beim Verfasser bzw. Herausgeber, Karl Wüllenweber, Bornheim-Uedorf. |
|
|
|
Zuschriften |
Zwei
neue Briefe von Gustav Nachtigal (1884) |
Von den 51 Jahren seines Lebens verbrachte Gustav Nachtigal 14 1/2 Jahre im nördlichen Teil Afrikas, reiste über 12.000 km und berichtete über seine Forschungen in seinem umfangreichen Werk "Sahara und Sudan", in Briefen und Artikeln. Sein Lebenswerk und seine Forschungen finden noch heute ihre Anerkennung und Beachtung.
Gustav Nachtigal wurde am 23. Februar 1834 in Eichstedt, einem Dorf nördlich von Stendal in der Altmark, geboren. Sein Vater war Geistlicher, der schon früh an der Tuberkulose verstorben war. Er selbst wurde Mediziner, diente im Militär als Arzt und erkrankte dann selbst auch lebensgefährlich an Tuberkulose. Man riet ihm zu einem Aufenthalt in Afrika, ihm fehlten selbst aber die Mittel für diese Reise. Da half ihm sein Onkel, Dietrich Nachtigal, der als Kaufmann in Köln lebte, und finanzierte ihm im den lebensrettenden Aufenthalt in Algerien.
Am 29. Oktober 1862 verließ Gustav Nachtigal Köln und reiste mit der Eisenbahn über Basel und Genf nach Marseille und von dort mit dem Schiff nach Algerien. Sein Reiseziel Bône (heute Abana) erreichte er am 5. November. Er war einem Geschäftsfreund seines Onkels empfohlen, der ihm half, sich in der neuen Umgebung einzurichten.
Es begann nun ein reger Briefwechsel mit der Heimat. Die Briefe an seinen Onkel Dietrich Nachtigal in Köln sind zum großen Teil erhalten und bilden die Grundlage meiner Kenntnisse über Gustav Nachtigal und die Anregung zu dieser Seite. Sie zeugen von der Anhänglichkeit und Dankbarkeit an seinen "theuren Onkel" und die "geliebte Tante" und zeigen die Entwicklung Gustav Nachtigals vom heilungsuchenden Kranken zum Leibarzt des Bey von Tunis und schließlich zum Forschungsreisenden.
Er berichtet über Freundschaften, die er schließt, über Ausflüge in die Umgebung, über die Kolonialverwaltung der Franzosen. Er schildert die Lebensgewohnheiten der Araber, schreibt über Städte und Landschaften, über die Reste der Römerzeit im Lande und über meteorologische Beobachtungen.
Von Bône in Algerien siedelte Gustav Nachtigal
im Mai 1863 nach Tunis über, wo er zunächst unter den
ärmlichsten Verhältnissen als Arzt praktizierte. Es gelang
ihm, Anschluß an
die Konsularfamilien und die Beamten des Hofes zu finden, für
seinen Lebensunterhalt war er aber immer noch auf die Zuwendungen
seines Onkels angewiesen.
Eine Wende brachte das Jahr 1864 mit der tunesischen
Revolution. Ein großer Teil der einheimischen Stämme erhob
sich gegen den
Bey und versuchte, die Regierung zu beseitigen. An dem Feldzug gegen
die
Aufständischen nahm Gustav Nachtigal als Feldarzt teil. Nach dem
siegreichen
Feldzug ernannte ihn der Bey zum ersten Arzt seiner Flotte, die eben
gebildet
worden war und aus einigen kleineren Schiffen bestand. Er gehörte
von
nun an zum Hof mit einem festen Gehalt, das ihm aber wegen der
ungeheuren
Verschuldung des Staates nie ganz ausgezahlt wurde. Nur seine private
ärztliche
Tätigkeit - zu seinen Patienten gehörten nun auch
Angehörige
der Konsularfamilien und höhere Beamte - sicherte ihm ein
ausreichendes
Einkommen.
Er konnte nun endlich an einen Besuch in der Heimat
denken, aber der preußisch-österreichische Krieg von 1866
hatte für ihn von seiten der preußischen Armee ein
Desertionsverfahren zur Folge, das erst nach langwierigem
Schriftverkehr niedergeschlagen wurde. 1867 hinderte ihn eine
Choleraepidemie an der Reise, und erst im Frühjahr 1868 sah er die
Heimat wieder.
Schließlich wurde er der Leibarzt des Bey, weil
alle anderen Ärzte bei einer Choleraepidemie aus Tunis
geflüchtet waren.
1869 traf er den deutschen Afrikareisenden Gerhard
Rohlfs, der ihm anbot, an seiner Stelle Geschenke des Preußischen
Königs nach Kuka zum Sultan von Bornu zu bringen. Diesen Auftrag
nahm Gustav Nachtigal gerne an. Er rüstete eine kleine Karawane
aus und brach im Februar 1869
in Tripolis auf, und damit begann seine Forschungsreise durch Afrika,
die
ihn während der nächsten fünf Jahre in Gebiete brachte,
die
vorher nie ein Europäer betreten hatte. Seine Forschungen und
Reiseerlebnisse beschrieb er in seinen Briefen und später in dem
dreibändigen
Werk "Sahara und Sudan".
Gustav Nachtigal reiste zunächst nach Mursuk. In
Mursuk hatte er einen unfreiwilligen Zwischenstopp, weil er auf eine
größere Karawane warten mußte, der er sich
anschließen konnte.
Er beschloß, die Monate der Wartezeit auszunutzen
und eine Reise nach Tibesti zu unternehmen, wo vorher noch kein
Europäer gewesen war. Je weiter er ins Tibesti vordrang, desto
feindlicher verhielt sich die Bevölkerung. Sie erbettelten und
stahlen ihm seine ganze Ausrüstung, auch die Geschenke für
die Stammesältesten und die Verpflegung. In Bardai bedrohten ihn
die Tubu mit dem Tod, er konnte aber mit seinen
Begleitern fliehen und kam schließlich im Oktober 1869
halbverhungert
wieder nach Mursuk zurück.
1870 reiste er dann weiter nach Kuka, wo er im Juni
ankam und dem Sultan von Bornu die Geschenke des Preußischen
Königs überreichte.
Von Kuka aus unternahm er in den nächsten Jahren
Reisen nach Nordosten (Borku), nach Süden (Bagirmi), und im Jahr
1873 trat
er die Rückreise an, die ihn nach Osten quer durch Afrika nach
Chartum
führte, wo er im August 1874 ankam.
Von dort kehrte er nach Deutschland zurück, wo man
schon viel von ihm gehört hatte und er ehrenvoll empfangen wurde.
Er wurde Präsident der "Deutschen Gesellschaft zu Erforschung
Afrikas" und
Vorsitzender der "Gesellschaft für Erdkunde" in Berlin.
1882 wird er deutscher Generalkonsul in Tunis.
Im Jahr vor seinem Tode schließt er im Auftrage
des Deutschen Reiches in Togo und Kamerun Freundschafts- und
Schutzverträge und hißt im Namen des Kaisers die deutsche
Fahne.
Auf der Heimreise stirbt er an Bord der "Möwe" am
20. April 1885 im Alter von 51 Jahren. Sein Grab liegt in Douala in
Kamerun.