlung von
Professor Hummelsheim, der mir mehrere Hagelkörner entfernte. Am 31.
Dezember 1938 feierten wir fröhlich Neujahr.
Am 17. Februar 1939 fand eine Gaugerichtsverhandlung des Gaugerichtes Köln
gegen mich in Bonn statt, bei deren Einladung schon ein gewaltiges Durcheinander
sich zeigte. Bei der ersten Verhandlung in Köln, die noch geraume
Zeit vor der Amtsentsetzung von Z. stattgefunden hatte, waren wir beide geladen.
Bei der Verhandlung stellte sich heraus, daß ein Ortsgruppenleiter aus
Bonn, Krämer, da war und mich mit meinem Bruder Josef verwechselte. Z.
wurde damals freigesprochen, hauptsächlich ob seiner angeblich großen
Verdienste in der Reiter-S.-A. Mein Freispruch erfolgte auf Grund derselben
Amnestie erst am 17. ... 1939, nachdem das Disziplinarverfahren längst
erledigt war.
Im Jahre 1939 wurde dann die schöne Hochzeit von Marianne am 6.5 in
der Lese gefeiert. Am 9.5. fuhren Helene und ich nach Oberstdorf, wo wir im
christlichen Hospiz lebten, anfangs gut, später schlecht. Während
Eugen und Marianne es im Sonnenblick bei Brutschers damals gut hatten. Helene
war der Aufenthalt stark verleidet durch heftige Asthmaanfälle. Irre
ich nicht, so ist sie nachher mit Eugen zur Nachkur noch in das Moorbad Aibling
gefahren. Eugen mußte dann bald ins Feld. Am 15.3.1939 begann schon
der Einmarsch in Böhmen und Mähren. Am 24.3.1939 hatte ich eine
Lungenerkrankung, wobei mich Frl. Dr. Schäfer behandelte.